Rahmedetalbrücke: Was bringt das Fahrverbot für Lkw in Lüdenscheid?

Heute vor einem Jahr wurde die A45 über der maroden Rahmedetalbrücke gesperrt. Nun soll Lüdenscheid für den Lkw-Transitverkehr gesperrt werden. Aber bringt das was?

Pünktlich zum Jahrestag der Vollsperrung der Sauerlandlinie A45 über der Rahmedetalbrücke, die am 02.12.2021 schlagartig das Leben einer ganzen Region umkrempelte, überrascht NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) mit einer Ankündigung: Es werde ein Lkw-Durchfahrverbot für den Transitverkehr in Lüdenscheid geben.

So ist es am Freitag im „Westfälischen Anzeiger“ zu lesen. Bund und Land, so Wüst, hätten es gemeinsam „möglich gemacht, dass ein Durchfahrtsverbot für Lkw möglich ist. Die örtlichen Behörden können nun die entsprechende Anordnung treffen. Anschließend kann Straßen.NRW die Schilder aufstellen, die bereits besorgt sind.“

Klingt so, als sei schon alles in trockenen Tüchern. Auch NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) hatte am Rande des Verkehrsausschusses, der am Mittwoch (30.11.2022) in Lüdenscheid tagte, davon gesprochen, dass ein Lkw-Durchfahrverbot geprüft werde, dass es kommen werde und dass es eher eine Sache von Wochen als von Monaten sei. Aber wie sieht es nun konkret aus?

Wann kommt das Verbot für den Lkw-Transitverkehr?

Zunächst einmal muss das Verbot offiziell beschlossen werden. Und bis dahin sind noch einige Behörden involviert. Wegweiser und Hinweisschilder an der A45 Richtung Norden zeigen kurz vor dem Autobahnkreuz Olpe an, dass die Weiterfahrt nach Dortmund aufgrund der Vollsperrung nicht möglich ist.

Seit einem Jahr ist die A45 gesperrt

Auf WDR-Nachfrage teilte die Stadt Lüdenscheid mit, dass es in der vergangenen Woche Abstimmungsgespräche mit allen Beteiligten gegeben habe, also der Autobahn GmbH, dem Märkischen Kreis, dessen Kreispolizeibehörde, der Bezirksregierung Arnsberg und der Stadt Lüdenscheid. Aktuell sei die Stadt noch dabei, den Antrag für das Durchfahrtsverbot zu schreiben. Der werde dann wahrscheinlich am Montag zunächst an den Kreis gehen. Denn der hat ein Mitspracherecht, weil ein kurzer Abschnitt der geplanten Verbotsstrecke eine Kreis- und keine Kommunalstraße ist. Der Märkische Kreis wird dann wiederum eine Stellungnahme zum Antrag schreiben und anschließend alles an die Bezirksregierung Arnsberg weiterleiten. Die prüfe und entscheide daraufhin, ob sie das Durchfahrverbot genehmigt.

Erst nachdem all das geschehen ist, kann die Stadt Lüdenscheid die bereitliegenden Schilder aufstellen. Das klingt in Summe nicht so, als würde das Verbot noch in diesem Jahr kommen.

Wie genau wird das Verbot definiert?

Nach Aussagen der Stadt Lüdenscheid sollen nur noch Lkw durch die Stadt fahren dürfen, die als „Nahverkehr“ definiert sind. Konkret bedeute dies, dass Lkw mit Kennzeichen der Kreise Olpe, Märkischer Kreis, Hochsauerlandkreis und der Stadt Hagen als durchfahrtberechtigt gelten.

Interessant wird sein, wie genau der „Nahverkehr“ im Verbot der Bezirksregierung definiert wird. Bis 1998 gab es in der Straßenverkehrsordnung eine Definition des sogenannten Güternahverkehrs, der einen Radius von 75 Kilometer umfasste. Berechnet wurde der Umkreis ab dem angemeldeten Standort des Lkw. Doch die Trennung in Güterfern- und -nahverkehr wurde mit der Reform des Güterkraftverkehrsgesetzes aufgehoben.

Wie kann man den Transitverkehr vom Güternahverkehr trennen?

