Lkw-Fahrer über den täglichen Wahnsinn auf den Autobahnen der Region

Holger Neuert fährt für eine Heidelberger Fachspedition – Der 47-Jährige schimpft über osteuropäische Kollegen

Heidelberg.Vermutlich hat ihm sein Job schon mal größeren Spaß gemacht. Aber das lässt sich Holger Neuert weder anmerken, noch würde er es so sagen. „Es ist schon eine Herausforderung, fast jeden Tag einen Stau zu umfahren und einigermaßen zeitig anzukommen“, meint der bodenständig-hemdsärmelige Sandhäuser.

Seit 2013 fährt der Trucker für die Heidelberger Fachspedition Fritz Fels. „Doch so schlimm wie jetzt war es noch nie“, sagt der 47-Jährige. Baustellen, Staus und Unfälle auf den Autobahnen in der Region – und kaum Besserung in Sicht. Regelmäßig muss er sich bis zu zwei Stunden früher ans Steuer seines 40-Tonners setzen, um pünktlich beim Kunden zu sein. Oberbayern, Allgäu, Österreich, Schweiz, Belgien, das sind die liebsten Routen des Berufskraftfahrers.

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Ärgerlich wird es zum Beispiel dann, wenn Neuert auf der Rückfahrt wenige Kilometer vor der Spedition auf der Autobahn bei Rauenberg raus muss, um seine Ruhe- und Lenkzeiten einzuhalten – und dann kein Parkplatz mehr frei ist. Und so richtig in Fahrt kommt der Trucker, wenn er über seine Kollegen aus Osteuropa spricht. Dass sie oft die Rettungsgasse blockierten oder den 50-Meter-Abstand nicht einhielten. Sich auf dem Handy ablenkten oder gar angetrunken ihren Laster steuerten. „Ich würde Punkte in Flensburg kassieren, müsste meinen Führerschein abgeben und den Job verlieren“, sagt Neuert.

Die Osteuropäer würden lediglich ein Bußgeld erhalten und dürften nach einer Ausnüchterungsphase weiterfahren. „Das kann es nicht sein“, mosert Neuert. Und: „Die Polizei müsste noch viel öfter kontrollieren, da gibt es richtig Geld zu verdienen“.

Natürlich kenne auch er die Monotonie beim Fahren. Das wisse allerdings jeder, bevor er den Beruf ergreife. Das gehöre zum Alltag. Statt auf dem Handy herumzudaddeln oder Filme zu gucken („Geht gar nicht!“) sei es vernünftiger, über das Navi den nächsten Parkplatz oder nach einer günstigen Ausweichstrecke zu suchen. Hin und wieder habe er auch schon gehupt, als er einen Kollegen beim Tippen von Nachrichten auf dem Smartphone „erwischte“.

Von einem Überholverbot für Lkw auf hochbelasteten Strecken, wie es sich der Mannheimer Verkehrspolizeichef Dieter Schäfer während der Stoßzeiten wünscht, hält Neuert wenig. „Wenn alle in gleichem Tempo fahren müssen, erhöht auch das die Unfallgefahr“, glaubt der Fahrer.

Dagegen ist Neuert mit Schäfer einer Meinung, dass digitale Stauwarnanlagen mit Echtzeitmeldungen in Kombination mit autonomen Blitzern helfen würden. „Dann könnte der Verkehr rollen, wenn sich keine Behinderungen andeuten“, ist der Sandhäuser überzeugt. Zudem wisse er, dass ältere Lkw-Fahrer bei Blechschildern oder Blinkanlagen unsicher würden und mitunter abrupt abbremsten. Andere seien sauer, wenn trotz Hinweisen weit und breit kein Stau zu erkennen sei.

Sein Lkw sei mit der modernsten Technik ausgestattet, die der Markt momentan hergebe: Notbrems- und Spurhalteassistent, abstandsgeregelter Tempomat, Freisprechanlage. Deshalb könne auch seine Frau ruhig schlafen. Nach einer gemeinsamen Tour mit dem knapp drei Jahre alten Sattelschlepper ins Bayerische seien ihre Sorgen weitgehend verflogen.

Neuerts Chef, Fels-Geschäftsführer Thomas Beck, sagt, dass ihm die Sicherheit seiner Leute und anderer Verkehrsteilnehmer wichtig seien. Deshalb investiere er wie viele andere deutsche Spediteure in die neuesten Systeme und Updates. Erst recht angesichts der angespannten Verkehrssituation in der Region, die er als „katastrophal“ bezeichnet und hohe Ausgaben verursache. „Es rächt sich, dass wir in Deutschland 30 bis 40 Jahre lang bei der Verkehrsplanung geschlafen haben“, sagt der Firmenchef.

Jetzt komme alles auf einmal: der Umbau des Walldorfer Kreuzes, die Sanierung der A6 zwischen Wiesloch/Rauenberg und dem Weinsberger-Kreuz sowie der Salierbrücke bei Speyer. „Und bei den Hochstraßen über den Rhein ist es noch gar nicht richtig losgegangen“, betont Beck.

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Er kritisiert die Politik, dass die Logistik immer hinten anstehe. Und auch er fordert mehr Kontrollen im Schwerlastverkehr. Ändern könnten die Unternehmen wenig. „Wir müssen die höheren Kosten akzeptieren“, sagt Beck und seufzt.

Sein Fahrer Holger Neuert muss weiter. Am Nachmittag holt er in Fürth das neue Riesenfass für den Heidelberger Weihnachtsmarkt ab. Staus sind auf dem Weg in den Odenwald die Ausnahme, Verzögerungen eher nicht zu erwarten. Noch.

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