E-Fuels können die Energiewende im Verkehr voranbringen

Synthetische Kraftstoffe können Flugzeuge, LKW und Frachtschiffe antreiben und so CO2-Emissionen senken

Die E-Mobilität bei Autos nimmt langsam Fahrt auf. In den kommenden Jahren werden viele neue Modelle mit rein elektrischen oder Hybrid-Antrieben auf den Markt kommen. Anders dagegen bei LKW, Containerschiffen oder Flugzeugen: Ob sie in Zukunft praxistauglich mit Akkus betrieben werden können, ist ungewiss. Doch auch in diesen Bereichen muss CO2 eingespart werden. Geforscht wird daher an der Power-to-Liquid (Strom-zu-Flüssigkeit) Technologie: Mithilfe von Ökostrom können synthetische Kraftstoffe hergestellt werden. Im dritten Teil der Serie „Power-to-X“ werden Wirkungsweise und Potentiale beleuchtet.

Bis zum Jahr 2030 sollen die Emissionen des Verkehrssektors um mindestens 40 Prozent sinken, so sieht es der Klimaschutzplan der Bundesregierung vor: von 160 Millionen Tonnen Treibhausgasen im Jahr 2018 auf unter 100 Millionen Tonnen. Doch selbst Vertreter des Bundesverkehrsministeriums glauben nicht, dass dieser Plan eingehalten werden kann, wie die Süddeutsche Zeitung Ende Februar berichtete. So schätzen Experten, dass die Emissionen in den kommenden zehn Jahren gerade mal auf 142 Millionen Tonnen jährlich zurückgehen werden – und auch nur dann, wenn Fahrzeuge in Zukunft deutlich weniger Kraftstoff verbrauchen. Der größte Treiber ist der Güterverkehr auf der Straße, der seit Jahren zunimmt.

Noch düsterer sieht es beim Flugverkehr aus: Die Europäische Kommission prognostiziert, dass die Zahl der Flüge innerhalb Europas erheblich zunehmen wird und der CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2040 sogar um ein Fünftel ansteigen könnte. Jede Einsparung durch effizientere Motoren wird durch die bloße Zunahme des Verkehrs mehr als wettgemacht.

Power-to-Liquid-Technologie im Fokus

Angesichts solcher Prognosen gerät verstärkt eine Technologie in den Blick, die langfristig die Emissionen des Verkehrssektors deutlich senken könnte. Bei sogenannten Power-to-Liquid-Verfahren wird Öko-Strom zur Erzeugung synthetische flüssiger Kraftstoffe (E-Fuels) genutzt, deren Einsatz als klimaneutral gilt. Nachdem erste Pilotprojekte den Praxistest bestanden haben, sind nun größere Anlagen in Planung. Nach Expertenmeinung haben E-Fuels – auch strombasierte Kraftstoffe genannt – neben abfall- und reststoffbasierten Alternativkraftstoffen vor allem dort Potential, wo elektrische Antriebe auch in absehbarer Zeit keine Alternative sind.

Die Luftfahrt, die maritime Schifffahrt und der Schwerlastverkehr sind Bereiche, die sich der Elektrifizierung zumindest weitgehend entziehen“, erklärt Thomas Willner, Professor für Verfahrenstechnik an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg. Er leitet einen Arbeitsausschuss, in der Fachleute aus der Verfahrenstechnik und chemischen Technik die Technologiepfade und Potentiale von alternativen Kraftstoffen untersuchen. Das Grundproblem von elektrischen Antrieben: Batterien haben eine sehr viel niedrige Energiedichte als Kraftstoffe und sind bei gleicher Energiemenge um ein Vielfaches schwerer. „Das ist in der Luftfahrt und bei Schwertransporten über lange Strecken, aber auch in anderen Bereichen wie zum Beispiel der Landwirtschaft, ein K.-o.-Kriterium“, sagt Willner.

E-Fuels als Teil der Energiewende

Dabei weisen gerade Luftfahrt und Güterverkehr – global gesehen – hohe Steigerungsraten auf, die Treibhausgasemissionen werden voraussichtlich weiter steigen. „Aus unserer Sicht sind alternative Kraftstoffe – sowohl strombasierte als auch abfall- oder reststoffbasierte – unabdingbar für das Erreichen der Klimaziele“, fasst Willner die Position des Ausschusses zusammen, der sich aus Wissenschaftlern namhafter Institute sowie aus Vertretern von einschlägigen Wirtschaftsunternehmen und Verbänden zusammensetzt.

Mit der Einschätzung sind die Verfahrenstechniker nicht allein. Die Deutsche Energie Agentur (dena) sieht großes Potenzial für synthetische Kraft- und Brennstoffe, die mit Hilfe von Strom aus Erneuerbaren erzeugt werden, im europäischen Verkehrssektor: „Demnach werden selbst in einem Szenario, das stark auf batterieelektrische Antriebe setzt, mehr als 70 Prozent des Endenergiebedarfs durch PowerFuels gedeckt, vor allem im Flug-, Schiff- und Güterverkehr.“

Wasserstoff und CO2 als Grundstoff

Technisch ist die Herstellung von strombasierten Kraftstoffen bereits heute möglich. „Die entscheidenden Grundstoffe beim Power-to-Liquid-Verfahren sind Wasserstoff und Kohlendioxid“, erklärt Professor Roland Dittmeyer, Leiter des Instituts für Mikroverfahrenstechnik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Strombasiert heißen die Kraftstoffe, weil der Wasserstoff in einer Elektrolyse erzeugt wird: Mithilfe von Elektrizität wird Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Stammt der Strom aus Erneuerbaren, gilt das Gas als CO2-neutral. Der so erzeugte Wasserstoff kann als Energieträger, beispielsweise in einer Brennstoffzelle, direkt genutzt werden oder zusammen mit Kohlendioxid zu Methan umgewandelt werden – diese Verfahren zählen zur Power-to-Gas-Technologie.

