Mangel an Lkw-Fahrern: Das Problem spitzt sich zu

Die Transport- und Logistikbranche hat mit Problemen zu kämpfen, seien es die steigenden Kraftstoffpreise, fehlendes AdBlue oder der Mangel an Kraftfahrern. Bis zu 80.000 Fahrer fehlen – und die Situation wird durch die Omikron-Variante schlimmer.

Bereits jetzt fehlen in Deutschland 60.000 bis 80.000 Berufskraftfahrer und es werden jedes Jahr mehr. In Bayern wird die Zahl vom Landesverband Bayerischer Transport- und Logistikunternehmen (LBT) auf 8.000 geschätzt.

Die Branche hat ein Nachwuchsproblem. Gepaart mit den Lieferproblemen bei wichtigen Rohstoffen und den steigenden Inzidenzen durch die Omikron-Variante des Coronavirus wird es ein Gesamtproblem. Hinzu kommt eine neue Verordnung für Speditionen, die jetzt endgültig greift.

Viele gehen und der Nachwuchs fehlt

Michael Jahn ist ein alter Hase. Seit 47 Jahren ist er als Berufskraftfahrer unterwegs und in dieser Zeit hat sich vieles verändert – zum Positiven wie zum Negativen. Gut seien die immer besser ausgestatteten Fahrerkabinen mit ordentlicher Heizung, Klimatisierung und vor allem der technischen Aufrüstung der Fahrzeuge, meint Jahn. Der Tempomat oder das Notbremssystem, aber auch der Abstandshalter seien wichtige Assistenten, so der Fahrer, der für die Bamberger Spedition Elflein unterwegs ist.

Keine Seltenheit: Dieselklau während der Nacht

Negativ sei der Kampf auf der Straße, auf und um die Parkplätze. Nicht selten werden Planen aufgeschlitzt, um Ware zu stehlen, aber auch Spritabpumpen gehört zu den Risiken. Er habe es in England selbst erlebt, dass es Fahrer gebe, die unter dem Auflieger Zusatztanks hätten. „Die sind ausgerüstet für solche Sachen mit langem Schlauch, mit Hochleistungspumpen und da pumpen die dir nachts, wenn du schläfst, in ein paar Sekunden die Tanks komplett leer,“ sagt Jahn. „Ich habe alles erlebt, ich weiß wie es ist.“

Michael Jahn ist seit 47 Jahren Berufskraftfahrer.

Er wird aber auch schon mal von Kollegen überholt, die statt den erlaubten 80 km/h satte 120 km/h fahren. Jahn ist jetzt 63 Jahre und in sechs Monaten will er in Rente gehen, um endlich Zeit für seine Frau zu haben. Denn auf ein Familienleben hat er jahrelang verzichten müssen.

Viel Stress und Bürokratie, wenig Wertschätzung

Dass ist es auch, was den Beruf unattraktiv für den Nachwuchs macht. Zudem herrscht Zeitnot, die Staus auf den Autobahnen nehmen zu. Ab Mitte 50 geht der Job des Fahrers an die Substanz durch den permanenten Stress. Jedes Jahr gehen bundesweit rund 30.000 Berufskraftfahrer in Rente und nur 17.000 Berufseinsteiger folgen nach.

Die Branche hat viele Probleme. So kostet mittlerweile der Erwerb des Lkw-Führerscheins mehrere Tausend Euro. Früher konnte der bei der Bundeswehr gemacht werden. Vorschriften und Bürokratie verschärfen sich zunehmend, das Image und damit die Wertschätzung der Berufsgruppe ist gering und das Sozialdumping vor allem in osteuropäischen Unternehmen hoch.

Immer mehr kehren dem Job den Rücken, doch durch Onlinehändler mit Umsatzzuwächsen werden eigentlich immer mehr Fahrer gebraucht. „Berufskraftfahrer werden immer gesucht und es werden ja auch immer weniger,“ sagt Jahn. „Auch in Ländern wie Polen oder Tschechien kämpft die Branche mit einem Mangel an Fahrern.“

Omikron setzt der Branche zusätzlich zu

Bereits im Frühjahr 2020 verschärfte sich die Situation rund um den Fahrermangel zum ersten Mal aufgrund der Pandemie. Fahrer aus Osteuropa kehrten in ihre Heimatländer zurück, viele kamen nicht wieder, fanden Arbeit in anderen Ländern oder zu Hause. Jetzt fehlen viele, weil sie an der Omikron-Variante des Coronavirus erkrankt sind.

