Dauergast in der Radarfalle

Lüneburg. Rund 700 000 Euro hat der Landkreis Lüneburg im vergangenen Jahr mit seinen bis dahin sechs stationären Blitzeranlagen eingenommen. Einer seiner treuesten Kunden kommt ausgerechnet aus dem hiesigen Landkreis. „Den Blitzer kennt doch jeder, ich war wahrscheinlich noch nicht richtig wach“, seufzte der Berufskraftfahrer jetzt vor dem Lüneburger Amtsgericht. Er hat Einspruch eingelegt gegen den jüngsten Bußgeldbescheid des Landkreises.

Mit Tempo 113 war der 54-jährige mit seinem Kleintransporter am frühen Morgen des 10. Juli 2019 auf der B 209 hinter Amelinghausen in die Radaranlage gefahren, erlaubt sind hier nur 80 km/h. Die 140 Euro Strafe hätte er wohl noch akzeptiert, doch da es in kurzer Zeit schon der dritte Vorfall war, verhängte der Landkreis auch einen Monat Fahrverbot. Das versuchte der Fahrer nun vor dem Amtsgericht abzuwenden.

Kleintransporter in „Schwingungen“?

Dass die Richterin bei dem Wiederholungstäter Entgegenkommen zeigen würde, war vorab eher zweifelhaft. Und so hatte der Anwalt des Mannes im Vorfeld des Termins schon mal vorsorglich einige kühne Behauptungen schriftlich aufgesetzt. So ein Kleintransporter könne schon mal in „Schwingungen“ geraten, dadurch seien ja vielleicht ungenaue Messungen möglich. Richterin Reitzenstein hatte deshalb vorsorglich den zuständigen Mitarbeiter des Kreis-Ordnungsamtes als Zeugen einbestellt, doch der musste schließlich nicht aussagen. Denn schnell wurde klar, dass es hier nicht um technische Argumente geht, sondern um taktisches Feilschen in der Kernfrage: Kann man das Fahrverbot vielleicht durch eine höhere Geldbuße noch einmal umgehen?

Er brauche als Berufskraftfahrer den Führerschein, außerdem müsse er seine Lebensgefährtin jeden Monat in eine weit entfernte Augenklinik fahren, argumentierte der 54-Jährige. Die Richterin zauderte, eine existenzielle Not mochte sie bei einem Monat Fahrverbot nicht erkennen. „Sie kennen die Rechtsprechung, die ist sehr restriktiv“, sagte sie zum Anwalt. Im November 2017 war der Mann 32 km/h zu schnell, im April 2019 waren es 35 km/h. Nur drei Monate später der Blitzer bei Amelinghausen und auch das ist noch nicht die ganze Wahrheit: Denn zwischen dem Vorfall im Sommer 2019 und der Gerichtsverhandlung wurde der 54-Jährige ein weiteres Mal „fotografiert“. Am 6. September 2019.

Rekordzahlen dank neuer stationärer Blitzeranlage

Der letzte Fall aber durfte in der Verhandlung noch keine Berücksichtigung finden, so sieht es das Gesetz vor. „Es ist ein absoluter Grenzfall, denn nicht jeder Vorfall für sich bedeutet ein Fahrverbot, sondern es ist die Summe“, sagte die Richterin. Eine Umwandlung in eine Geldbuße müsse dann aber „richtig weh tun, damit sie künftig nicht mehr zu schnell fahren“. 1050 Euro netto verdient der Kraftfahrer nach eigenen Angaben, nach Abzug laufender Kosten habe er 700 Euro im Monat zum Leben. Die Richterin vervierfachte schließlich die Strafe und gab noch einen Zuschlag für den Vorfall aus dem Jahr 2017: 520 Euro musste der 44-Jährige berappen.

Möglicherweise wird es nicht der letzte Prozess in Sachen Blitzerfotos am hiesigen Amtsgericht bleiben. Der Landkreis Lüneburg vermeldet für den Beginn des neuen Jahres neue Rekordzahlen dank einer neuen stationären Blitzeranlage: Das Gerät an der Lüneburger Ortsumgehung in Höhe der Abfahrt Häcklingen hat zwischen Ende Januar und Mitte Februar bereits rund 3000 Mal ausgelöst…

Zur Quelle dieses Artikels und anderen großartigen Artikeln klick hier