Jedoch.....
Baustellen, Ausfälle, Umwege: Dauerstau auf der Schiene verärgert die Industrie
Chaos in der Logistik: Weil im Gleisnetz so viel gebaut wird, kommen Güterzüge zu spät oder fallen aus. Die Kunden der Bahn-Netzsparte sind genervt.
Berlin, Frankfurt Jes-Christian Hansen, Geschäftsführer der Habema Futtermittel GmbH in Hamburg, hat so etwas noch nicht erlebt. Seit 2012 transportiert das Unternehmen regelmäßig Futtermittel mit dem Zug – von Heidenau nach Hamburg und umgekehrt. „Das letzte halbe Jahr war nur schwer zu ertragen“, sagt er. „Ich habe einen dicken Hals.“ Von 2012 bis 2017 seien bei Habema insgesamt drei Züge ausgefallen. „Jetzt sind es jede Woche zwei bis drei Züge.“
Auch Christian Stavermann, Geschäftsführer der EGOO Eisenbahngesellschaft Ostfriesland-Oldenburg mbH, berichtet von chaotischen Zuständen. Besonders der sogenannte Regelzug aus dem Emsland nach Ludwigshafen sei ein Problem. „Sobald wir im Zielterminal mit über vier Stunden Verspätung einfahren, verpassen wir dort den Ladeslot und werden nicht mehr abgeladen. Sprich, ein kompletter Zugumlauf fällt aus.“
Es herrscht Chaos im deutschen Schienennetz. Der Grund sind die Baustellen und das damit verbundene Chaos bei der Verkehrsplanung der zuständigen DB Netz AG, einer Tochter des Bahnkonzerns. Selbst als Alleineigentümer der Deutschen Bahn hat es der Bund bislang nicht vermocht, das Netz zu modernisieren.
Seit Jahren verharrt der Anteil der Schiene am Güterverkehr bei 19 Prozent, ist zuletzt sogar auf 18 Prozent gesunken. Dabei soll er bis 2030 auf 25 Prozent steigen. Doch die Realität zeigt: Es hakt gewaltig im Güterverkehr.
So sehr, dass sich selbst die Schwestergesellschaft DB Cargo vor wenigen Tagen genötigt sah, ihre Kunden per Mail auf die „sehr angespannte betriebliche Lage im Netzwerk von DB Cargo“ hinzuweisen. Der Spagat zwischen Fahren und Bauen, um die notwendigen Sanierungen und den Ausbau der Infrastruktur voranzutreiben, stelle derzeit alle vor große Herausforderungen, heißt es in dem Schreiben. „Mit Verspätungen und Zugausfällen ist zu rechnen.“
Die Probleme, die die DB Cargo schildere, seien „nur die Spitze des Eisbergs“, sagt Habema-Geschäftsführer Hansen. Schließlich stehe DB Cargo nur für einen Marktanteil von rund 50 Prozent, der Rest entfalle auf Wettbewerber, die ebenso leiden. Nicht der Zugang der Wettbewerber zur Schiene sei das Problem, es seien die Ineffizienzen im Netz, sagt Peter Westenberger, Geschäftsführer des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen
Umleitungen über mehrere Hundert Kilometer
Züge aus Dresden nach Hamburg würden über Magdeburg und Braunschweig oder über Hildesheim, Nienburg und Rothenburg nach Hamburg umgeleitet, schildert Hansen die Situation. Statt 500 würden die Züge bis zu 750 Kilometer fahren und damit entsprechend mehr Kohlendioxid emittieren. „Das, was wir jetzt erleben, hat nichts mit Energie- oder Verkehrswende zu tun“, sagt er. Vor allem an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze staue sich der Güterverkehr – 32 Jahre nach dem Fall der Mauer.
Bei der Deutschen Bahn versucht man, die Wogen zu glätten. „Wir müssen bauen, daran führt kein Weg vorbei“, erklärt ein Sprecher auf Nachfrage. Der Bund stellt dem Bahn-Konzern für die Infrastruktur jedes Jahr Milliarden zur Verfügung, die die Tochter DB Netz verbaut. In diesem Jahr ist es die Rekordsumme von 12,7 Milliarden Euro, 2020 waren es gut zwölf Milliarden Euro.
Im vergangenen Jahr fiel der Bauboom an den Gleisen allerdings nicht so sehr auf. Wegen der Pandemie fuhren weit weniger Personenzüge als sonst. Es gab also viel Platz für die Güterzüge auf den Umleitungen. Doch in diesem Jahr wird im Personenverkehr schon wieder annähernd die normale Kapazität gefahren. Und der hat Vorfahrt.