„Die Situation hat sich aktuell zugespitzt, weil diese neue Corona-Variante viele Fahrer dazu bewogen hat, wenn sie den Verdacht haben, zu Hause in ihren Ländern zu bleiben und damit fehlen aktuell noch einmal eine Anzahl von fünf bis zehn Prozent der Fahrer in Bayern, die momentan kaum kompensiert werden kann.“ Rüdiger Elflein, Spediteur Bamberg

BGL: Lieferketten durch Notstandsregionen sicherstellen

Gehe man nach den Virologen, könnten erhebliche Teile des Fahrpersonals von Omikron betroffen werden und damit seien die Lieferketten zusätzlich unter Druck, so der Vorstandssprecher des Bundesverband Güterkraftverkehr, BGL, Dirk Engelhardt.

Bereits im Weihnachtsgeschäft hätten Aufträge aufgrund von Erkrankungen des Fahrpersonals teilweise nicht abgewickelt werden können, so der BGL. Eine Möglichkeit sei nun die Einrichtung von Notstandsregionen. Ähnlich wie bei den Krankenhausbelegungen würde danach Deutschland in verschiedene Regionen aufgeteilt werden. Sollte es dann bei den Gütern des täglichen Bedarfs zu einem Engpass durch den massiven Ausfall von Fahrpersonal in einem Unternehmen kommen, so könnten andere Unternehmen akquiriert werden, um die Versorgung der Bevölkerung aufrecht zu erhalten.

Als organisierende Stelle sieht der BGL das Bundesamt für Güterverkehr, das dann solche Fahrten umverteilen könnte. Dies sei schon jetzt ein Angebot an die Politik, so der Bundesverband.

Neue Gesetze der EU verschärfen das Problem

Und auch neue EU-Vorschriften verursachen, dass Fahrer aus dem Job aussteigen. Osteuropäische Speditionen haben auch schon auf philippinische Fahrer gesetzt. Das macht die Situation noch schlimmer, da oft die Kenntnisse für den Job fehlen. In Deutschland sind Weiterbildungen für Lkw-Fahrer mit 150 Stunden vorgesehen. In Rumänien braucht man 50 Stunden für Führerschein und Fortbildung.

Im Juli 2020 hat die EU ein Gesetz erlassen, dass Lkw-Fahrer ihre gesetzlichen wöchentlichen Pausen nicht mehr im Fahrzeug verbringen dürfen. Der Arbeitgeber muss eine Unterkunft zur Verfügung stellen. Bei Nichteinhaltung drohen Strafen von bis zu 500 Euro für den Fahrer und 1.500 für die Transportfirma.

Des Weiteren muss der Dienstplan eines ausländischen Lkw-Fahrers das Recht einräumen, nach vier Wochen nach Hause zu kommen. Doch das wird kaum genutzt. Außerdem schafft das Gesetz einen Rechtsrahmen für eine gleiche Bezahlung der Fahrer in Deutschland. Ausgenommen davon ist der Transitverkehr, also, wenn ein Land durchfahren wird oder auch der sogenannte bilaterale Güterverkehr mit maximal zwei Be- oder Entladevorgängen. Neu ist ab Februar 22, dass eine Rückkehrpflicht der Lkws ins Ursprungsland der Spedition alle sechs bis acht Wochen angeordnet ist.

Viele sind illegal unterwegs

„Das Bundesamt für Güterverkehr führt Kontrollen durch und da wird regelmäßig festgestellt, dass zwischen fünf und zehn Prozent der Kapazitäten illegal unterwegs sind. Allein diese illegalen Kapazitäten, die in der Regel durch osteuropäische Unternehmen gestellt werden, diese Wettbewerbsregeln würden uns helfen, wenn die eingehalten werden, dass wir auch höhere Preise durchsetzen und dadurch auch den Beruf attraktiver gestalten können“, so Spediteur Elflein.

