Das EU-Mobilitätspaket – ein Wahnsinn mit Methode?

In Brüssel kommen bis Ende Mai 494 Änderungsanträge zur Straßengüterverkehrsinitiative im EU-Parlament zur Abstimmung. Darunter auch die VO (EG) 561/2006, die im Rahmen des angedachten Mobilitätspakets nicht nur jede Menge Chaos verursachen wird, sondern auch die Verkehrssicherheit gefährdet.

Die Ruhezeiten im Visier

Aufhänger ist der Abschnitt „In vier jeweils aufeinanderfolgenden Wochen hat der Fahrer mindestens folgende Ruhezeiten einzuhalten: vier regelmäßige wöchentliche Ruhezeiten oder zwei regelmäßige wöchentliche Ruhezeiten von mindestens 45 Stunden und zwei reduzierte wöchentliche Ruhezeiten von mindestens 24 Stunden.“

Spätestens beim wiederholten Lesen wird klar, dass die Angelegenheit einen gewaltigen Haken hat. Denn Fahrer können durch diese Verordnung zweimal hintereinander eine reduzierte Ruhezeit in der Woche nehmen. Eine Möglichkeit, von der vor allem die Fahrer aus Osteuropa Gebrauch machen werden. Dabei können Fahrer schon heute in drei Wochen auf insgesamt 146 Stunden Lenkzeit kommen – in Woche eins und drei jeweils 56 Stunden, in der zweiten Woche 34 Stunden.

Das ist vor allem in der zweiten Woche nicht wirtschaftlich, doch Hintergrund ist eine bereits existente Regelung zur Doppelwoche, die lautet: „Die summierte Gesamtlenkzeit während zweier aufeinander folgender Wochen darf 90 Stunden nicht überschreiten.“ (Artikel 6,3).

Der Vorschlag der EU ist daher als Versuch eines Kompromisses zwischen westeuropäischen Gewerkschaften und Politikern und den Fahrerverbänden aus Osteuropa zu werten. Letztere würden die Fahrer am liebsten zwei Monate nonstop durch Europa schicken.

Niemand hat wirklich Ahnung von der Transportbranche

Ende Mai soll das Europäische Parlament endgültig über die Verordnung abstimmen. Doch bis dahin ereignete sich eine Menge Wahnsinn mit Methode. Berichterstatter Wim van de Camp brachte Ende 2017 Änderungsvorschläge bei der zuständigen Kommission ein. Zwar hat der Europäisches Gerichtshof es verboten, aber das scheint nicht weiter zu interessieren: Denn fortan soll es wieder möglich sein, die wöchentliche Ruhezeit wieder direkt im LKW zu verbringen – und zwar auf speziell ausgewiesenen Sonderparkflächen.

Woher die kommen sollen, bleibt bei einem Mangel an Zigtausenden von geeigneten Parkplätzen alleine in Deutschland die große Frage. Van Camp bleibt dazu vage, spricht allerdings von leerstehenden Bundeswehrkasernen und aufgelassenen Montanflächen im Ruhrgebiet.

Das alles ist den Parlamentariern offensichtlich auch zu undurchsichtig, aktuell gibt es zum Mobilitätspaket 492 Änderungsvorschläge. Die für Lenkzeiten vorgeschlagenen Zahlen zeigen, dass scheinbar niemand wirklich eine Ahnung von der europäischen Transportbranche hat.

Der Verhandlungszeitpunkt ist entscheidend

Hat ein Fahrer auf dem Rückweg nicht mehr ausreichend Lenkzeit zur Verfügung, um zum Firmensitz zu gelangen, darf er nach einer halbstündigen Pause noch einmal zwei Stunden weiterfahren – so will es einer der Änderungsvorschläge. Ein Schelm, wer dabei Böses denkt. Denn diese Extrazeit wird sicher von manchen Unternehmen von Beginn an für die Disposition der Fahrer genutzt werden.

Nur Vorschlag 209 aus Tschechien und Portugal kann das noch übertreffen: „Die summierte Gesamtlenkzeit während vier aufeinander folgenden Wochen darf 180 Stunden nicht überschreiten.“ Das heißt im Klartext: Zweimal hintereinander können 56 Stunden gelenkt werden, damit nach weiteren 34 Stunden und zwei reduzierten Wochenruhezeiten die LKWs drei Wochen am Stück durch Europa unterwegs sein können.

Dieser Angriff auf die Lenkzeiten ist klar eine Attacke auf die Verkehrssicherheit. Experten befürchten, dass es so möglich wäre, bei zwei reduzierten Ruhezeiten dreimal in vier Wochen 56 Stunden am Stück zu fahren. Hier kann weder von einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Fahrer noch von einer gesteigerten Verkehrssicherheit die Rede sein.

Beide Punkten stehen jedoch auf der Agenda der EU. Bleibt zu hoffen, dass sich für diese Idee keine Mehrheit findet. Entscheidend ist jedoch der Zeitpunkt der Verhandlungen. Im Herbst würde die Ratspräsidentschaft bei Österreich liegen. Im Frühjahr jedoch bei Rumänien, was wenig Hoffnung macht. Fast wäre es wünschenswert, dass die alte EU-Verordnung 561/2006 mit regelmäßiger wöchentlicher Ruhezeit bleibt, bis es ein neues EU-Parlament gibt.

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