Bei der Power-to-Liquid-Technologie dagegen wird – wie der Name schon sagt – Wasserstoff und Kohlendioxid zu flüssigem Kraftstoff umgewandelt – dazu sind weitere Prozesse notwendig. „Die am weitesten verbreiteten Verfahren sind die Methanolsynthese und die Fischer-Tropsch-Synthese“, sagt Professor Dittmeyer, sein Institut forscht in mehreren Forschungsprojekten zu Power-to-X Technologien.

Bei der Methanolsynthese wird beispielsweise Wasserstoff mit CO2 zu Methanol umgewandelt, das zur Klasse der Alkohole gehört. Methanol kann bis zu 3 Prozent Benzin beigemischt werden. Allerdings ist Methanol kein etablierter Treibstoff. Möchte man Methanol in höheren Anteilen zumischen, müssten Ottomotoren speziell angepasst werden – bisher treibt er in Reinform nur PS-Boliden im Motorsport an. Um das Problem der Zumischungsobergrenzen zu umgehen, ließe sich Methanol in einem weiteren Verfahrensschritt in Benzin umwandeln. Das würde allerdings die Herstellungskosten erhöhen.

Synthetische Kraftstoffe mit großer Bandbreite

Die Anwendungsbereiche von E-Fuels, die mithilfe der Fischer-Tropsch-Synthese (FTS) erzeugt werden, sind dagegen weitaus größer. Die FTS, die bereits seit den 1920er Jahren bekannt ist und früher genutzt wurde, um Kohle zu verflüssigen, braucht allerdings Kohlenmonoxid. Kohlendioxid wird daher mit Wasserstoff zu Kohlenmonoxid reduziert, um dann mit weiterem Wasserstoff zu einem Synthesegas zusammengeführt zu werden. Mit dem Fischer-Tropsch-Verfahren können dann aus dem Synthesegas unterschiedliche Kohlenwasserstoffe hergestellt werden.

Diese lassen sich schließlich zu synthetischem Benzin, Diesel oder Kerosin aufbereiten. „Im Prinzip kann so der gesamte Kraftstoff-Markt bedient werden“, sagt der Hamburger Professor Willner und weißt noch auf zwei nicht zu unterschätzenden Vorteile hin, dass sich zum einen die gesamte Bestandsflotte sicher und kalkulierbar am Klimaschutz beteiligen lässt und man zum anderen die vorhandenen Infrastruktur Kosten senkend nutzen kann.

Neben den beiden etablierten Verfahren wird an weiteren geforscht. Zum einen zielt man auf neue Kraftstoffprodukte wie z. B. Oxymethylenether (OME) oder Oktanol, die Schadstoffemissionen absenken. Zum anderen wird die Rohstoffpalette erweitert, indem Abfälle und Reststoffe als erneuerbare Kohlenstoffquellen genutzt werden. „Es gibt unendliche viele Mischformen zwischen strombasierten und abfall- oder reststoffbasierten Alternativkraftstoffen“, erklärt Willner. Eine Gemeinsamkeit haben aber alle synthetischen Kraftstoffe: „Die Reinheit oder die Molekularstruktur der Produkte führt zu einer Verbesserung der Verbrennung. Im Vergleich zu fossilen Treibstoffen werden deutlich weniger Schadstoffe emittiert“, fügt Willner hinzu.

Quellen für Kohlendioxid

Doch wo kommt das Kohlendioxid her, das für das Verfahren benötigt wird? „Zum einen könnten das große Emittenten wie z.B. chemische Produktionsanlagen oder auch Stahl- oder Zementwerke sein. Hier wird das CO2, das bei der Produktion sowieso entsteht und teilweise in hohen Konzentration anfällt, verwendet“, erklärt Roland Dittmeyer vom KIT. Zum anderen könnten als dezentrale Quellen Biogasanlagen dienen. „Das CO2 wurde vorher von Pflanzen aufgenommen. Es handelt sich also um einen geschlossenen Kreislauf“, so der Experte. Eine dritte Möglichkeit ist, das CO2 direkt aus der Luft zu filtern. Dieses Verfahren brauche allerdings mehr Energie, unter anderem deshalb, weil das CO2-Niveau in der Atmosphäre gering ist, hat aber den Vorteil, an keinen Standort gebunden zu sein.

Die Power-to-Liquid-Technologie wird Experten zufolge in der Energiewende eine wichtige Rolle spielen, synthetische Kraftstoffe haben unbestreitbar Vorteile. Im nächsten Teil der Serie Power-to-X wird gezeigt, wo die Power-to-Liquid schon eingesetzt wird und welche Hürden bestehen.

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