Die E-Mobilität soll sich durchsetzen, auch im Schwerverkehr. Doch der Akzeptanz batterieelektrischer Lastwagen scheinen Hindernisse entgegenzustehen. Das Bundesland Niedersachsen ruft nach dem Staat.
Niedersachsen und Bremen wollen, dass etwas gegen die schwache Nachfrage nach E-Lkw unternommen wird. Aufgrund hoher Preise und mangelnder Lademöglichkeiten, so berichtet die Landesstelle Niedersachsen und Bremen der Deutschen Presse Agentur (dpa/lni), seien elektrifizierte Schwerlaster im nordwestdeutschen Landesteil kaum vertreten. Von verschiedenen Seiten werden nun staatliche Gelder und ein zügiger Ausbau der Ladeinfrastruktur gefordert, um den alternativen Antrieb zu etablieren.
Der Bericht nennt aktuelle Zahlen des KBA (Kraftfahrt-Bundesamt): so seien aktuell in Bremen nur ganze drei Lastwagen mit Elektro-Antrieb zugelassen, die zwölf Tonnen oder mehr transportieren. „Das sind 0,8 Prozent bei insgesamt mehr als 490 Lastwagen im Schwerverkehr“. Und für ganz Niedersachsen nennt die gleiche Quelle 27 E-Lkw: „Bei mehr als 12.500 zugelassenen Fahrzeugen im Schwerverkehr mit der Nutzlast entspricht das 0,2 Prozent“.
Christian Richter vom Gesamtverband Verkehrsgewerbe Niedersachsen (GVN) meint zwar, „viele größere, aber auch kleinere Unternehmen“ würden bereits in die E-Mobilität investieren, doch noch stemmen sich manche Hindernisse dem Siegeszug der E-Mobilität entgegen. Besonders abschreckend sei für die meisten Speditionen zum Beispiel der finanzielle Aufwand: „So ein E-Lkw kostet mindestens das Doppelte eines normalen Lkw.“
Logistiker stellt um
Hellmann Logistik in Osnabrück zum Beispiel will seine Flotte elektrifizieren. Das weltweit mit 248 Niederlassungen in 61 Ländern tätige Familiennternehmen beschäftigt rund 11.700 Mitarbeiter und befördert auf allen Verkehrswegen: zu Wasser, zu Land, per Luftfracht. Seit einem Jahr wird die Umstellung auf E-Antrieb konkret in Angriff genommen und investiert: die nach eigenen Angaben für die Anschaffung eines E-Lkw fälligen rund 225.000 Euro seien allerdings nur durch eine Förderung des Bundes zu stemmen. Jonathan Adeoye von Hellmann Logistik bei der Vorstellung des Projekts in Bremen:
„Wir machen das nicht zum Spaß, sondern wir glauben, dass Nachhaltigkeit auch für langfristigen Erfolg sorgt“.
Nun enthält der Fuhrpark an elektrifizierten Lkw zwei 40-Tonner und vier 16-Tonner – was etwa fünf Prozent der eigenen Flotte entspreche. Eingesetzt werden diese in der Region zum Beispiel zwischen dem Hauptsitz in Osnabrück, dem rund 100 Kilometer entfernten Bremen und der von Osnabrück etwa 70 Kilometer entfernten niederländischen Grenze.
Eigeninitiative gefragt
Dabei kommen die Fahrzeuge je nach Witterung, Strecke und Ladung auf bis zu 350 Kilometer am Stück. Die Ladezeit „bei nahezu leerem Akku“ dauert den Angaben des Unternehmens zufolge rund 80 Minuten, wobei die Ladung nach Möglichkeit auf dem eigenen Firmengelände vorgenommen wird: „Nur im Ausnahmefall fahren wir externe Ladesäulen an, um zwischenzuladen.“
Hellmann verfügt an seinem Standort in Bremen über eine eigene „zwei Fußballfelder große“ Solaranlage auf dem Hallendach, die den Strom „selbst produziert und speichert“, so die dpa-Meldung. Dieses Konzept werde nun laut Adeoye auch auf andere Niederlassungen übertragen: Geplant ist die Ausstattung von vier weiteren Standorten mit der entsprechenden Ladeinfrastruktur. Adeoye:
„Man muss es wirklich wollen. Denn wenn man sich heute die Parkplätze anguckt, da sieht man keine Ladeinfrastruktur.“
Laut nationaler Leitstelle Ladeinfrastruktur seien in Niedersachsen gerade fünf Standorte zum Laden für E-Lkw ausgewiesen: Wulsbüttel nördlich von Bremen, nicht weit davon nordöstlich in Bremervörde, dann nahe der Grenze zu den Niederlanden die beiden Standorte Emlichheim und Rhede sowie im Osten dann Bockenem im Landkreis Hildesheim. In Bremen selbst ist eine Ladestation für E-Lkw öffentlich zugänglich.
