Deutsche Lkw-Hersteller sind EU-weit führend in der Dekarbonisierung

Die Industrie braucht jedoch strengere EU-Flottengrenzwerte für Lkw, um zukunftsfähig zu bleiben und den Anschluss an Tesla und BYD nicht zu verpassen

Die drei deutschen Lkw-Hersteller Scania, Mercedes-Benz Trucks und MAN sowie Tesla und BYD verfolgen weltweit die ambitioniertesten Ziele für emissionsfreie Nutzfahrzeuge [1]. Mercedes-Benz Trucks, Scania und MAN wollen ab 2040 nur noch Lkw mit Elektro- oder Wasserstoffantrieb verkaufen. Die Umweltorganisation Transport & Environment (T&E), die im Ranking Hersteller nach Dekarbonisierungsplänen bewertet hat, warnt jedoch, dass trotz aktueller Bestrebungen eine EU-weite Verschärfung der Lkw-Flottengrenzwerte notwendig ist, damit die europäischen Hersteller zukunftsfähig bleiben und nicht den Anschluss und Marktanteile an amerikanische und chinesische Konkurrenten verlieren. 

Scania führt die Rangliste der Lkw-Hersteller hinsichtlich Klimaambition und -strategie an. Das Unternehmen hat zwar nur zugesagt, ab 2030 die Hälfte seiner Neufahrzeuge mit Elektro- oder Wasserstoffantrieb zu verkaufen, es verfolgt jedoch eine sehr erfolgsversprechende industrielle Strategie. Der zweitplatzierte Hersteller Mercedes-Benz Trucks gab an, dass 60 Prozent seiner verkauften Neufahrzeuge ab 2030 emissionsfrei sein werden. Allerdings klafft zwischen diesem Ziel und der industriellen Planung eine deutliche Lücke. Mercedes-Benz Trucks hinkt in punkto Batterien hinterher, da erst noch die Versorgung mit Batterierohstoffen sichergestellt werden muss. Auf Platz vier liegt der deutsche Hersteller MAN, der weniger Elektromodelle plant und ein schwächeres Emissionsziel für 2030 verfolgt.

Volvo Trucks, der derzeitige Marktführer beim Verkauf emissionsfreier Lkw in Europa und den USA, landet nur im Mittelfeld. Obgleich der Hersteller öffentlich versprochen hat, dass 70 Prozent seiner verkauften Neufahrzeuge ab 2030 emissionsfrei sein werden, hat das Unternehmen keinen klaren Zeitpunkt angegeben, ab dem alle verkauften Neufahrzeuge 100 Prozent emissionsfrei sein sollen. Außerdem investiert Volvo Trucks in Gas und Biokraftstoffe, die CO2 ausstoßen. Renault Trucks liegt lediglich im Mittelfeld des Rankings. Der Hersteller verspricht zwar, dass ab 2030 die Hälfte der verkauften Neufahrzeuge emissionsfrei sind, setzt aber ebenfalls auf Gas und Biokraftstoffe. Abgeschlagen sind IVECO und DAF. Beide Unternehmen verfolgen keine langfristigen Ziele und planen, nur wenig in Batterieversorgungsketten und Ladeinfrastruktur zu investieren.  

Kim Kohlmeyer, Bereichsleiterin für Straßengüterverkehr bei T&E Deutschland, sagt: „Alle europäischen Lkw-Hersteller geben an, umweltfreundlicher werden zu wollen. In Wirklichkeit  klafft in der Lkw-Branche eine große Lücke zwischen Herstellern, die einen Plan zur vollständigen Dekarbonisierung haben, und denen, die keinen haben. Um deutsche und europäische Wettbewerbsfähigkeit international zu erhalten, brauchen wir strengere Regulierungen wie die EU-weiten Lkw-Flottengrenzwerte. Sie garantieren, dass unser Wirtschafts- und Industriestandort zukunftsfähig bleibt.” 

Die europäischen Lkw-Hersteller stehen in hartem Wettbewerb mit Tesla und BYD. Die außereuropäische Konkurrenz hat bereits bewiesen, dass sie in der Lage ist, die Produktion emissionsfreier Pkw in kurzer Zeit zu steigern – das gleiche könnte der Lkw-Industrie blühen. Außerdem haben die internationalen Hersteller starke Batterie-Lieferketten aufgebaut und sich die Versorgung mit Rohstoffen gesichert.

Kaliforniens Verkaufsverbot von Diesel-Lkw ab 2036 und der US Inflation Reduction Act könnten dazu führen, dass Hersteller Investitionen in den USA priorisieren und Produktionspläne in Europa aussetzen oder streichen. Die EU muss mit der Überarbeitung ihrer Flottengrenzwerte für schwere Nutzfahrzeuge Investitionssicherheit in Europa signalisieren. Strengere Vorgaben für 2030 sind besonders entscheidend, um für Hersteller klare Anreize zu schaffen, ihre industriellen Strategien zeitnah anzupassen.

Kim Kohlmeyer sagte: „Die EU-Regierungen sollten alarmiert sein: Tesla und BYD sind dabei, ihre Pkw-Erfolgsstory auf dem Lkw-Markt fortzuschreiben. Kalifornien hat soeben ein klares Signal an Lkw-Hersteller gesendet. Um zu verhindern, dass Investitionen in die Produktion und in Batterien abwandern, muss die EU nachziehen und Herstellern mit klaren Flottengrenzwerten für Lkw Investitionssicherheit geben.

T&E hat kürzlich die Kampagne Your Heavy Duty mit dem Ziel gestartet, strengere CO2-Reduktionsziele für europäische Lkw-Hersteller zu erreichen. Dadurch sollen Investitionen gefördert, das Angebot ausgeweitet und die Versprechen der Hersteller für emissionsfreie Lkw eingehalten werden. Die Kampagne fordert die EU-Gesetzgeber auf:

  • Ein CO2-Reduktionsziel von –65 Prozent für das Jahr 2030 festzulegen, im EInklang mit dem, was führende Hersteller bereits angekündigt haben.
  • Ein CO2-Reduktionsziel von –100 Prozent für das Jahr 2035 für Lkw festzulegen, um sicherzustellen, dass ab 2050 keine umweltschädlichen Fahrzeuge mehr auf Europas Straßen unterwegs sind. Ohne ähnlich strenge Maßnahmen wie Kaliforniens Verbot ab 2036 läuft die EU Gefahr, ins Hintertreffen zu geraten, da große Lkw-Hersteller ihre Investitionen aus Europa abziehen könnten. 
  • Biokraftstoffe und E-Fuels nicht in die Flottengrenzwerte einzubeziehen, da sie teure und ungeeignete Lösungen zur Dekarbonisierung des Lkw-Verkehrs sind. Die Lkw-Hersteller, die sich gegen jegliche Einbeziehung von Biokraftstoffen und E-Fuels in die Verordnung aussprechen, machen über 90 Prozent des EU-Marktes aus.
  • Den Geltungsbereich der Verordnung auf kleine Lkw, sogenannte Arbeitsfahrzeuge und nicht zertifizierte Fahrzeuge auszuweiten, so dass alle neuen Lkw reguliert werden. 

Quelle