Ricardo Lange: Zu Tode behandelt? Nicht mit einer Patientenverfügung!
Unser Kolumnist ist Intensivpfleger und erlebt oft, dass todkranke Menschen aus finanziellen Gründen sinnlose Therapien ertragen müssen. Ein Fall aus Berlin.
Wir werden alle sterben. Ein unangenehmer Gedanke, nicht wahr? Aber ich kann Ihnen versichern, dass Sie da in guter Gesellschaft sind: Der Tod ist immer noch eines der größten Tabuthemen und wird oft noch allzu gerne verdrängt. Dabei brauchen wir unbedingt einen offenen und natürlichen Umgang mit dem Tod.
Ich weiß nicht, wie oft ich schon am Patientenbett gestanden habe, mit ansehen musste, wie das Leid und Sterben dieser Menschen verlängert und hinausgezögert wurde, und ich mich bei dem Gedanken erwischt habe, dass hierzulande jedes Haustier würdevoller sterben darf als so mancher Mensch. Die Gründe für dieses schwierige Dilemma sind nicht ausschließlich in dem finanziellen Druck zu suchen, der heutzutage überall im Gesundheitswesen herrscht, sondern sind auch oft persönlicher Natur.
Wie in diesem Fall: Eine Frau, noch keine 40 Jahre alt, kam mit einer schweren Blutvergiftung zu uns auf die Intensivstation. Sie lag im künstlichen Koma, musste beatmet werden, bekam literweise Infusionen und einen ganzen Batzen an Medikamenten. Die Prognose war von Anfang an schlecht, trotzdem haben wir aufgrund des jungen Alters der Patientin unser Bestes gegeben und alles, was medizinisch möglich war, ausgereizt.
Vergebens – keine Therapie schlug an. Nach und nach versagten die Organe und die Haut begann sich großflächig vom Körper abzulösen. Das war der Punkt, an dem die Ärzte den Familienangehörigen mitteilten, dass sie sich dazu entschieden haben, die Behandlung einzustellen. Diese konnten sich jedoch nicht damit abfinden und wollten, dass weiterhin alles Menschenmögliche versucht wird
Eine junge Frau leidet, die Angehörigen lenken ein
Der Körper war zu diesem Zeitpunkt schon so in Mitleidenschaft gezogen, dass der lebensnotwendige Blutdruck nur noch mit Höchstdosen des Medikamentes Noradrenalin aufrechterhalten werden konnte. Dieser Wirkstoff verengt die Blutgefäße und sorgt so dafür, dass der Blutdruck steigt. Doch die Dosis und die lange Verabreichungsdauer hatten gravierende Nebenwirkungen zur Folge: Finger, Zehen und die Nase wurden nicht mehr ausreichend durchblutet, verfärbten sich schwarz und starben nacheinander ab.
Dieser grausame Anblick hat letztendlich die Angehörigen dazu bewogen, ihre Entscheidung zu überdenken, und brachte eine Tatsache ans Licht, die uns alle schockierte – die Patientenverfügung, die uns bis dahin verschwiegen worden war. Die Patientin hätte das alles gar nicht gewollt.
Das ist bei weitem kein Einzelfall und es kommt immer wieder vor, dass Patientenverfügungen von Angehörigen unterschlagen werden, nicht rechtzeitig vorgelegt werden können oder gar nicht erst verfasst wurden. So gehört es zum medizinischen Alltag, dass Menschen, die weit über 90 Jahre alt und zum Teil schwer dement sind oder schon seit mehreren Jahren apathisch und künstlich ernährt im Bett liegen, reanimiert und noch allem ausgesetzt werden, was die moderne Intensivmedizin zu bieten hat.
Angesichts solcher Bilder muss ich kaum betonen, wie wichtig eine detaillierte Patientenverfügung ist, denn sie regelt – für den Fall, dass wir uns nicht mehr selbst äußern können –, welche medizinischen Maßnahmen in bestimmten Situationen durchgeführt oder unterlassen werden sollen. Wichtig ist, dass diese Entscheidung auch von den Angehörigen akzeptiert wird – so schwer es auch fallen mag, loszulassen.
Übertherapie ist ein ernstes Problem in der heutigen Medizin. Oft erhält der Patient nicht die für ihn sinnvollste, sondern die für die Klinik profitabelste Behandlung oder Therapie: Todkranke, bei denen eine Heilung nicht mehr möglich ist, werden noch an unzählige Maschinen angeschlossen, und auch palliative Krebspatienten erhalten in ihren letzten Lebenstagen oft noch sinnlose Chemotherapien oder Bestrahlungen, die ihre verbliebene Lebensqualität massiv beeinträchtigen. Alles nur, um noch den letzten Cent aus dem völlig erschöpften Körper herauszupressen. Geplagt von Übelkeit und Schwäche ertragen die Patienten dies in der falschen Hoffnung, dass ihnen doch noch geholfen werden kann.
Wir brauchen ein Gesundheitssystem, in dem das Wohl des Patienten wieder uneingeschränkt im Vordergrund steht. Medizinische Entscheidungen dürfen nicht länger von finanziellen Interessen beeinflusst werden. Unsere Medizin sollte dafür genutzt werden, unser Leben zu verbessern und zu erhalten, aber nicht dafür, das Leiden und Sterben eines Menschen unnötig zu verlängern.
