Verkehr der Zukunft: Bremerhavener Spedition plant Wasserstoff-Lkw

Bei bis zu minus 25 Grad sind die Waren tiefgefroren, mit denen die Kühllaster der Spedition Brüssel und Maass aus Bremerhaven durch ganz Europa kurven. Hauptsächlich transportieren sie Fisch von Firmen wie Frosta oder Deutsche See. Dafür verbrauchen sie nicht nur 26 bis 28 Liter Diesel auf 100 Kilometer für den Antrieb, sagt Spediteur Ulf Brüssel, sondern auch jede Woche etwa 60 bis 80 Liter für die Kühlaggregate. In einem Jahr kommt da einiges zusammen.

Ich hab‘s mal ausgerechnet: Wir stoßen 4.000 Tonnen CO2 aus. Das war mir ein Dorn im Auge.

Ulf Brüssel ist Mitinhaber einer Spedition in Bremerhaven

Ulf Brüssel, Spediteur aus Bremerhaven

Der Sektor Verkehr macht laut Bundesumweltamt mehr als 19 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen aus. Nach dem Pariser Klima-Abkommen muss Deutschland seinen CO2-Ausstoß jedoch massiv verringern, um die Erderwärmung zu begrenzen. Bis 2045, so will es die Bundesregierung, soll Deutschland klimaneutral sein.

Verhilft Wasserstoff zum Klimaziel?

Spediteur Brüssel hatte daher eine Idee: Die Lastwagen und ihre Kühlaggregate könnten doch mit Wasserstoff betrieben werden. Wasserstoff ist laut Bundeswirtschaftsministerium das Schlüsselelement, wenn es um die Energiewende geht, insbesondere wenn es grüner Wasserstoff ist. Der wird aus erneuerbaren Energien wie Wind- oder Sonnenenergie hergestellt.

Aber: „Das geht nicht mal eben so. Ich gehe nicht in den Laden und kaufe einen Wasserstoff-Lkw“, erklärt Nils Meyer-Larsen vom Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL). Die rechtlichen und technischen Fragen soll daher nun eine Studie klären, die Bremens Umweltressort und die EU finanzieren. An der Studie sind neben dem ISL auch Wissenschaftler der Hochschule Bremerhaven beteiligt und der Verein H2BX, der Wasserstoff-Projekte in der Region voranbringen will.

Neuland für Produzenten

Professor Benjamin Wagner vom Berg von der Hochschule Bremerhaven sagt, das Schwierigste sei, einen Hersteller zu finden. „In einem ersten Schritt gucken wir uns beispielsweise den Markt an, wer ist überhaupt geeignet als Anbieter für Wasserstoff-Lkws und für Kühlaggregate.“

In der Schweiz fahren einige wenige Wasserstoff-Lkw schon. Das macht Meyer-Larsen vom ISL Hoffnung: „Ich finde es sehr aussichtsreich, dass man hört, dass sie mit den Wasserstoff-Lkw sehr zufrieden sind.“ Auch in Osterholz-Scharmbeck gebe es einen Hersteller, der bis 2026 Wasserstoff-Fahrzeuge auf die Straße bringen will.

Gretchenfragen für den Praxisfall

„Die Technik ist geeignet, da sind wir uns alle einig“, betont Wagner vom Berg, der zu Logistik forscht und lehrt. Die Studie soll nun beantworten, wie die Rahmenbedingungen sein müssten, damit die Technik auch in einem größeren Umfang eingesetzt werden könnte.

Dazu wollen die Forscher beispielsweise wissen: Wer liefert den Wasserstoff? Was ist im Falle eines Defekts? Dürfen Wasserstoff-Lkw durch Tunnel fahren? Ist das Ganze wirtschaftlich?

Doch wie wird grüner Wasserstoff überhaupt erzeugt? Mit Hilfe von Strom aus Sonnen- oder Windenergie wird Wasser in seine beiden Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt. Der gasförmige Wasserstoff wiederum wird benutzt, um Strom für den Lkw-Motor und die Kühlung zu erzeugen, erklärt Claas Schott vom Verein H2BX. „Dieser Wasserstoff wird dann einer Brennstoffzelle zugeführt, die zusammen mit der Umgebungsluft reagiert.“ Bei dieser Reaktion entstehe elektrischer Strom, der dann den Kühlraum kühlen könne.

Das Abfallprodukt ist, dass keine Abgase entstehen dabei wie aktuell, sondern dass da hinten nur noch Wasser raustropft. Claas Schott, Verein H2BX

Umrüsten noch teuer

Das Ziel der Studie ist es auch, genug Erkenntnisse zu liefern, um einen Kühllaster zum Wasserstoff-Lkw umzubauen. An der Zugmaschine des Lastwagen würden Wasserstoff-Tanks verbaut, sagt Spediteur Ulf Brüssel.

Dort, wo jetzt die Kraftstofftanks sitzen, könnte die Brennzoffzelle sitzen. Alles in allem werde ein mit Wasserstoff betriebener Lkw jedoch relativ normal aussehen, meint Schott: „Wir werden jetzt keine futuristischen Fahrzeuge in Zukunft auf der Straße sehen oder Fahrzeuge, die den Menschen Angst machen, sondern die Fahrzeuge werden praktisch im Allgemeinverkehr untergehen.“

Der Nachteil: So ein Umbau wäre aktuell noch ziemlich teuer. Brüssel zufolge etwa 500.000 Euro – das Fünffache dessen, was ein handelsüblicher Lastwagen koste. Eine weitere Hürde ist, dass Deutschland für die Produktion von grünem Wasserstoff die erneuerbaren Energien massiv ausbauen oder den Wasserstoff aus dem Ausland importieren müsste. Trotzdem sind die Beteiligten überzeugt von der Idee. Sie rechnen damit, dass der Betrieb eines Wasserstoff-Lkw mit der Zeit wirtschaftlich werden würde. „Alles, was auf fossilen Technologien basiert, ist eine sterbende Technologie. Das sind keine Zukunftsmärkte mehr“, sagt Wagner vom Berg.

Spediteur Ulf Brüssel, der die Idee zum Wasserstoff-Lkw schon 2017 hatte, geht der Wandel zur Klimaneutralität nicht schnell genug.

Es geht einfach drum, dass wir was machen müssen. Und ich merke, es passiert nicht viel.

Ulf Brüssel ist Mitinhaber einer Spedition in Bremerhaven

Ulf Brüssel, Spediteur aus Bremerhaven

Es gehe ja auch darum, wie wir künftig wirtschaften wollen. Er sagt, die Transportbranche müsse sich komplett wandeln. Hin zu mehr Regionalität und weniger Treibhausgas-Ausstoß. Er würde die Transformation gerne voranbringen – auch, wenn das als kleiner Mittelständler nicht einfach sei.

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