Erster autonomer Lkw bei Ulm vorgeführt: Was er kann – und was nicht

Viele Firmen sind auf den Containerbahnhof in Ulm-Dornstadt angewiesen. Dort wurde nun ein Lkw vorgeführt, der vollkommen autonom fahren kann. Ist das die Zukunft?

Von Gardena, über Liebherr bis Wieland: Viele Firmen aus der Region sind auf den Containerbahnhof in Ulm-Dornstadt angewiesen. Er bildet den Umschlagplatz für Waren, die mit dem Zug in die Region geliefert und dann per Lkw weitertransportiert werden.

Für ein Forschungsprojekt war dort nun über Monate ein Lkw im Einsatz, der völlig autonom fahrend kann. Damit sollen künftig gleich eine Vielzahl an Problemen behoben werden. Die Ergebnisse sind vielversprechend.

Wenn man einen Makel an dem zehnrädrigen Hoffnungsträger sucht, dann ist es höchstens sein Aussehen: Wer den MAN-Truck genau anschaut, entdeckt klobige Anbauten auf Höhe der Außenspiegel und am Rand der Fahrerkabine. „Das ist vielleicht optisch nicht besonders schön, aber technisch ist es sehr schick“, sagt Fabian Kuttenreich, der das Projekt aus dem Team von MAN mit begleitet hat.

Warum in Dornstadt?

Wenn der Truck schon für sich beansprucht, künftig einen Menschen zu ersetzen, hängt die Messlatte hoch. Doch im Vergleich mit einem menschlichen Fahrer hat das Fahrzeug viele Vorteile: „Wer kann schon von sich behaupten, sechs Augen mit Laserstrahlen und sechs weitere mit Radar zu haben“, sagt Kuttenreich scherzhaft.

Tatsächlich sehen viele das Projekt am Umschlagbahnhof bei Dornstadt als wichtigen Meilenstein in der Entwicklung autonomer Lkws. Die Entscheidung sei vor allem auch deshalb auf Dornstadt gefallen, weil hier „viel Betrieb“ sei und der Lkw anspruchsvolle Straßenführung erlernen kann, zum Beispiel mit einem Kreisverkehr.

Wie groß das Potenzial ist

Drei Jahre lang lief das Forschungsprojekt, rund sechs Monate lang wurde das autonome Fahrzeug vor Ort getestet. Und das im laufenden Betrieb. Die Testphase ist inzwischen abgeschlossen und die Ergebnisse sind vielversprechend.

Am Freitag stellten die beteiligten Firmen diese vor. Mit dabei waren unter anderem Vertreter der Deutschen Bahn (DB), von MAN, der Hochschule Fresenius und der Firma Götting. Sie alle verbinden offenbar große Hoffnungen mit dem Projekt „Autonome Innovation im Terminal Ablauf“ (Anita).

Der kombinierte Verkehr auf der Straße und Schiene werde in den kommenden Jahren weiter wachsen, betonte Martina Niemann, Vorstandsmitglied der DB Cargo. „Das Potenzial ist riesig. Dafür müssen die komplexen Abläufe in den Terminals effizienter gestaltet und beschleunigt werden“, sagte sie.

Autonom fahrende Lkws könnten dabei die „wesentliche Lösung zur Entlastung“ der bisherigen Systeme werden. Schiene und Straßen stehen dabei nicht in Konkurrenz ‐ vor allem nicht am Umschlagbahnhof in Dornstadt, wo schon heute Lkws und Güterzüge eng aufeinander abgestimmt werden, um schnellstmöglich Container zu be- und entladen.

Wo bislang die Hürden lagen

Doch genau in diesem Prozess zeichnen sich immer wieder Hürden ab, wie auch Christian T. Haas, Direktor des Instituts für komplexe Systemforschung an der Hochschule Fresenius beobachtet hat. „In der Welt vor Anita musste der Fahrer des Lkws bei Einfahrt ins Terminal einen Stapel an Papieren zum Anmeldeschalter bringen“, erzählt er. Der neue Truck kann stattdessen fast alles vorab digital erledigen. Allein damit lassen sich zehn bis 15 Minuten je Fahrt einsparen.

Und es geht noch weiter: Der Truck kann selbstständig mit GPS und anhand von Wegpunkten durch das Terminalgelände navigieren. Steht er am gewünschten Platz werden die Container verladen, der Truck sichert die Ladung automatisch und fährt dann zum nächsten Punkt, entlang der schnellsten und sinnvollsten Route.

Zumindest in der Testphase muss aber stets auch noch ein Fahrer mit im Auto sitzen, um im Notfall eingreifen zu können. Künftig soll das nicht mehr nötig sein und in weiterer Zukunft vielleicht die autonomen Lkws sogar vollständig ohne Fahrerhaus auskommen.

Wann der Truck in Serie gehen könnte

Theoretisch könnte der Fahrer die Zeit des Beladens und Entladens auch für eine Pause nutzen, doch das ist rechtlich noch nicht möglich. Zweifelsohne aber wird Arbeitszeit eingespart. Schon heute sei der Fahrermangel ein großes Thema, betont Martina Niemann von der Deutschen Bahn. Auch hier kann der Truck Abhilfe schaffen.

Das erste Projekt ist nun abgeschlossen. Bis die Lkws dann aber in Serie gehen, dürften nochmals einige Jahre vergehen. Ab 2030 wäre das denkbar, glaubt Frederik Zohm, Vorstandsmitglied bei MAN Truck und Bus. Erst in einem weiteren Schritt könnte dann auch das autonome Fahren auf der Autobahn und schließlich auch im Stadtverkehr erforscht werden.

Wie das Projekt finanziert wurde

Am Umschlagbahnhof in Ulm-Dornstadt gibt es heute bereits mehr als 100.000 Umschläge jedes Jahr. Voraussichtlich in drei bis vier Jahren soll mit dem Bau eines neuen Terminal-Moduls begonnen werden, das dann ebenfalls nahezu autonom arbeiten soll. Die Forschung geht weiter, betont auch Christian T. Haas von der Hochschule Fresenius.

Finanziert wurde das Projekt auch aus Steuergeldern mit einer Förderung vom Bundeswirtschaftsministerium mit rund 5,5 Millionen Euro.

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