Diese dürftige Ausganglage soll jedoch bald der Vergangenheit angehören. Das niedersächsische Verkehrsministerium kündigt laut dpa die Errichtung von 539 Schnellladepunkten „in den nächsten Jahren“ an. Dafür sind in Niedersachsen 36 Standorte vorgesehen. Eine weitere öffentliche Ladestation für das Jahr 2029 habe Bremens Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) in Aussicht gestellt – „wenn die Autobahn 281 fertiggestellt ist“. Die A 281 wird gegenwärtig südwestlich von Bremen auf einer Strecke von rund 17 Kilometern zur Umfahrung und Entlastung der Hansestadt gebaut.
Mit dem Ausbau von Lademöglichkeiten für E-Lkw ist zum Beispiel das Ladenetzwerk Milence befasst. Das Joint-Venture dreier namhafter Truckhersteller will nach eigenen Angaben den Ausbau an Ladestationen in Europa speziell für elektrifizierte Schwerlaster voranbringen. Bis 2027 sind rund 280 Ladepunkte an 71 Standorten in 10 Mitgliedsstaaten der EU geplant, in ganz Europa aktuell 1.700 öffentliche Ladepunkte.
Doch eine Herausforderung stellt laut dpa die Bereitstellung des erforderlichen Strombedarfs dar. Das Bremer Verkehrsressort, heißt es, rechne damit, dass die Betriebe vor allem daran interessiert sind, eigene Ladestationen zu errichten. Entsprechend arbeite das Land gerade an einem Konzept zur Unterstützung der Unternehmen in dieser Hinsicht – „etwa durch verfügbare Flächen und den Ausbau des Stromnetzes“.
Doch ob der erforderliche Strom zur Verfügung steht, scheint fraglich. Dpa zitiert Robert Völkl, Geschäftsführer des Vereins Bremer Spediteure:
„Die örtlichen Elektrizitätswerke könnten die notwendigen Strommengen gar nicht zur Verfügung stellen“.
Darüberhinaus könnten Jahre ins Land gehen, bis auch nur die Leitungen verlegt seien.
Planungssicherheit und mehr staatliche Förderung
Völkl verspricht sich dennoch einiges von staatlicher Unterstützung: „Wenn gezielter gefördert würde, würden Unternehmen es zumindest mal ausprobieren und einen E-Lkw anschaffen“.
In Nachbarländern werden die Zuschüsse unterschiedlich gehandhabt. So wurde zum Beispiel in Österreich unter anderem die Förderung der Fahrzeuge beibehalten. Anfang des Jahres hat dort die Spedition Hofmann & Neffe zur zügigen Stromversorgung ihrer E-Lkw-Flotte eine eigene Schnellladestation mit Trafo errichtet.
In Deutschland verweist nun das Land Niedersachsen auf den Bund und fordert mehrere Methoden zur Durchsetzung der E-Mobilität im Schwerverkehr: zunächst eine bundesweite Subventionierung zur Anschaffung von E-Lkw, parallel sollten die Ladestationen ausgebaut und die Maut für emissionsfreie Fahrzeuge weiter ausgesetzt werden. Außerdem wünscht man sich eine Strompreisbremse. Die dpa zitiert einen Sprecher des Verkehrsministeriums:
„Diese Entwicklung ist vom Bund gezielt zu steuern, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Logistikbranche zu fördern. Ein Auf und Ab der Förderinstrumente nach Haushaltslage darf sich nicht wiederholen.“
Doch beim Bundesverkehrsministerium reagiert man verhalten auf die Forderungen – die Aufwendungen scheinen zu hoch. Hendrik Haßheider, Referatsleiter für klimafreundliche Nutzfahrzeuge und Infrastruktur schloss bei einem Besuch in Bremen eine dauerhafte Förderung aus. Allerdings zeigte sich das Ministerium offen für eine weitere finanzielle Unterstützung des Ausbaus der Ladeinfrastruktur: „Das sieht ganz gut aus zurzeit“. Eine endgültige Entscheidung sei für Herbst mit Festlegung des Haushalts zu erwarten.
