Betrug mit Adblue – der nächste Dieselskandal?

Eine LKW-Kontrolle des Bundesamtes für Güterverkehr an der A3 nahe Regensburg: Kontrolleur Andreas Spohrer hat einen polnischen LKW gestoppt. Verdacht auf Adblue-Betrug. Und der Verdacht bestätigt sich schnell: Spohrer findet im Kabelbaum unter dem Armaturenbrett ein kleines, schwarzes Kästchen. Es handelt sich um einen illegalen Emulator.

Mit so einem Emulator wird die Bordelektronik lahmgelegt, die Adblue in den Abgasstrang eines LKWs einspritzt. Dort wandelt das Additiv giftige Stickoxide in Wasserdampf und harmlosen Stickstoff um. Eine Grundvoraussetzung um die Abgasnormen Euro 5 und Euro 6 zu erfüllen. Der polnische LKW, der hier in die Kontrolle geraten ist, tut das nicht. Für ihn ist die Fahrt erst mal beendet. Kein Einzelfall, erklärt Bernd Krekeler Abteilungsleiter im Bundesamt für Güterverkehr: „Es gibt da einen eindeutigen Trend: Wir finden solche Emulatoren vorwiegend bei Speditionen aus Osteuropa. Bei deutschen Firmen kommt das so gut wie nie vor. Seit etwa zwei Jahren haben wir das Problem auf dem Schirm. Im Fokus sind LKW aus Rumänien, Polen, der Tschechischen Republik und dem Baltikum.“

Jeder fünfte LKW aus Osteuropa hält Vorschriften nicht ein

Solche Aussagen überraschen Andreas Mossyrsch vom LKW-Verband Camion Pro überhaupt nicht. Er hat verdeckt in Rumänien und Polen recherchiert. Dort wurde ihm in Hinterhofwerkstätten immer wieder angeboten, die Adblue-Anlage seines LKW stillzulegen. Die dazu notwendigen Emulatoren gibt’s auf polnischen Ebay-Seiten für 30 bis 50 Euro.

Von diesen Recherchen beunruhigt, startete Mossyrsch eine Feld-Studie mit der Uni Heidelberg. Ergebnis: Jeder fünfte LKW aus Osteuropa hält die deutschen Abgasvorschriften nicht ein.

Offenbar Maut-Ausfälle von einer Milliarde Euro

Dem deutschen Fiskus entgeht durch den Betrug eine Menge Geld bei der LKW-Maut, so Mossyrsch: „Dem Bund entstehen durch den Adblue-Betrug Mautausfälle, weil die LKW in einer niedrigeren Schadstoffklasse unterwegs sind als angegeben. Dafür müsste eine höhere Maut entrichtet werden. Wir haben das mal zusammengerechnet und kommen in den letzten fünf Jahren auf einen Schaden für die Staatskasse von einer Milliarde Euro.“

Hinzu kommt der Umweltschaden. Etwa 14.000 Tonnen zusätzliche Stickoxidbelastung pro Jahr, schätzt der Experte. Außerdem verschaffen sich betrügerische Speditionen so einen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren Konkurrenten, kritisiert Mossyrsch.

Wettbewerbsvorteil für Spediteure

Mit der Adblue-Masche sparen sich Unternehmen etwa drei bis vier Euro auf hundert Kilometer. Bei hunderttausend Kilometern Fahrleistung pro LKW und Jahr kommt da einiges zusammen. Und große Firmen haben über tausend Brummis im Fuhrpark. Ein Millionengeschäft.

Das darf so nicht weitergehen, fordert der Verbandsvorsitzende: „Ich plädiere dafür, überführten Betrügern die Betriebserlaubnis zu entziehen. Das würde Wirkung zeigen. Außerdem sollte der Bund von den betroffenen Unternehmen eine Mautnachzahlung verlangen. Man kann ja elektronisch ganz genau nachvollziehen, wie lange ein LKW schon mit stillgelegter Adblue-Anlage unterwegs war. Die gefahrenen Kilometer bilden dann die Grundlage für die Mautnachzahlung. Aber bisher lachen kriminelle Firmen aus Osteuropa nur über unsere Kontrollen.“

Bernd Krekeler vom Bundesamt für Güterverkehr sieht das naturgemäß etwas anders. Außerdem hält er die Zahlen aus der Studie der Uni Heidelberg für zu hoch. Seiner Erfahrungen nach sind etwa zwei Prozent der LKW aus Osteuropa manipuliert.

„Eine Strafe um die 10.000 Euro halte ich für angemessen“

Aber auch er fürchtet, dass das Problem weiter zunimmt und wünscht sich deshalb ebenfalls mehr Unterstützung von der Politik: „Es wäre hilfreich, wenn ein neuer Tatbestand geschaffen werden könnte, der uns gegenüber solchen Betrügern eine allgemeine Handhabe auch abseits der Autobahn geben würde. Außerdem müsste das Bußgeld erhöht werden, um abschreckend zu wirken. Eine Strafe um die 10.000 Euro halte ich für angemessen.“

Bei der Kontrollaktion an der A3 bei Regensburg ist inzwischen noch ein weiterer Adblue-Betrüger ins Netz gegangen. Diesmal ein LKW aus Rumänien. Auch er hat einen Emulator an Bord. Mit Blaulicht wird er in die nächste Werkstatt eskortiert. Dort muss das unerlaubte Gerät ausgebaut werden. Der Firma droht ein Bußgeld von 1.000 Euro, die Umweltschäden wird die Allgemeinheit tragen müssen.

Etwa 40 Prozent aller LKW auf deutschen Autobahnen kommen aus Osteuropa. Umwelt und Staatskasse droht ein enormer Schaden durch den Adblue-Betrug. Unbemerkt von der Öffentlichkeit.

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