Kontrollen sind selten – Kritik an der Politik

Trotz der Regel arbeiten ukrainische, rumänische oder bulgarische Speditionen für wenig Geld, der deutsche Mindestlohn wird nur auf dem Papier gezahlt. Wöchentliche Pausen, freie Tage in einer festen Unterkunft werden von den Auftraggebern ignoriert oder von den Spesen des Lkw-Fahrers abgezogen. Der BGL schätzt, dass mittlerweile 40 Prozent des europäischen Transportmarktes von osteuropäischen Speditionen übernommen wurden.

Und die Kontrolldichte für die Einhaltung der neuen Verordnungen ist schlecht. 2019 wurden gerade einmal weniger als ein Prozent der Lastwagen auf deutschen Autobahnen durch das BAG, Bundesamt für Güterverkehr, überprüft.

„Ich möchte auch eine provokante These in den Raum stellen, dass die Politik gar kein Interesse daran hat, das so stringent wie es notwendig ist zu kontrollieren, denn jeder weiß, wenn das getan wird, fehlen noch mal zehn bis 15 Prozent der Kapazitäten und dann haben wir in Deutschland keine Chance mehr, unsere Warenflüsse entsprechend aufrecht zu erhalten.“ Rüdiger Elflein, Spediteur

Kosten können nicht weitergegeben werden

Die deutsche Transport- und Logistikbranche will mit höheren Löhnen für die Lkw-Fahrer Nachwuchs generieren. Doch die Kosten können bis jetzt kaum an die Auftraggeber weitergegeben werden, dafür ist die Konkurrenz zu groß. Meist werden Dumping-Löhne bei ausländischen Speditionen gezahlt. Monatslöhne von 300 bis 1.500 Euro sind hier der Durchschnitt.

Es sind aber nicht nur die steigenden Lohnkosten. Auch hohe Preise für Adblue beispielsweise lassen sich kaum auf die Verträge mit Kunden umschlagen. Der Dieselzusatz verringert den Stickoxidausstoß. Moderne Software lässt die Lkw und Busse nur mit ausreichend vorhandenem Mittel fahren. Doch Adblue ist zur Mangelware geworden. Für seine Herstellung wird Erdgas gebraucht. Aufgrund der hohen Preise wurde die Produktion teilweise gestoppt. Das fehlt nun für die Betreibung der Lkws oder muss teuer beschafft werden. Die Preise haben sich teilweise verfünffacht.

Viel zu wenig und schlecht ausgestattete Parkplätze

Die Branche will Verbesserungen. So fehlen Stellplätze, sanitäre Anlagen und Komfort für die Brummifahrer unterwegs. Die Berufskraftfahrerinnen und Berufskraftfahrer müssen viel zu lange nach einem Platz für die Nacht suchen, es drohen Lenkzeitverstöße, Übermüdung und Unfälle.

Das Bundesverkehrsministerium geht von 23.500 fehlenden Parkplätzen für Lkw aus und hat dafür 90 Millionen Euro bereitgestellt. Doch bis die vorgesehenen zusätzlichen 4.000 Plätze wirklich gebaut werden, vergehen Jahre, denn oft formiert sich Widerstand. Die meisten Abstellplätze für die Brummis fehlen in Bayern und NRW. Der Bundesverband Güterverkehr und Logistik geht sogar von 40.000 fehlenden Parkplätzen in Deutschland und 100.000 in der EU bis zum Jahr 2023 aus.

Und viele davon seien nicht sicher, oft unbeleuchtet und vor allem nicht komfortabel, da ohne sanitäre Anlagen. Auch private Firmengelände sollten hier stärker für die Nutzung in Betracht gezogen werden, fordert der ADAC. Doch die Einführung eines Parkleitsystems, das Lkw-Fahrer über die Belegung von Stellplätzen frühzeitig informiert, steckt bislang noch in den Anfängen.

