Mehr Rechte für Brummi-Fahrer: Was heißt das?

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit und Unterkünfte entlang der Route: Die EU-Verkehrsminister sind sich bei den Rechten für Lkw-Fahrer einigt. Doch nicht alle sind begeistert.

Es ist die Nacht auf Dienstag. Österreichs Verkehrsminister Norbert Hofer verkündet nach 15 Stunden zäher Verhandlungen ein „absolutes Kabinenschlafverbot“ für Lkw-Fahrer in ganz Europa. Auch bei dem ein oder anderen deutschen Spediteur mögen da sämtliche Lkw-Reifen durchgedreht sein und jede einzelne Brummi-Hupe laut geschrillt haben – die Spediteure hätten dann nämlich ihren Fahrern für jede einzelne Nacht Motels, Pensionen oder Wohnungen buchen müssen. Doch so dick kommt es nun doch nicht. Eine Sprecherin in Brüssel korrigierte, das Kabinenschlafverbot gelte nur für die wöchentliche Ruhezeit der Fahrer, nicht für die Übernachtung nach einer regulären Tagesschicht.

Die Regelung galt in Deutschland schon seit 2017

Trotzdem ist der Beschluss, der noch vom Europäischen Parlament gebilligt werden muss, ein Meilenstein. Bislang galt das Kabinenschlafverbot nur in Frankreich, Belgien und Deutschland. Hierzulande gilt ein entsprechendes Gesetz bereits seit Mai 2017: Lkw-Fahrer müssen nach sechs Schichttagen 45 Stunden Pause machen und dürfen dabei nicht im Lkw übernachten. Es gibt Ausnahmen: Verkürzte Ruhezeiten von 24 Stunden mit Übernachtung im Lkw sind erlaubt, allerdings nur alle zwei Wochen. Bei Verstößen drohen Strafen von bis zu 500 Euro für den Fahrer und bis zu 1.500 Euro für den Halter des Lkw.

Doch die Kontrollen des Bundesamts für Güterverkehr (BAG) scheinen nicht immer zu wirken. Das Problem sei, dass die Fahrer auch anderthalb Jahre nach der Gesetzesänderung in ihren Lkw übernachten, teilt der Gesamtverband Verkehrsgewerbe Niedersachsen (GVN) gegenüber heute.de mit. Dort, wo nicht kontrolliert werde, habe sich an der Übernachtungspraxis der Fahrer nichts geändert. GVN-Präsident Mathias Krage führt weiter aus: „Es ist nicht so, dass das BAG explizit am Wochenende prüft und da die Flotten alle miteinander gut vernetzt sind, kann ich mir vorstellen, dass die Fahrer in den Netzwerken auch kommunizieren, dass Kontrollen stattfinden.“

Das BAG sieht das anders: In den ersten drei Quartalen 2018 wurden knapp 120.000 Fahrzeuge kontrolliert. Rund 18 Prozent wurden beanstandet. Gerade bei ausländischen Fahrern hätte man im Zuge dieser Kontrollen auch nochmal grundsätzlich über die Neuregelung informiert. Seitdem seien insbesondere in grenznahen Gebieten weniger Fahrzeuge oder fahrerlose Fahrzeuge auf den Parkplätzen anzutreffen

GVN: In Deutschland fehlen rund 45.000 Fahrer

Grundsätzlich begrüßt der GVN den Beschluss der EU-Verkehrsminister, um die Sozialbedingungen der Lkw-Fahrer zu verbessern. Auch, weil deutsche Firmen auf ausländische Fahrer angewiesen sind: „Unser Problem in Deutschland ist, dass uns etwa 45.000 Fahrer in den Betrieben fehlen, weil aufgrund des demographischen Wandels nicht genug nachwächst“, erklärt Krage. Aus diesem Grund seien auch deutsche Unternehmen auf ausländische Speditionen und Fahrer angewiesen. Gut die Hälfte aller ausländischen Lkw in Deutschland führen im Auftrag deutscher Firmen.

Der Beschluss der EU-Verkehrsminister „gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ sei deshalb „gut für die Berufskraftfahrer und auch gut für die deutschen Unternehmen, die sonst im europäischen Wettbewerb gegen Mindestlöhne von 1,57 Euro im Extremfall nichts entgegenzusetzen haben“, so Krage. Nach dem Willen der EU-Verkehrsminister dürfen Lkw-Fahrer auch nur maximal vier Wochen am Stück in Europa unterwegs sein. Danach müssen sie nach Hause zurückfahren oder eine längere Pause einlegen.

Schlafmöglichkeiten an der Strecke: Zu wenig, zu teuer

Doch der europaweite Kampf gegen Lohndumping und unfaire Arbeitsbedingungen wird wohl auch in Deutschland seinen Preis haben. Mathias Krage geht davon aus, dass der Transport bei ausländischen Firmen definitiv teurer werden wird und sich damit auch die Preise der transportierten Güter verteuern werden: „Wir reden da meiner Meinung nach von einer Größenordnung von 20 bis 30 Prozent. Das wird aber nicht existenziell für den Standort oder für die Auftraggeber sein.“

Ein weitaus größeres Problem sei aber, dass es in Deutschland nach wie vor zu wenige geeignete Schlafmöglichkeiten für die rund eine Million Kraftfahrer auf deutschen Autobahnen und Bundesstraßen gebe. Eine Lkw-Fahrerin erzählt heute.de, für sie sei bislang immer ein großes Problem gewesen, dass Motels an Autobahnen meist zu teuer seien, rund 50 bis 60 Euro die Nacht werde hier schon verlangt. Außerdem seien die Parkplätze dort meist nicht bewacht. Die Truckerin habe daher immer bei ihrer Ladung geschlafen. Bewachte Autohöfe gäbe es zwar auch, aber zu wenige und diese seien dann auch meist zu teuer.

Die EU und die Verkehrsminister der Mitgliedsländer werden also noch einiges mehr zu regeln haben, sollte das Europäische Parlament den neuen Beschluss absegnen. Letztlich gilt es vor allem noch Länder wie Polen, Ungarn, Bulgarien, Kroatien, Malta, Irland, Lettland und Litauen zu überzeugen. In diesen acht Ländern drehten nämlich definitiv die meisten Lkw-Reifen durch und es schrillten definitv sämtliche Brummi-Hupen, als sie die neuen Sozialstandards für Lkw-Fahrer vorgelegt bekamen: Diese acht Länder stimmten gegen den Verkehrsminister-Vorschlag.

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