Klimawandel und Landwirtschaft: Die Zeitbombe der Nutztierhaltung
Im Kampf gegen den Klimawandel steht der europäischen Landwirtschaft ein massiver Umbruch bevor: Die Nutztierhaltung muss schrumpfen. Hierüber muss sich die Politik vorbereiten – sonst wird das Thema zur sozialen Zeitbombe. Der Kohleausstieg könnte hier Modell stehen, kommentiert Julia Dahm
In Irland hat zuletzt eine fast bizarr anmutende Nachricht hohe Wellen geschlagen: Wie der Irish Independent zuerst berichtete, erwägt die Regierung, bis zu 65.000 Milchkühe jährlich zu keulen, um die Klimaziele des Landes zu erreichen.
Das würde bedeuten, dass Milchkühe, die normalerweise fünf oder sechs Jahre lang am Leben gehalten werden, bis ihre Produktivität nachlässt, massenweise vorzeitig getötet würden, um kurzfristig die Klimabilanz des Landes zu verbessern.
Immerhin knapp 40 Prozent der irischen Treibhausgasemissionen macht die Landwirtschaft aus, vor allem durch das von Kühen ausgestoßene Methan.
Eine solche Zwangsschlachtung von Tieren wäre für die betroffenen Höfe und Regionen eine wirtschaftliche Katastrophe: Immerhin verlassen sich die Betriebe auf Einnahmen aus einer bestimmten Herdengröße, unter anderem, um hohe Investitionskosten abzustottern. Welchen sozialen Sprengstoff das Thema bietet, zeigen die Niederlande.
Auch hier muss die Regierung den Viehbestand deutlich verkleinern – in diesem Fall nicht fürs Klima, sondern um schädliche Stickstoffemissionen zu reduzieren und EU-Grenzwerte hierzu einzuhalten.
Der Versuch, dies in letzter Minute mit der Brechstange zu tun, haben jedoch zu heftigen Protesten und sogar zu Ausschreitungen aufseiten der Landwirte geführt und einen Agrarminister zum Rücktritt getrieben. Gleichzeitig konnte die Protestpartei der Landwirte, die BoerBurgerBeweging (BBB), einiges an Momentum gewinnen und bei den Regionalwahlen im März sogar die meisten Stimmen auf sich vereinigen.
Der Rest der EU kann und muss aus dem niederländischen und irischen Fall Lehren ziehen: Klima- und Umweltschutzmaßnahmen werden immer dringlicher, entsprechende Ziele strenger, und so werden viele Regionen früher oder später ihren Viehbestand reduzieren müssen.
Um es klar zu sagen: Das bedeutet nicht, dass es in Europa gar keine Viehzucht mehr geben wird oder sollte – Tiere und ihre Nebenprodukte wie Gülle spielen eine Schlüsselrolle im landwirtschaftlichen System. Es bedeutet aber, dass Höfe kleiner werden und teilweise wohl auch schließen müssen.
Diese Tatsache einzugestehen, ist unbequem, doch sie unter den Teppich zu kehren, bis es zu spät ist, macht die Sache nur noch schlimmer: Um den sozialen Sprengstoff zu entschärfen, der in dem Thema steckt, brauchen die betroffenen Landwirte und Regionen langfristige Planungssicherheit und Unterstützung.
Für den Energiesektor gibt es solche Ansätze bereits – man denke an die Pläne zum Kohleausstieg, die die meisten EU-Länder umgesetzt haben oder noch umsetzen.
Bis auf Bulgarien haben sich alle EU-Länder zu einem Ausstiegsdatum für die Kohle verpflichtet, und viele dieser Regierungen setzen, oft mit Unterstützung der EU, Maßnahmen zur Umschulung der Beschäftigten und zur Entwicklung neuer Wirtschaftszweige in den Regionen um.
Nicht alle Daten für den Kohleausstieg mögen ehrgeizig genug sein und nicht alle Unterstützungsprogramme zweckmäßig. Doch der grundlegende Ansatz des Kohleausstiegs sollte auch auf die Verkleinerung der Tierhaltung angewandt werden.
Konkret heißt das: Rechtzeitig und transparent kommunizieren, wie viel weniger Tiere es bis zu einem bestimmten Datum geben soll, und dann frühzeitig damit beginnen, die am stärksten betroffenen Regionen auf den Strukturwandel vorzubereiten.
Die gute Nachricht ist, dass die EU – zumindest theoretisch – über Mittel verfügt, um landwirtschaftlich geprägte Regionen in der Übergangsphase zu unterstützen.
Schließlich befassen sich die beiden haushaltsmäßig größten Politikbereiche der EU jeweils mit Landwirtschaft und ländlichen Räumen einerseits und mit der Förderung bestimmter Regionen andererseits: die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) und die Kohäsionspolitik.
Unter Nutzung finanzieller und fachlicher Ressourcen aus diesen beiden Bereichen könnte die EU einen Fonds einrichten, um Regionen mit hohem Viehbestand beim Strukturwandel zu unterstützen, so wie es für Kohleregionen bereits der Fall ist.
Zugegeben: Der Haushaltsrahmen der EU wird jeweils für sieben Jahre beschlossen, und ein solcher Fonds könnte wohl erst in der nächsten Haushaltsperiode ab 2028 umgesetzt werden.
Zudem werden immer wieder Stimmen laut, die bemängeln, dass das Aufgabenspektrum der GAP und des Kohäsionsfonds bereits jetzt zu umfangreich sei.
Doch gerade, weil der EU zwei große Budgetstränge zur Verfügung stehen, die speziell die Lebensfähigkeit ländlicher Räume und die regionale Kohäsion zum Ziel haben, sollte ein gut organisierter “Kuh-Ausstieg” zur Priorität werden.
