Nach Feuer in Oldesloe: Freispruch im Mordprozess

Mann soll Haus in Bad Oldesloe angezündet haben, in dem seine Freundin und ihr Sohn schlief. Eindeutige Beweise fehlen.

Lübeck.  Minutenlang liegen sich Thomas W. (Name geändert) und seine Schwester in den Armen. Sie weinen und merken nicht, wie sich Menschen auf dem schmalen Gerichtsflur an ihnen vorbeischieben. Es ist für beide eine Moment des Glücks, es sind Tränen der Freude.

Nur wenige Minuten zuvor hat das Landgericht in Lübeck den 30-Jährigen von der Anklage wegen versuchten Doppelmordes durch Brandstiftung freigesprochen. Er soll ein Haus am Pölitzer Weg in Bad Oldesloe angezündet haben, in dem seine schwangere Freundin und ihr Sohn (7) schliefen. Doch das Gericht ist nicht überzeugt: „Die Zweifel können nur eins zur Folge haben – und das ist der Freispruch“, sagt der Vorsitzende Richter Christian Singelmann. Er betont, dass die Kammer bei einer Verurteilung nicht ruhig hätte schlafen können. Denn eindeutige Beweise gegen Thomas W. gibt es nicht.

Angeklagter soll zunächst aus Angst gelogen haben

„Es gibt Indizien für und wider“, sagt Singelmann. Für eine Täterschaft spreche, dass kurz nachdem Thomas W. am frühen Morgen des 31. Mai den Wintergarten verlassen hatte, dort das Feuer ausbrach. Hinzu komme, dass W., der vor seiner Verhaftung in Trappenkamp (Kreis Segeberg) wohnte, zunächst bestritten hatte, am Tatort gewesen zu sein. Als Grund für diese Lüge gegenüber der Polizei nannte W. Angst, mit der Tat in Verbindung gebracht zu werden. Stark belastet hat ihn auch eine Nachbarin des Opfers, deren Aussagen letztlich auch den Verdacht gegen W. erhärteten.

Denn die Frau hatte beobachtet, wie Thomas W. kurz vor Ausbruch des Feuers mit einer schwarzen Tasche den Wintergarten verließ. Noch am Tattag sagte sie gegenüber der Polizei, W. habe dabei ein Grinsen auf dem Gesicht gehabt, das sie an Zufriedenheit und Sieg erinnert habe. Als sie vor Gericht als Zeugin aussagte, erinnerte sie sich jedoch nicht mehr daran. Auch sagte sie gegenüber der Polizei, W. sei eine tickende Zeitbombe und ein schlechter Mensch. „Nachhaltig stützen lassen hat es sich nicht“, so der Richter. Denn die Nachbarin selbst hat eigenen Aussagen zufolge W. nie persönlich kennengelernt. „Somit sind solche Aussagen zurückhaltend zu bewerten“, sagt Singelmann.

Richter zählt eine Vielzahl von entlastenden Beweisen auf

Der Richter zählt auch eine Vielzahl von entlastenden Indizien auf. So haben Zeugen berichtetet, wie besorgt und aufgebracht W. war, als er von dem Feuer erfahren hatte. Auch ist Thomas W. selbst zur Polizei gefahren, um zu erfahren, wie es seiner Freundin und ihrem Sohn geht.

Für den Angeklagten spreche auch, dass es immer wieder nach einem Streit die Situation gegeben habe, dass der Berufskraftfahrer morgens seine Sachen abholte. Dies bestätigte auch das Opfer Denise L. (Name geändert). Die junge Frau sagte vor Gericht aus, dass es einen Abend vor der Tat heftigen Streit gab, bei dem sich beide per SMS beleidigten und sogar trennten. Heute liebten sie einander wieder und hätten Zukunftspläne, sagt die 27-Jährige. Und: „Ich traue ihm das nicht zu.“

Entscheidende Indizien sind Aussagen von LKA-Beamten

Richter Singelmann erläutert in seiner Urteilsbegründung: „Das entscheidende Indiz für uns waren aber die Aussagen der Sachverständigen.“ Denn Experten des LKA konnten am Tatort keine Brandbeschleuniger finden. Hinzu komme, dass „die Möglichkeit eines technischen Defekts nicht gering war“, so der Vorsitzende, der sich auf die Experten bezieht.

Für die Staatsanwaltschaft waren es einige Zufälle zuviel. Im Plädoyer erklärte die Anklägerin, dass der zeitliche Abstand zwischen dem Verlassen des Tatortes und dem Ausbruchs des Feuers nur sehr gering war und somit ein technischer Defekt eher unwahrscheinlich ist. W. hätte den Entstehungsbrand im Wintergarten bemerkt haben müssen. Laut der Fahrerkarte in seinem Lkw fuhr W. um 4.45 Uhr weg, um 4.56 Uhr alarmierten Zeugen die Feuerwehr. Denise L. konnte sich und ihr Kind damals ins Freie retten.

Staatsanwältin forderte fünf Jahre

Ein weiteres Indiz, das laut Anklagebehörde gegen W. spricht, ist, dass das Opfer am Tattag gesagt hatte: „Jetzt hat er es endlich geschafft.“ Denise L. habe damit Thomas W. und den Versuch, sie und ihr Kind umzubringen, gemeint. Dies sowie der Umstand, dass es am Abend zuvor Streit gab, sind laut Staatsanwaltschaft Gründe, die für die Schuld des Mannes sprechen. Weil ein forensischer Gutachter eine verminderte Schuldfähigkeit bei W. nicht ausschließen konnte und er nicht vorbestraft ist, forderte die Staatsanwältin fünf Jahre Haft.

Doch Thomas W. verlässt das Gericht als freier Mann: „Man hat mir acht Monate genommen“, sagt W., der wegen der Untersuchungshaft die Geburt seines Kindes nicht mitbekommen hat. „Ich bin mehr als froh, dass meiner Familie nichts passiert ist.“ Und: „Es war schön, als ich mein Sohn jetzt endlich im Arm halten konnte.“

Quelle dieses Artikels klick hier : Hamburger Abendblatt