Busfahrer müssen auch Etikette lernen

Den Busunternehmen im Land fehlen Chauffeure. Nun werben sie mit Schnupperfahrten um Quereinsteiger und Frauen.

Sindelfingen – Problemlos steuert Recep Adem einen großen, weißen Bus über das Betriebsgelände des Böblinger Busunternehmens Pflieger. „Das ist viel einfacher, als ich gedacht habe“, sagt der 52-Jährige, der erstmals am Steuer eines Busses sitzt. „Das sagen alle“, stellt Lothar Happes fest, der als Fahrlehrer neben Adem sitzt.

Mit einer Schnupperfahrt als Busfahrer versuchten die baden-württembergischen Busunternehmer am Freitag in Böblingen, neue Mitarbeiter anzulocken. Bei Lukas Altmann hatten sie Erfolg – zumindest, was das Probefahren angeht. „Ich habe mir extra freigenommen, weil ich unbedingt einmal einen Bus steuern wollte“, sagt der 33-jährige Reutlinger, der momentan bei einer Bußgeldstelle arbeitet. Ob er tatsächlich zum Busfahrer umschulen wird, will er sich erst noch überlegen.

Auch Recep Adem ist sich noch unsicher. „Das Fahren ist kein Problem“, sagte er. Und viel Erfahrung bringt er bereits mit – als Testfahrer. Mehrere Jahre war er bei einem Dienstleister angestellt, der für den Autobauer Daimler die Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen Probe fuhr. Aber die Theorie bis zur Zulassung zum Busfahrer bereitet dem Mann aus Nagold Probleme. „Ob ich das schaffe, das viele Lernen und dann die Prüfung?“, fragt er sich.

Agentur für Arbeit und Jobcenter zahlen die Ausbildung

Dabei wäre Adem, der momentan Arbeit suchend ist, der ideale Kandidat für das Programm, das die Firma Combus, die Fort- und Weiterbildungen für den Verband Baden-Württembergischer Omnibusunternehmer (WBO) organisiert, für Berufseinsteiger und Berufswechsler anbietet. Arbeitslosen bezahlt die Agentur für Arbeit die Ausbildung zum Busfahrer. Lukas Altmann hingegen müsste sie selbst bezahlen. 13 000 Euro kostet das – viel Geld für den jungen Mann.

Sechs Monate dauert das Ausbildungsprogramm. In den ersten sechs Wochen machen die Nachwuchschauffeure den Busführerschein: 34 Stunden Theorie und 58 Fahrstunden müssen sie dafür absolvieren. Danach dürfen sie einen leeren Bus steuern. Für die Personenbeförderung ist dann ein weiterer Lehrgang notwendig: 174 Stunden Theorie und 14 weitere Fahrstunden stehen auf dem Programm, zudem eine Erste-Hilfe-Schulung. Anschließend bietet Combus den Teilnehmern ein achteinhalbwöchiges Praktikum in einem Busunternehmen an. Wenn sie sich dort bewähren, haben sie den Job so gut wie sicher. Denn viele Busfirmen suchen händeringend Fahrer.

So auch Karoline Hassler. Sie leitet das Busunternehmen Hassler in Sindelfingen, das im Linien- und Schülerverkehr und als Reisebusveranstalter unterwegs ist. Momentan beschäftigt sie 20 Busfahrer. „Doch einer geht in diesem Monat nach 40 Jahren in Rente. Und einen Nachfolger haben wir noch nicht.“ Fahrer zu finden sei schwierig, sagt die Unternehmenschefin. Und nicht jeder würde sich für den Beruf eignen. „Dazu gehört mehr, als nur ein guter Fahrer zu sein, man muss auch sensibel sein und mit ganz unterschiedlichen Menschen umgehen können.“

Die Chefin wünscht sich mehr weibliche Busfahrer

Deshalb sind auch Themen wie „Stil und Etikette“, „Verhalten in besonderen Situationen“ und „Deeskalation“ Teil der Ausbildung der Busfahrer. „Meine Busfahrer sind ja auch mit Reisegruppen unterwegs. Und im Linienverkehr gibt es immer wieder aggressive Fahrgäste“, sagt Hassler. Auch damit müssten die Chauffeure umgehen können. Gerade ältere Kandidaten mit Menschenkenntnis wie Recep Adem seien daher sehr willkommen. Und mehr Frauen wünscht sich Hassler für den Beruf. Unter ihren 20 Fahrern sei nur eine Frau. „Das ist immer noch eine Männerdomäne.“

30 neue Chauffeure möchte Katja Fellmeth, die Chefin von Combus, pro Jahr ausbilden. Am 1. April beginnt der erste Kurs für 15 Teilnehmer. Doch noch gibt es freie Plätze. Immerhin: Am Schnuppertag haben zwei Interessenten spontan zugesagt.

Alle fünf Jahre zum Check

Voraussetzungen für die Ausbildung zum Busfahrer bei Combus sind: ein Mindestalter von 24 Jahre, ein Führerschein der Klasse B oder alte Klasse 3 (seit mindestens zwei Jahren), ein einwandfreies polizeiliches Führungszeugnis und gute deutsche Sprachkenntnisse. Die Bewerber müssen einen Eignungstest machen und zur ärztlichen und augenärztlichen Untersuchung. Zudem müssen sie sich einem Belastungstest unterziehen.

Die Ausbildung kostet 12 000 bis 13 000 Euro. Ar-beitslose und Arbeitsuchende werden bei entsprechender Eignung von der Agentur für Arbeit oder dem Jobcenter gefördert.

Auch fertige Busfahrer müssen sich regelmäßig jährlich fortbilden. Alle fünf Jahre müssen sie für die Verlängerung ihres Führerscheins außerdem zu einer ärztlichen und zu einer augenärztlichen Untersuchung. Sobald sie 50 Jahre alt sind, müssen sie auch noch alle fünf Jahre einen Leistungstest absolvieren

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