Im Kampf gegen den Klimawandel steht der europäischen Landwirtschaft ein massiver Umbruch bevor: Die Nutztierhaltung muss schrumpfen. Hierüber muss sich die Politik vorbereiten – sonst wird das Thema zur sozialen Zeitbombe. Der Kohleausstieg könnte hier Modell stehen, kommentiert Julia Dahm
In Irland hat zuletzt eine fast bizarr anmutende Nachricht hohe Wellen geschlagen: Wie der Irish Independent zuerst berichtete, erwägt die Regierung, bis zu 65.000 Milchkühe jährlich zu keulen, um die Klimaziele des Landes zu erreichen.
Das würde bedeuten, dass Milchkühe, die normalerweise fünf oder sechs Jahre lang am Leben gehalten werden, bis ihre Produktivität nachlässt, massenweise vorzeitig getötet würden, um kurzfristig die Klimabilanz des Landes zu verbessern.
Immerhin knapp 40 Prozent der irischen Treibhausgasemissionen macht die Landwirtschaft aus, vor allem durch das von Kühen ausgestoßene Methan.
Eine solche Zwangsschlachtung von Tieren wäre für die betroffenen Höfe und Regionen eine wirtschaftliche Katastrophe: Immerhin verlassen sich die Betriebe auf Einnahmen aus einer bestimmten Herdengröße, unter anderem, um hohe Investitionskosten abzustottern. Welchen sozialen Sprengstoff das Thema bietet, zeigen die Niederlande.
Auch hier muss die Regierung den Viehbestand deutlich verkleinern – in diesem Fall nicht fürs Klima, sondern um schädliche Stickstoffemissionen zu reduzieren und EU-Grenzwerte hierzu einzuhalten.
Der Versuch, dies in letzter Minute mit der Brechstange zu tun, haben jedoch zu heftigen Protesten und sogar zu Ausschreitungen aufseiten der Landwirte geführt und einen Agrarminister zum Rücktritt getrieben. Gleichzeitig konnte die Protestpartei der Landwirte, die BoerBurgerBeweging (BBB), einiges an Momentum gewinnen und bei den Regionalwahlen im März sogar die meisten Stimmen auf sich vereinigen.
Der Rest der EU kann und muss aus dem niederländischen und irischen Fall Lehren ziehen: Klima- und Umweltschutzmaßnahmen werden immer dringlicher, entsprechende Ziele strenger, und so werden viele Regionen früher oder später ihren Viehbestand reduzieren müssen.
Um es klar zu sagen: Das bedeutet nicht, dass es in Europa gar keine Viehzucht mehr geben wird oder sollte – Tiere und ihre Nebenprodukte wie Gülle spielen eine Schlüsselrolle im landwirtschaftlichen System. Es bedeutet aber, dass Höfe kleiner werden und teilweise wohl auch schließen müssen.
Diese Tatsache einzugestehen, ist unbequem, doch sie unter den Teppich zu kehren, bis es zu spät ist, macht die Sache nur noch schlimmer: Um den sozialen Sprengstoff zu entschärfen, der in dem Thema steckt, brauchen die betroffenen Landwirte und Regionen langfristige Planungssicherheit und Unterstützung.
Für den Energiesektor gibt es solche Ansätze bereits – man denke an die Pläne zum Kohleausstieg, die die meisten EU-Länder umgesetzt haben oder noch umsetzen.
Bis auf Bulgarien haben sich alle EU-Länder zu einem Ausstiegsdatum für die Kohle verpflichtet, und viele dieser Regierungen setzen, oft mit Unterstützung der EU, Maßnahmen zur Umschulung der Beschäftigten und zur Entwicklung neuer Wirtschaftszweige in den Regionen um.
Nicht alle Daten für den Kohleausstieg mögen ehrgeizig genug sein und nicht alle Unterstützungsprogramme zweckmäßig. Doch der grundlegende Ansatz des Kohleausstiegs sollte auch auf die Verkleinerung der Tierhaltung angewandt werden.
Konkret heißt das: Rechtzeitig und transparent kommunizieren, wie viel weniger Tiere es bis zu einem bestimmten Datum geben soll, und dann frühzeitig damit beginnen, die am stärksten betroffenen Regionen auf den Strukturwandel vorzubereiten.
Die gute Nachricht ist, dass die EU – zumindest theoretisch – über Mittel verfügt, um landwirtschaftlich geprägte Regionen in der Übergangsphase zu unterstützen.
Schließlich befassen sich die beiden haushaltsmäßig größten Politikbereiche der EU jeweils mit Landwirtschaft und ländlichen Räumen einerseits und mit der Förderung bestimmter Regionen andererseits: die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) und die Kohäsionspolitik.
Unter Nutzung finanzieller und fachlicher Ressourcen aus diesen beiden Bereichen könnte die EU einen Fonds einrichten, um Regionen mit hohem Viehbestand beim Strukturwandel zu unterstützen, so wie es für Kohleregionen bereits der Fall ist.
Zugegeben: Der Haushaltsrahmen der EU wird jeweils für sieben Jahre beschlossen, und ein solcher Fonds könnte wohl erst in der nächsten Haushaltsperiode ab 2028 umgesetzt werden.
Zudem werden immer wieder Stimmen laut, die bemängeln, dass das Aufgabenspektrum der GAP und des Kohäsionsfonds bereits jetzt zu umfangreich sei.
Doch gerade, weil der EU zwei große Budgetstränge zur Verfügung stehen, die speziell die Lebensfähigkeit ländlicher Räume und die regionale Kohäsion zum Ziel haben, sollte ein gut organisierter “Kuh-Ausstieg” zur Priorität werden.
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