Daimler Truck: Werk Wörth wird per E-Lkw beliefert

Mercedes-Benz Trucks setzt auch in der eigenen Lieferkette auf E-Lkw – so will der Hersteller rund um das Werk in Wörth die Praxistauglichkeit und Vielseitigkeit von elektrisch angetriebenen Lkw belegen. Ab 2026 soll der gesamte Lieferverkehr in Wörth nur noch per E-Lkw erfolgen.

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Dabei sollen natürlich vorrangig die eigenen Fahrzeuge genutzt werden – also der Mercedes eActros. Im kommenden Jahr soll eine Pilotphase in Zusammenarbeit mit mehreren Spediteuren anlaufen, die derzeit vorbereitet wird. Im Laufe des kommenden Jahres sollen dann die ersten Anliefertransporte von Zulieferern oder Schwesterwerken an das Werk Wörth elektrisch erfolgen – genauer grenzt Mercedes-Benz Trucks den Zeitraum noch nicht ein.

Bei den Fahrzeugen handelt es sich nicht um den eActros mit Kofferaufbau, der seit 2021 in Serie gebaut wird, sondern um den auf der IAA Transportation vorgestellten eActros 300 Sattelschlepper. Die Sattelzugmaschine basiert auf der gleichen Technologie wie der eActros 300 als Solofahrzeug beziehungsweise Gliederzug: Ausgestattet ist das Fahrzeug mit einer elektrischen Starrachse mit zwei integrierten Elektromotoren und Zwei-Gang-Getriebe. Die Motoren sind mittig an der Hinterachse angebracht und generieren eine Dauerleistung von 330 kW sowie eine Spitzenleistung von 400 kW. Drei Batteriepakete bieten jeweils eine installierte Kapazität von 112 kWh. Die Reichweite ist mit bis zu 220 Kilometern angegeben.

Erst eActros 300 Sattelzugmaschine, dann auch eActros LongHaul

Der Start der Serienproduktion ist zwar laut der Ankündigung aus dem September erst für das zweite Halbjahr 2023 vorgesehen, für den Lieferverkehr in Wörth könnten aber einige Exemplare aus der Vorserie genutzt werden – womit das Pilotprojekt nicht unbedingt an den Start der Serienproduktion gebunden wäre. Der Testeinsatz von Vorserienfahrzeugen bei Kunden im Zuge einer Pilotflotte ist bei Daimler Truck nichts Ungewöhnliches. Warum also nicht jene Spediteure mit Vorserienfahrzeugen beliefern, die einen selbst beliefern?

Für Komponenten mit längeren Lieferwegen soll später auch der eActros LongHaul eingesetzt werden. Dieses auf der IAA Transportation als Prototyp gezeigte Fahrzeug soll über eine Reichweite von rund 500 Kilometer mit einer Batterieaufladung verfügen und wird das Hochleistungsladen – das sogenannte Megawatt-Charging – ermöglichen. Geplanter Beginn der Serienproduktion ist hier 2024.

Im Zuge des Pilotprojekts ist auch der Aufbau einer werkseigenen Ladeinfrastruktur in Wörth geplant, so Daimler Truck. Diese soll sowohl Lieferanten als auch unternehmenseigenen Fahrzeugen zur Verfügung stehen. Das sei ein „integraler Bestandteil des künftigen Inbound-Logistikkonzepts von Mercedes-Benz Trucks zum emissionsfreien Anlieferverkehr“.

50 eigene Ladesäulen geplant – auch mit MCS

Dazu sollen rund 50 Ladesäulen, darunter auch Säulen mit dem neuen Megawatt-Ladestandard MCS, auf dem Gelände errichtet werden. Sie sind an „Schlüsselstellen für den Anlieferverkehr in unmittelbarer Nähe zur Produktion“ geplant. In der Theorie sollen die Batterien der E-Lkw geladen werden, während die Fracht entladen wird. Da die Belieferung des Werks nach dem Just-in-Time-Prinzip erfolgt, darf es an der Entladerampe keine Verzögerungen geben. Zugleich sind die Fahrtzeiten der Lkw so durchgetaktet, dass sie selbst an einen straffen Zeitplan gebunden sind. Wenn das System mit dem Laden während des Entladens ideal funktioniert, müssen die Fahrer ihrerseits keine weitere Standzeit für das Laden der Batterie einplanen und können nach der Teileanlieferung die Route direkt wiederaufnehmen.

