Premiere: Erstmals Klimadiesel in Deutschland zu tanken

Ab sofort können Lkw und Autos in Hoya, das fast auf halber Strecke zwischen Bremen und Hannover liegt, Biodiesel tanken. Sie müssen dazu nicht mal umgerüstet werden. Der Sprit besteht zu 100 Prozent aus altem Pflanzenfett.

von Hilke Janssen und Sonja Wurtscheid

Was für die einen ein Abfallprodukt ist, ist für Lorenz Kiene der Lebensunterhalt: Kiene ist Chef der Tankstellen-Kette „Classic Tankstellen“ und verkauft seit Freitag als erster in Deutschland einen Biodiesel, der zu 100 Prozent aus altem Frittierfett besteht. Mit diesem Biodiesel im Tank stoßen Lkw und Autos deutlich weniger umweltschädliches CO2 (Kohlenstoffdioxid) aus. Die Fahrzeuge müssen nicht einmal umgerüstet werden.

Erste Tankstelle mit Klimadiesel in Deutschland

Eine Tankstelle mit Diesel aus Frittenfett in Hoya. © NDR

An der Tankstelle in Hoya gibt es nun Klimadiesel zu tanken.

Den Biodiesel gibt es bisher nur in Hoya. Er soll nach und nach an den 160 „Classic Tankstellen“ in Deutschland ausgerollt werden. Aber der Biosprit hat nicht nur Vorteile. Im Moment ist er oft noch deutlich teurer als Super oder Diesel. Wer in Hoya tanken möchte, braucht außerdem eine Mitgliedschaft im Kunden-Club. Dann bekommt man eine Chipkarte für die Zapfsäule. Das ist auch deshalb noch so umständlich, weil der Klimadiesel Bürokratie mit sich bringt. Er erfülle noch nicht die deutsche Dieselkraftstoffnorm, erklärt Alexandra Kruse, Sprecherin des ADAC Niedersachsen. In anderen europäischen Ländern gibt es schon lange Biokraftstoff zu tanken. Umweltschützer halten ihn grundsätzlich für sinnvoll. „Sie können auf jeden Fall einen Beitrag dazu leisten, die Emissionen im Verkehrssektor zu reduzieren“, sagt Ulf Neuling, Kraftstoff-Experte des Think Tanks „Agora Verkehrswende“. Für Neuling ist entscheidend, dass das Altspeiseöl auch wirklich nachhaltig ist.

Flugzeuge mit Biokerosin antreiben?

Ein Flugzeug hebt ab in den Himmel. © NDR Foto: Julius Matuschik

Fliegen mit der Kraft aus Planzen? Bio-Kerosin sei eine interessante Option für die Luftfahrt, sagt Neuling.

Dass Biokraftstoffe wirtschaftlich sein können, bestreiten Umweltschützer nicht – im Gegenteil. Die Kraftstoffe seien da interessant, wo man Antriebe nicht einfach elektrisch machen kann, sagt Neuling – zum Beispiel in der Luftfahrt und in Teilen der Schifffahrt. Er bezweifelt aber, dass die globale Verkehrs- und Umweltkrise mit Biodiesel gelöst werden kann. Viele Umweltschützer sehen die Zukunft in der E-Mobilität. Und das rechne sich sogar für Unternehmen, argumentiert Neuling. Studien belegten schon jetzt, dass E-Lkw ab 2035 wirtschaftlicher seien als Lkw mit Verbrennungsmotoren.

Unternehmer finden Bio-Diesel gut

Trotz des höheren Preises stellen in der Region rund um Hoya schon mehrere Unternehmen auf Biodiesel um. Holz-Unternehmer Ralf Schlesselmann aus Asendorf (Landkreis Diepholz) etwa will die Bagger, Radlader und vier Lkw seiner Firma künftig mit dem Klimadiesel betanken. Das kostet Schlesselmann 25.000 Euro mehr pro Jahr. Trotzdem gibt es für den Mittelständler keine Alternative. Man müsse jetzt alles tun, was möglich ist, um CO2 einzusparen, sagt er. Unternehmer merkten schon jetzt, wie viel Geld sie die Folgen des Klimawandels kosten. Außerdem werden in anderen europäischen Ländern schon jetzt ganz ähnliche Bio-Kraftstoffe verkauft, darum habe er keine Bedenken, wenn er Biodiesel tankt.

VGH: Busse künftig mit klimafreundlicherem Diesel unterwegs

Auch die Verkehrsbetriebe Grafschaft Hoya (VGH) wollen künftig klimafreundlicher unterwegs sein. Der Klimadiesel, wie er in Hoya angeboten wird, wäre allerdings zu teuer für das kommunale Unternehmen. Deshalb hat sich VGH-Geschäftsführer Holger Laurenz für einen Mittelweg entschieden: Er will die Flotte künftig mit einem Biodiesel betanken lassen, der zu einem Viertel aus benutztem Fett besteht. Der ist günstiger. Der Vorteil liegt für Laurenz auf der Hand: Aus dem Stand könnten die Verkehrsbetriebe so mehrere Hundert Tonnen CO2 einsparen – ohne dass die 48 Busse umgerüstet werden müssten. Dass Fahrgäste bereit sind, langfristig für mehr Klimaschutz auch höhere Ticketpreise zu bezahlen, glaubt er hingegen nicht. „Zwar haben alle das Klimathema vor Augen“, sagt Laurenz. Aber er glaubt nicht, dass Kunden bereit sind, „für ein Ticket deutlich mehr Geld zu bezahlen, nur weil das Fahrzeug sauberer ist. Schon gar nicht im ländlichen Raum.“

ADAC kritisiert Preis

Der ADAC (Allgemeiner Deutscher Automobil-Club) begrüßte den umweltfreundlichen Vorstoß in Hoya. Dass der Biodiesel schnell massentauglich wird, bezweifelt Sprecherin Kruse aber. Dafür sei er noch zu teuer. Außerdem müsse sichergestellt sein, dass die Grundstoffe für die Biodiesel-Produktion auch in Zukunft in ausreichender Menge vorhanden sind.

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