Polnische Lkw-Fahrer bremsen Johnson aus

Getreu dem Motto „Man sieht sich immer zweimal im Leben“ bietet der britische Premier polnischen Lkw-Fahrern Sonder-Visa an. Doch viele denken gar nicht dran, im Vereinten Königreich gegen die Treibstoffkrise auszuhelfen. Schließlich hat der Brexit die Menschen von der Insel vertrieben.

Polnische Lkw-Fahrer winken bei dem Angebot ab, für drei Monate in Großbritannien beim Kampf gegen Engpässe bei Versorgungen auszuhelfen. „Nein danke, Herr Premierminister, ich werde diese Gelegenheit nicht wahrnehmen“, sagt Jakub Pajka hinter dem Steuerrad seines roten Lasters auf einem Parkplatz außerhalb von Warschau. „Kein Fahrer will nur für drei Monate umziehen, nur damit den Briten die Vorbereitung auf die Weihnachtsfeiertage erleichtert wird.“ Der 35-Jährige hatte seinen Job im Vereinigten Königreich wegen des Brexits aufgegeben.

Am Sonntag hatte die britische Regierung von Premierminister Boris Johnson angesichts anhaltender Versorgungsengpässe angekündigt, 5000 bis zum 24. Dezember gültige Visa für ausländische Lkw-Fahrer auszustellen. Sie sollen vor allem Benzin zu Tankstellen transportieren.

Das zusätzliche Geld könne die Mühen des Umzugs, die Bedrohung durch Migranten, die versuchen, den Ärmelkanal auf der Ladefläche eines Lastwagens zu überqueren, oder die Trennung von seiner Familie nicht wettmachen, sagt Pajka. „Das Geld, das man im Vereinigten Königreich verdienen kann, entschädigt einen Fahrer nicht für all die gefährlichen Dinge, die ihm dort passieren.“

Ähnlich äußert sich Jacek Rembikowski, ein 60 Jahre alter Trucker auf einem anderen Parkplatz. Sieben Jahre hat er in Großbritannien gearbeitet, bevor er wegen des Ausstiegs Großbritanniens aus der Europäischen Union nach Polen zurückkehrte. Damals sei unklar gewesen, wie die Fahrer behandelt würden und ob sie nach dem Brexit noch gebraucht würden, erklärt Rembikowski.

Johnson will bis Weihnachten durchhalten

Angesichts der Panikkäufe an Tankstellen und Versorgungsengpässen der Bevölkerung sicherte Johnson ein ausreichendes Angebot zu. „Wir wollen sicherstellen, dass wir alle notwendigen Vorbereitungen treffen, um bis Weihnachten und darüber hinaus durchzuhalten, nicht nur bei der Versorgung der Tankstellen, sondern in allen Lieferketten“, erklärte der Regierungschef in London. Notfalls soll auch die Armee zur Überbrückung der Engpässe bei der Benzinversorgung helfen. Großbritannien kämpft bereits mit steigenden Gas-Preisen, die Energiekosten in die Höhe treiben und zu einer Waren-Verknappung geführt haben.

Vereinzelt kam es zu Rangeleien, weil Autofahrer beim Kampf um den Zugang zur Zapfsäule drängelten. Im Internet wurden Bilder gepostet, die Menschen zeigten, die Benzin in alte Wasser-Flaschen statt in Reserve-Kanister abfüllten. Verkehrsminister Grant Shapps rief die Bürger deshalb dazu auf, das zu unterlassen: „Das ist gefährlich.“ In manchen Landesteilen waren bis zu 90 Prozent der Tankstellen ohne Sprit, wie der Branchenverband PRA mitteilte. Vor den verbliebenen Zapfsäulen bildeten sich mitunter lange Schlangen.

In Großbritannien fehlen schätzungsweise 100.000 Lkw-Fahrer. Wegen des Brexits sind viele Trucker auf den europäischen Kontinent zurückgekehrt. Außerdem hatten die Corona-Beschränkungen zur Folge, dass die Ausbildung ins Stocken kam. Wirtschaftsminister Kwasi Kwarteng erklärte, Soldaten könnten bei den Benzin-Lieferungen aushelfen. Eine begrenzte Zahl von Militärtanklaster-Fahrern sei in Bereitschaft versetzt worden. Sie sollen bei Bedarf zur Versorgung eingesetzt werden. Der britische Ärzteverband forderte einen bevorzugten Treibstoff-Zugang des Gesundheitspersonals, damit dieses in die Krankenhäuser und Praxen kommen kann.

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