Trotz der unklaren Lage ermuntert das Ministerium die Speditionen, „im Sinne der Umwelt auf klimafreundliche Antriebe umzusteigen“. Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) wird mit den Worten zitiert, die Elektrifizierung des Schwerverkehrs sei ein wichtiger Baustein, um die CO2-Emissionen im Straßenverkehr zu reduzieren – „die Logistikbranche kann hier einen bedeutenden Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten.“
Nutzfahrzeuge in Europa – die Lage
Eine Auswertung des europäischen Verbands der Autohersteller Acea (Association des Constructeurs Européens d’Automobiles) in Brüssel von 30. April über das erste Quartal 2025 verzeichnet gegenüber dem Vorjahreszeitraum ganz allgemein einen Rückgang an Zulassungszahlen für Nutzfahrzeuge. Um 12,2 Prozent bei Vans beziehungsweise 16 Prozent bei Lkw im Vergleich mit dem ersten Quartal 2024. Acea gibt als Gesamtzahl neuer Lkw-Zulassungen in der EU für das erste Quartal 2025 insgesamt 72.941 Einheiten an, bei dem leichten Nutzfahrzeugen sind es rund 350.000.
Diesel-Vans mit Stand erstes Quartal 2025 kommen nun auf 82,5 und Diesel-Trucks auf 93,4 Prozent Marktanteil. Doch der elektrische Antrieb gewinnt an Bedeutung. So legten E-Vans um 5,7 Prozent zu: das bedeutet einen Marktanteil von 8,7 Prozent. Bei E-Trucks wurden diesen Angaben zufolge gegenüber dem Vorjahreszeitraum sogar um 50 Prozent mehr verkauft: das bedeutet einen aktuellen Marktanteil von 3,5 Prozent in diesem Segment – somit um 1,5 Prozent mehr als im ersten Quartal 2024. Dabei übernehmen die Niederlande mit 25 Prozent der gesamteuropäischen E-Truck-Verkäufe die Vorreiterrolle.
Bei den Bussen wurden über alle Antriebe hinweg insgesamt 8.674 Einheiten verkauft – um 1,8 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Besonders hohe Verkaufszahlen wurden mit rund 190 Prozent mehr gegenüber dem Vorjahreszeitraum jeweils in Schweden und Griechenland erzielt. Daneben scheint die Beliebtheit an batterieelektrischen Bus-Versionen deutlich zuzunehmen: mit 50,3 Prozent mehr Verkäufen beträgt der Marktanteil von E-Bussen nun rund 19,9 Prozent in Europa und stieg somit um 6,9 Prozent gegenüber dem ersten Quartal 2024 mit seinen 13 Prozent. Dabei wuchs der Anteil laut Acea in Deutschland, dem volumenstärksten Markt, sogar um 118,9 Prozent. Die größte Anzahl an E-Bus-Zulassungen wiederum weist Schweden auf: hier kamen 237 batterieelektrische Busse neu auf die Straße.
Im Bereich hybride Busvarianten dagegen gab es einen Rückgang von 28,7 Prozent auf 10,7 Prozent Marktanteil. Und entsprechend dem Anstieg an elektrifizierten Versionen wurden auch weniger Diesel-Busse gezählt: um 5,6 Prozent. Das bedeutet einen aktuellen Marktanteil von 65,9 Prozent und somit einen leichten Rückgang im Vergleich mit den 68,5 Prozent im ersten Quartal 2024.
Zum Vergleich: einer der letzten umfassenderen Berichte zum E-Lkw-Bestand unter Auswertung von Acea-Zahlen stammt vom Online-Portal electrive.net von 31. Oktober 2024. Hier werden die ersten drei Quartale 2024 zusammengefasst. Die Zahlen deuten auf „rückläufige Tendenzen“ aufgrund weggefallener Förderungen für E-Lkw und Busse mit alternativen Antrieben. Genannt werden in diesem Zeitraum in der EU 2.394 neu zugelassene E-Lkw über 16 Tonnen Gesamtmasse. „Ein Anstieg um 41 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum“, heißt es. Mit den Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA), also Liechtenstein, Norwegen und der Schweiz, komme man auf 3.087 Einheiten. Der Marktanteil an E-Lkw in Europa zu dieser Zeit wird mit 1,3 Prozent angegeben, an Diesel-Lkw mit 96,3 Prozent.