Nachwuchs gesucht: Flüchtlinge als Fernfahrer

IHK und Jobcentern vermitteln Migranten, die Lkw fahren können an Speditionen, die dringend Personal suchen.

Speditionen suchen händeringend nach Berufskraftfahrern, wegen des Personalmangels stehen Lastwagen schon unproduktiv auf den Logistikhöfen herum. Vor diesem Hintergrund hat die IHK mit den Jobcentern in Ulm und Biberach ein interessantes Projekt vor allem für Flüchtlinge gestartet. Sie durchlaufen in sechs Monaten eine Ausbildung zum Lkw-Fahrer mit Führerschein und den inzwischen nötigen Zusatzkenntnissen.

Flüchtlingskoordinator Armin Speidel macht klar: Alle haben Zusagen für Praktika und eine betriebliche Übernahme, so dass sie eigenes Einkommen erzielen und die sozialen Transfersysteme verlassen können. Dafür nehmen die Jobcenter freilich einige tausend Euro für jeden der 15 Teilnehmer in die Hand. Allein der Führerschein liegt bei 4.000 Euro.

Das wichtgste freilich ist: Die Flüchtlinge, die vor allem aus Ländern wie dem Iran, Irak und aus Syrien stammen, wissen genau, auf was sie sich einlassen. „Sie sind schon in ihrern Heimatländern gefahren“, sagt Speidel. So wie Ghassan Bani Waisi, der aus Diyala im Irak stammt und nun mit seiner Familie in Böfingen lebt. Er ist von den Ölquellen zu den Häfen gefahren, bis zu 3.000 Kilometer, im Zuge des Irak-Kriegs unter schwierigen Bedingungen. 20 Stunden am Stück waren erlaubt. „Bei uns gab es kein Gesetz, das die Fahrer schützt“, sagt er in gutem Deutsch. Jedoch dürfen er und seine arabischen Mitschüler die Fahrschul-Theorie beim Weiterbildungsinstitut KVS im Donautal auf Arabisch absolvieren.

Beeindruckt von Lenkzeitregeln

Dozent André Meyer muss ihnen auch vermitteln, dass sie rechtlich betrachtet den Status eines „kaufmännischen Erfüllungsgehilfen“ haben. So etwas übersetzen die Teilnehmer mit Hilfe von Smartphone-Anwendungen mit Schrifterkennung und Ausgabe in Arabisch. Zum Kurs gehören freilich auch Türken, Kroaten und sogar ein Deutscher. Meyer lobt vor allem die Araber, die sehr kameradschaftlich seien und sogar mal ein arabisches Frühstück für den ganzen Kurs aufgefahren hätten.

Bani Waisi, der ein Engagement bei Noerpel vor Augen hat, ist beeindruckt von den Lenkzeit-Regelungen in Deutschland: mit neun Stunden in einer normalen Schicht, wobei zweimal pro Woche zehn Stunden erlaubt sind. Danach gibt es elf Stunden Ruhe. Die ganze Aufzeichnung im Lkw läuft fast nur noch digital.

Bei KVS steht den Teilnehmern auch ein Simulator zur Verfügung. Bani Waisi schafft das Rückwärtseinparken mit Gespann fast in der amtlichen Rekordzeit des Instituts, sagt Chef Bernd Berkau. Für reale Trainingsfahrten kooperiert KVS mit der Ulmer Fahrschule Stehle, ebenfalls im früheren Kögel-Hauptgebäude in der Liststraße. Berkau macht klar, dass ein Lkw-Führerschein, wie man ihn früher oft bei der Bundeswehr machen konnte, für gewerbliche Fahrten längst nicht mehr ausreicht. Dafür ist nach EU-Vorschriften eine so genannte beschleunigte Grundqualifikation für die Eintragung 95 erforderlich. Das heißt tatsächlich so und erfordert eine Zusatzausbildung über 140 Stunden.

Auch diese zusätzliche Hürde ist einer der Gründe dafür, dass den Logistikunternehmen jährlich 50. 000 Berufskraftfahrer fehlen. Viele altgediente Trucker nähern sich außerdem der Pensionsgrenze. Mit der IHK-Ausbildung können die Flüchtlinge nun sogar den ersten, extra zertifizierten Baustein für den formellen Abschluss zum Berufskraftfahrer schaffen.

Viele offene Stellen für Berufskraftfahrer

Fahrer Bei der Arbeitsagentur Ulm sind aktuell 185 Stellen für Berufskraftfahrer offen. Nach dem IHK-Fachkräfte-Monitor fehlen ins Jahr 2021 in den Verkehrs- und Logistikberufen, vor allem an Fahrern von Fahrzeugen und Transportgeräten, 1.100 Personen.

Flüchtlinge Bei der IHK waren zum Jahresende 86 neue Ausbildungsverträge und 45 Langzeitpraktika eingetragen. Ziel der Praktika ist letztlich eine betriebliche Lehre. Die ersten Flüchtlinge beenden schon 2018 eine verkürzte zweijährige Lehre.

Quelle dieses Artikels klick hier : SWP