Unser Kolumnist ist Intensivpfleger und erlebt oft, dass todkranke Menschen aus finanziellen Gründen sinnlose Therapien ertragen müssen. Ein Fall aus Berlin.
Wir werden alle sterben. Ein unangenehmer Gedanke, nicht wahr? Aber ich kann Ihnen versichern, dass Sie da in guter Gesellschaft sind: Der Tod ist immer noch eines der größten Tabuthemen und wird oft noch allzu gerne verdrängt. Dabei brauchen wir unbedingt einen offenen und natürlichen Umgang mit dem Tod.
Ich weiß nicht, wie oft ich schon am Patientenbett gestanden habe, mit ansehen musste, wie das Leid und Sterben dieser Menschen verlängert und hinausgezögert wurde, und ich mich bei dem Gedanken erwischt habe, dass hierzulande jedes Haustier würdevoller sterben darf als so mancher Mensch. Die Gründe für dieses schwierige Dilemma sind nicht ausschließlich in dem finanziellen Druck zu suchen, der heutzutage überall im Gesundheitswesen herrscht, sondern sind auch oft persönlicher Natur.
Wie in diesem Fall: Eine Frau, noch keine 40 Jahre alt, kam mit einer schweren Blutvergiftung zu uns auf die Intensivstation. Sie lag im künstlichen Koma, musste beatmet werden, bekam literweise Infusionen und einen ganzen Batzen an Medikamenten. Die Prognose war von Anfang an schlecht, trotzdem haben wir aufgrund des jungen Alters der Patientin unser Bestes gegeben und alles, was medizinisch möglich war, ausgereizt.
Vergebens – keine Therapie schlug an. Nach und nach versagten die Organe und die Haut begann sich großflächig vom Körper abzulösen. Das war der Punkt, an dem die Ärzte den Familienangehörigen mitteilten, dass sie sich dazu entschieden haben, die Behandlung einzustellen. Diese konnten sich jedoch nicht damit abfinden und wollten, dass weiterhin alles Menschenmögliche versucht wird
Eine junge Frau leidet, die Angehörigen lenken ein
Der Körper war zu diesem Zeitpunkt schon so in Mitleidenschaft gezogen, dass der lebensnotwendige Blutdruck nur noch mit Höchstdosen des Medikamentes Noradrenalin aufrechterhalten werden konnte. Dieser Wirkstoff verengt die Blutgefäße und sorgt so dafür, dass der Blutdruck steigt. Doch die Dosis und die lange Verabreichungsdauer hatten gravierende Nebenwirkungen zur Folge: Finger, Zehen und die Nase wurden nicht mehr ausreichend durchblutet, verfärbten sich schwarz und starben nacheinander ab.
Dieser grausame Anblick hat letztendlich die Angehörigen dazu bewogen, ihre Entscheidung zu überdenken, und brachte eine Tatsache ans Licht, die uns alle schockierte – die Patientenverfügung, die uns bis dahin verschwiegen worden war. Die Patientin hätte das alles gar nicht gewollt.
Das ist bei weitem kein Einzelfall und es kommt immer wieder vor, dass Patientenverfügungen von Angehörigen unterschlagen werden, nicht rechtzeitig vorgelegt werden können oder gar nicht erst verfasst wurden. So gehört es zum medizinischen Alltag, dass Menschen, die weit über 90 Jahre alt und zum Teil schwer dement sind oder schon seit mehreren Jahren apathisch und künstlich ernährt im Bett liegen, reanimiert und noch allem ausgesetzt werden, was die moderne Intensivmedizin zu bieten hat.
Angesichts solcher Bilder muss ich kaum betonen, wie wichtig eine detaillierte Patientenverfügung ist, denn sie regelt – für den Fall, dass wir uns nicht mehr selbst äußern können –, welche medizinischen Maßnahmen in bestimmten Situationen durchgeführt oder unterlassen werden sollen. Wichtig ist, dass diese Entscheidung auch von den Angehörigen akzeptiert wird – so schwer es auch fallen mag, loszulassen.
Übertherapie ist ein ernstes Problem in der heutigen Medizin. Oft erhält der Patient nicht die für ihn sinnvollste, sondern die für die Klinik profitabelste Behandlung oder Therapie: Todkranke, bei denen eine Heilung nicht mehr möglich ist, werden noch an unzählige Maschinen angeschlossen, und auch palliative Krebspatienten erhalten in ihren letzten Lebenstagen oft noch sinnlose Chemotherapien oder Bestrahlungen, die ihre verbliebene Lebensqualität massiv beeinträchtigen. Alles nur, um noch den letzten Cent aus dem völlig erschöpften Körper herauszupressen. Geplagt von Übelkeit und Schwäche ertragen die Patienten dies in der falschen Hoffnung, dass ihnen doch noch geholfen werden kann.
Wir brauchen ein Gesundheitssystem, in dem das Wohl des Patienten wieder uneingeschränkt im Vordergrund steht. Medizinische Entscheidungen dürfen nicht länger von finanziellen Interessen beeinflusst werden. Unsere Medizin sollte dafür genutzt werden, unser Leben zu verbessern und zu erhalten, aber nicht dafür, das Leiden und Sterben eines Menschen unnötig zu verlängern.
Ist nun nicht gerade das angenehmste Thema, aber ich denke, mann sollte sich wirklich damit befassen.
Habe selbst auch noch keine..........
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