17-Jährige sollen bald 40-Tonner steuern

Bisher ist das begleitete Fahren nur bei Pkw erlaubt. Das will der Verkehrssicherheitsrat ändern. Er traut jungen Fahrern das Lenken von Sattelschleppern zu. Eine Neuerung, auf die Spediteure schon warten.

Viel Zeit für Hobbys hat Peter Bassen momentan nicht. Statt aufs Motorrad zu steigen oder ein Spiel von Werder Bremen anzuschauen, verbringt der 56-Jährige viele Stunden in Klassenräumen von Berufsschulen, wenn er nicht im Büro seiner mittelständischen Spedition Bassen Logistics gebraucht wird. Auch bei Jobbörsen und Umschulungskursen der Dekra trifft man ihn häufiger. Bassen ist auf Werbetour.

In den vergangenen drei Jahrzehnten hat er seine Firma vom Ein-Mann-Betrieb zum internationalen Logistik-Spezialisten aufgebaut und trotzdem hat er das gleiche Problem, mit dem fast jedes Unternehmen der Branche zu kämpfen hat: Bassen findet einfach keine Auszubildenden, die seine Lastwagen fahren wollen. Der Erfolg seiner Werbetouren ist mäßig: Im vergangenen Lehrjahr hat Bassen am Ende gar keinen Kandidaten gefunden, der Berufskraftfahrer werden wollte.

Doch jetzt hat der Unternehmer eine neue Idee: Bassen will erreichen, dass er künftig schon deutlich jüngere Azubis ans Steuer seiner Lastwagen lassen kann. Dafür müsste aber der Gesetzgeber erlauben, dass auch schon 17-Jährige in Begleitung eines Erwachsenen Lkw fahren. Bisher ist das nur im Pkw erlaubt. Bassen hofft, dass er mehr Jugendliche für den Beruf des Lkw-Fahrers begeistern kann, wenn er mit früher Praxiserfahrung punkten kann. Würde das Gesetz geändert, könnte der dringend benötigte Nachwuchs rascher in den Arbeitsalltag einsteigen.

Jedes Jahr gehen rund 30.000 Berufskraftfahrer in Rente

Teenager am Steuer von 40-Tonnern? Bassen ist mit dieser Forderung keineswegs allein. Auch der Deutsche Verkehrssicherheitsrat, in dem unter anderem Vertreter der Verkehrsministerien, von Versicherungen und Fahrzeugherstellern organisiert sind, hat gerade dem Bundesverkehrsministerium empfohlen, das begleitete Fahren auch in Lkw zuzulassen. Die Empfehlungen des Rats haben in Berlin durchaus Gewicht.

Zumal das Problem drängt: Die Deutschen bestellen immer mehr Waren im Internet und die müssen dann möglichst schnell vom Lager des Herstellers an die Haustür des Kunden geliefert werden. Doch dafür wird es bald nicht mehr genug Fahrer geben. Jedes Jahr gehen rund 30.000 Berufskraftfahrer in Rente, höchstens die Hälfte kann durch Berufseinsteiger ersetzt werden.

Deutschland leidet wie kaum ein anderes Land in Europa am Fahrermangel für den Lkw. Während in diesem Jahr der Güterverkehr auf deutschen Fernstraßen um rund vier Prozent zunehmen wird, gibt es kaum Nachwuchs. Immer mehr Fahrer auf den Lastwagen stammen aus osteuropäischen Ländern. Hiesige Firmen finden dagegen kaum noch Mitarbeiter. Da sind ungewöhnliche Ideen gefragt.

Gleich auch schwere Fahrzeuge lenken

„Wir haben bei den Anforderungen schon manches zurückgenommen und nehmen auch Kandidaten, bei denen das Zeugnis bescheiden aussieht“, sagt Bassen. Trotzdem seien kaum Bewerber zu finden. Derzeit bildet seine Spedition gerade einmal zwei junge Männer zum Berufskraftfahrer aus. „Wenn ein 16-Jähriger mit der Ausbildung beginnt, können wir ihn doch nicht in den zwei Jahren, bis er 18 Jahre alt ist, im Lager oder in der Werkstatt unterbringen, nur damit er eine Beschäftigung hat“, klagt Bassen.

Viel besser sei es, ihn nach den bestandenen Führerscheinprüfungen gleich im Lkw fahren zu lassen und einen erfahrenen Kollegen auf den Beifahrersitz zu setzen. Bassen hat selbst fünf Jahre als Berufskraftfahrer gearbeitet – so wie es sein Vater ein Berufsleben lang getan hat.

Geht es nach ihm, würde der Lehrling gleich mit 16 Jahren die Führerscheinausbildungen für den Pkw und den Lkw beginnen. Mit 17 Jahren könnte er dann beim begleiteten Fahren auch im Lastwagen erste Erfahrungen sammeln und die Fahrerlaubnis abschließen. Ein Jahr später stünde dann ein neuer Fernfahrer auf dem Betriebshof zur Verfügung. Die dreijährige Berufsausbildung würde er nach einem weiteren Jahr beenden.

Durch den Abschluss darf er dann auch gleich schwere Fahrzeuge lenken, Privatleute müssen selbst nach bestandenem Lkw-Führerschein noch bis zu ihrem 21. Geburtstag warten, um Lkw mit mehr als 7,5 Tonnen Gesamtgewicht fahren zu dürfen. Der Aufwand der Speditionen für die Ausbildung ist nicht gering: Allein die Führerscheine schlagen mit mindestens 5000 Euro zu Buche.

Weiter Weg bis zur Gesetzesänderung

„Das begleitete Fahren ab 17 Jahren im Pkw hat sich bewährt“, sagt Jürgen Bente vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat. „Deshalb empfehlen wir, es auch im Lkw einzuführen.“ Jungen Auszubildenden wie auch den Unternehmen würde diese Erlaubnis neue Möglichkeiten eröffnen. „Für Schulabgänger würde der Berufskraftfahrer dadurch attraktiver werden“, sagt Bente. Verkehrspsychologen sind überzeugt, dass auch junge Fahrer durchaus in der Lage sind, verantwortungsvoll am Straßenverkehr teilzunehmen.

Allerdings ist es ein weiter Weg bis zur Gesetzesänderung, von der sich Bassen eine größere Attraktivität für den Beruf erhofft. „Regeln für den Führerschein können nur einheitlich in der Europäischen Union festgelegt werden“, sagt Bente. Tatsächlich gelten in den Nachbarländern ähnliche Bestimmungen wie in Deutschland. In der Schweiz und in Österreich kann der Lkw-Führerschein nach dem Ende der Lehre ab 18 Jahren in der Praxis genutzt werden. Davor ist dies verboten. Bis zu einer europaweiten Änderung bliebe Deutschland die Möglichkeit, einen eigenen Versuch starten. Dazu braucht es keine Absprachen mit der EU.

Leicht hätte es Bassen wohl auch nach Einführung des begleiteten Lkw-Fahrens nicht auf dem Ausbildungsmarkt. „Im Moment stehen Bürojobs für viele Jugendliche im Vordergrund, wenn es um ihre Berufswünsche geht“, sagt er. Dabei ist im Fernfahrerberuf vergleichsweise gutes Geld zu verdienen. Rund 2500 Euro brutto zahlt die Spedition zum Einstieg. Hinzu kommen zwischen 400 und 500 Euro an Spesen und Zulagen – netto. Vielleicht überzeugt ja die Aussicht, noch vor dem 18. Geburtstag einen Sattelschlepper zu lenken einige Kandidaten.

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