Dabei wird es teils deutliche Unterschiede zwischen dem eActros 300 als Sattelzugmaschine und dem eActros LongHaul geben – eben wegen des MCS. Der eActros kann mit bis zu 160 kW geladen werden. An einer DC-Schnellladesäule mit 400 A Ladestrom dauert es etwas mehr als eine Stunde, um die drei verbauten Akkus von 20 auf 80 Prozent zu laden. Anders beim MCS-fähigen eActros LongHaul: Dieser kann trotz einer mit mehr als 600 kWh ungleich größeren Batterie in „deutlich unter 30 Minuten“ von 20 auf 80 Prozent geladen werden.

Um welche Ladestationen es sich bei dem eigenen Ladepark für die Lieferanten handeln wird, geht aus der Mitteilung nicht hervor. Welches Modell für diesen Einsatz passen wird, konnte Daimler Truck in den vergangenen Monaten selbst ermitteln: Im Juli wurde der Demo-Ladepark am Werk Wörth in Betrieb genommen. Die Anlage ist gedacht, damit Kunden bald Ladesäulen und -konzepte verschiedener Hersteller testen und mithilfe von Experten vor Ort maßgeschneiderte Ladelösungen für die eigenen Bedürfnisse erarbeiten können. Dieses Knowhow kann man natürlich auch für den eigenen Flotten-Bedarf nutzen.

Wie schon bei dem Demo-Ladepark geht es dem Unternehmen auch bei dem Pilotprojekt zur eigenen Lieferlogistik vor allem darum, den bereits heute möglichen Einsatz von Batterie-elektrischen Lkw nach außen zu demonstrieren. „Elektromobilität im Transportgewerbe funktioniert bereits heute in zahlreichen Einsatzbereichen“, sagt Karin Rådström, CEO Mercedes-Benz Trucks. „Wir wollen die Transformation unserer Branche zügig vorantreiben, daher sind wir auf allen Ebenen aktiv, auch über das Fahrzeug und begleitende Services hinaus. Wir arbeiten intensiv an der Elektrifizierung unserer eigenen direkten Lieferketten und sehen hier zum einen großes Potenzial und zum anderen auch großes Interesse bei unseren Partnern, die wir auf diesem Weg umfänglich unterstützen.“

Was Mercedes-Benz Trucks in der Mitteilung zu dem Pilotprojekt nicht erwähnt: Ein solcher Lieferverkehr per E-Lkw ist nicht ganz neu – und das im eigenen Haus. Bereits im Zuge der Pilotflotte für den eActros im Jahr 2019 (also zwei Jahre vor Start der Serienproduktion) hat der Spediteur Logistik Schmitt einen eActros-Prototypen eingesetzt, um das Mercedes-Werk Rastatt mit Teilen aus einem Lager in Ötigheim zu versorgen. Dabei hat das Fahrzeug täglich zwölf Touren mit jeweils über zwölf Tonnen Fracht absolviert. Auch damals wurden die Batterien des Lkw während des Entladens der Fracht mit Strom versorgt – wenn auch noch etwas behelfsmäßig mit einer mobilen Ladestation.

Eine Nummer kleiner wird die Anlieferung per E-Lkw übrigens auch schon von BMW im Werk Dingolfing seit einem Jahr umgesetzt. Dort werden per E-Lkw vom Typ Mafi T 225 De elektrische Antriebseinheiten vom hauseigenen Komponentenwerk mit der Bezeichnung 2.20 an das nahegelegene Fahrzeugwerk geliefert. Das Komponentenwerk und die Fahrzeug-Produktion sind dort jedoch nur durch die Landshuter Straße getrennt – die Strecken sind also ungleich kürzer. Das merkt man auch beim Fahrzeug: Der Mafi T 225 De ist maximal 40 km/h schnell.

Der eActros bei Mercedes – egal ob als 300er Sattelzugmaschine oder LongHaul – soll aber mit vollwertigen schweren Lastwagen anderer Hersteller konkurrieren. Und dabei sollen sie im Einsatz mindestens gleichwertig bei deutlich weniger Emissionen sein. Davon geht Daimler Truck zumindest aus. Ansonsten wäre die Entscheidung, das größte eigene Werk ab 2026 nur noch per E-Lkw zu beliefern, ein großes unternehmerisches Risiko.

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