Ein Blick auf das Nummernschild allein reicht da nicht. Ein Unternehmer aus dem Märkischen Kreis erklärte dem WDR, dass er Transport-Dienstleistungen von Speditionen buche, die auch Lkw mit beispielsweise polnischen Kennzeichen auf die Straße schicken. Ein Lkw mit ausländischem Kennzeichen würde in dem Fall Waren in der Nähe von Lüdenscheid aufladen und von dort regional verteilen. Er würde auch bei einem Verbot des Transitverkehrs völlig legal durch Lüdenscheid fahren. Für eine Kontrolle des Transitverbots müssten also die Frachtpapiere eingesehen werden.

Wie wird das Verbot kontrolliert?

Die Stadt Lüdenscheid erklärte, dass städtische Mitarbeitende die Kontrolle der Frachtpapiere übernehmen werden. Bei einem Verstoß könnten sie die Durchfahrt untersagen. Werde dies nicht befolgt, werde die Polizei den Lkw zurück zur Autobahn leiten.

Wie viel Entlastung wird das Verbot bringen?

Wer je in den letzten zwölf Monaten in Lüdenscheid im Stau stand und sich nun bildlich vorstellt, wie dort Lkw kontrolliert, Einsatzfahrzeuge der Polizei am Stau vorbei zu einem Lkw kommen und diesen zurück auf einen legalen Weg eskortieren, dem mögen Zweifel kommen, wie viel Entlastung das Verbot bringt.

Die Speditionsbranche steht seit Jahren unter erheblichem Wettbewerbsdruck, der sich durch die gestiegenen Dieselpreise nochmal verschärft hat. Die Erfahrungen mit dem kompletten Lkw-Verbot auf der Leverkusener Brücke (A1) haben gezeigt, dass es erst eingehalten wurde, als eine teure Sperranlage eingerichtet wurde, die jedes Fahrzeug vor dem Befahren der Brücke wiegt.

Hinzu kommt, dass laut einem Gutachten des Verkehrsverbandes Westfalen e.V. ohnehin nur noch rund ein Drittel der knapp 16.000 Lkw, die zuvor täglich über die Rahmedetalbrücke fuhren, nun durch Lüdenscheid fahren. Die meisten davon könnten unter die Definition des Nahverkehrs fallen.

Wie reagiert die lokale Wirtschaft?

In einer Pressemitteilung der drei IHK Arnsberg, Hagen und Siegen vom Donnerstag lässt sich zwischen den Zeilen lesen: Sie sind ziemlich sauer! Von der Berichterstattung seien sie „überrascht“ worden, dass Lkw-Fahrverbote in greifbarer Nähe seien. Dabei hätten sie stets um eine Einbindung in diese Entscheidungen gebeten. Ein Sprecher sagte dem WDR, dass seit dem Sommer die Kammern Praktiker zur Mitarbeit und Gespräche angeboten hätten. Bis jetzt ohne Reaktion.Es gibt eine neue Anlaufstelle für Bürger, die in Lüdenscheid von der Sperrung der A45-Rahmedetalbrücke betroffen sind.

Sperrung der A45 belastet die regionale Wirtschaft

Eindringlich warnen die IHK, dass durch A45-Vollsperrung die Industrie bereits stark gestört und belastet sei. „Es darf keinesfalls zu weiteren unbeabsichtigten Störungen in den Verkehrsströmen der regionalen Wirtschaft kommen“, dadurch würde die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen belastet und Arbeitsplätze gefährdet. Wörtlich heißt es: „Uns fehlt bislang die Fantasie, wie verhindert werden soll, dass sich die Probleme lediglich an andere Orte der Region verlagern.“ Und die Kammern fürchten, dass weite Umwege gefahren werden müssen: „Zugleich muss sichergestellt werden, dass ein Lkw beispielsweise von Hagen nach Siegen nicht über Köln fahren muss.“

Am Montag will NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst nach Lüdenscheid reisen und dort mit Anwohnern und Unternehmern reden. Wie es aussieht, ist der Gesprächsbedarf mit dem früheren Verkehrsminister groß.

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