Auch fehlende Wertschätzung setzt den Fahrern zu

Ein großes Problem sind aber vor allem das Image und die Wertschätzung. Brummis sind groß, schmutzig und niemand will sie eigentlich bei sich an der Haustüre vorbeifahren sehen. Die Telematik und das Tracking von Lkw setzen die Fahrer noch mehr unter Druck, da sie jederzeit überwacht werden.

Zudem werden Trucks für Umwelt- und Klimaschäden verantwortlich gemacht. Doch sie liefern Rohstoffe, Lebensmittel, Güter. Und ohne sie läuft nichts, denn der Onlinehandel wächst. Für das Jahr 2021 wird der Bruttoumsatz mit Waren im E-Commerce auf 94 Milliarden Euro geschätzt. Das wäre eine Steigerung um weitere zehn Milliarden Euro innerhalb eines Jahres. Von 2019 auf 2020 gab es bereits eine Steigerung um 23 Prozent.

Vom König der Straße ist nichts mehr übrig

Der Bundesverband BGL fordert eine dauerhafte Anerkennung der Systemrelevanz von Berufskraftfahrern und Berufskraftfahrerinnen. Die Forderungen gehen aber noch weiter. So will der BGL, dass ein regelmäßiger Sehtest beim Optiker ausreicht wie es auch beim Pkw-Führerschein möglich ist.

Auch die Erweiterung des Klasse-B-Führerscheins auf 7,5 Tonnen, begleitetes Fahren ab 17 Jahren und die Beschleunigung und Vereinfachung von Verwaltungsverfahren und eine einfachere Visaerteilung für Fahrpersonal aus Drittstaaten gehören dazu. Die Liste ist lang.

Traumjob Lkw-Fahrer?

Die „Trucker-Babes“ zeigen toughe Lkw-Fahrerinnen. Sie sind sympathisch, lieben ihren Beruf, doch ein Traumjob ist es trotzdem für viele nicht geworden. Das durchschnittliche Jahresgehalt eines Lkw-Fahrers wird auf dem Jobportal Stepstone mit 33.100 Euro angegeben. „Wenn Sie als Lkw-Fahrer/in arbeiten, verdienen Sie voraussichtlich mindestens 26.500 Euro und im besten Fall 39.200 Euro.“ Mittlerweile liege der Anteil „gebietsfremder Lkw“ auf deutschen Straßen bei über 40 Prozent. Deren Fahrer verdienten noch viel weniger, so der Bundesverband Güterverkehr und Logistik. „Fahrer aus dem Baltikum bekommen drei bis 3,50 Euro pro Stunde“, so Verbandschef Engelhardt.

Alternativen fehlen

Mehr Güter auf die Bahn, autonomes Fahren oder das sogenannte Platooning bringen kurz- und mittelfristig keine Lösung. „Aufgrund massiver operativer Probleme im Bereich Wagenladungsverkehr und erheblicher Kapazitätsengpässe auf wichtigen Trassenabschnitten kann die Bahn in absehbarer Zeit keine zusätzlichen größeren Sendungsvolumina von der Straße übernehmen“, heißt es dazu aus dem Bundesverkehrsministerium. Zwei Drittel der Güter würden von Lkws transportiert, nur knapp 20 Prozent auf Güterzügen, so die Angaben des BGL.

Für das Platooning, bei dem mehrere Lkw über WLAN miteinander verkoppelt werden, fehlt eine ausreichende Digitalisierung – und wenn, dann sei das auch nur eine Automatisierung, die nicht auf Lkw-Fahrer verzichten könne, so der BGL.

Immer mehr Güterverkehr auf den Straßen

Die Fahrleistung von mautpflichtigen Lkw mit mindestens vier Achsen ist von Oktober auf November dieses Jahres wieder um 1,3 Prozent gestiegen, so teilt das Bundesamt für Statistik mit. Den höchsten Zuwachs hatte dabei Bayern (+2,5 Prozent). Im vergangenen schlechten Corona-Jahr wurden 4,5 Milliarden Tonnen Waren durch den Güterverkehr transportiert, 80 Prozent davon auf den Straßen (2019: 4,74 Milliarden Tonnen).

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