Da Personen- und Güterzüge dasselbe Netz nutzen, kann es sehr schnell eng werden. Erst recht, wenn die dicht getaktete und ohnehin komplizierte Baustellenplanung zusätzlich durch Störungen an Signalen, Weichen oder durch Polizeieinsätze belastet wird. Dann kommt auch die Künstliche Intelligenz an ihre Grenzen, mit der DB Netz bei der Streckenplanung arbeitet.
Veraltete Infrastruktur bremst Expansionspläne
Hinzu kommt: Auch die Dateninformationen der DB Netz seien nur spärlich, beklagt Hansen. Er habe die eigenen Züge inzwischen mit GPS ausgestattet: „So wissen wir wenigstens, wo unsere Züge gerade feststecken, und können unsere Mitarbeiter informieren. Ein Schichtplan ist derzeit völlig sinnlos.“
Züge kämen nicht mehr um sechs Uhr an, sondern oft erst um 16 Uhr. Nur aufgrund der hohen Flexibilität der Mitarbeiter sei der Betrieb überhaupt noch aufrechtzuerhalten. Von Dresden nach Krefeld würde ein Zug derzeit 22 Stunden benötigen – und damit drei anstatt eines Lokführers und mehrere Loks. „Es ist nur noch Krampf“, schimpft Hansen.
EGOO-Geschäftsführer Stavermann rechnet vor, dass sein Unternehmen alleine im Oktober Umsatz in Höhe von knapp 100.000 Euro verloren hat. Ein Zug von Rotterdam nach Wien habe in der vergangenen Woche über 48 Stunden in Lohr am Main gestanden, weil der Lokführer wegen einer Baustelle Feierabend machen musste und sich einfach kein Ersatz fand. „Dadurch verdoppelte sich die Fahrzeit - und die Ladeeinheiten kamen entsprechend zwei Tage zu spät in Österreich an“, berichtet Stavermann.
„Alle wollen auf die Schiene, aber es klappt nicht“, kritisiert er. Er frage sich, wie die Politik ihr Ziel erreichen wolle, den Anteil der Schiene am Güterverkehr auf 25 Prozent zu erhöhen, wenn jetzt schon das Netz kollabiere. Wenn dann noch Personenzüge im Halbstundentakt fahren sollen, wie es im Deutschlandtakt geplant sei, werde es noch enger für die Gütertransporte. „Wie soll das alles gehen?“
Baustellen, Ausfälle, Umwege: Dauerstau auf der Schiene verärgert die Industrie
Chaos in der Logistik: Weil im Gleisnetz so viel gebaut wird, kommen Güterzüge zu spät oder fallen aus. Die Kunden der Bahn-Netzsparte sind genervt.
Berlin, Frankfurt Jes-Christian Hansen, Geschäftsführer der Habema Futtermittel GmbH in Hamburg, hat so etwas noch nicht erlebt. Seit 2012 transportiert das Unternehmen regelmäßig Futtermittel mit dem Zug – von Heidenau nach Hamburg und umgekehrt. „Das letzte halbe Jahr war nur schwer zu ertragen“, sagt er. „Ich habe einen dicken Hals.“ Von 2012 bis 2017 seien bei Habema insgesamt drei Züge ausgefallen. „Jetzt sind es jede Woche zwei bis drei Züge.“
Auch Christian Stavermann, Geschäftsführer der EGOO Eisenbahngesellschaft Ostfriesland-Oldenburg mbH, berichtet von chaotischen Zuständen. Besonders der sogenannte Regelzug aus dem Emsland nach Ludwigshafen sei ein Problem. „Sobald wir im Zielterminal mit über vier Stunden Verspätung einfahren, verpassen wir dort den Ladeslot und werden nicht mehr abgeladen. Sprich, ein kompletter Zugumlauf fällt aus.“
Es herrscht Chaos im deutschen Schienennetz. Der Grund sind die Baustellen und das damit verbundene Chaos bei der Verkehrsplanung der zuständigen DB Netz AG, einer Tochter des Bahnkonzerns. Selbst als Alleineigentümer der Deutschen Bahn hat es der Bund bislang nicht vermocht, das Netz zu modernisieren.
Seit Jahren verharrt der Anteil der Schiene am Güterverkehr bei 19 Prozent, ist zuletzt sogar auf 18 Prozent gesunken. Dabei soll er bis 2030 auf 25 Prozent steigen. Doch die Realität zeigt: Es hakt gewaltig im Güterverkehr.
So sehr, dass sich selbst die Schwestergesellschaft DB Cargo vor wenigen Tagen genötigt sah, ihre Kunden per Mail auf die „sehr angespannte betriebliche Lage im Netzwerk von DB Cargo“ hinzuweisen. Der Spagat zwischen Fahren und Bauen, um die notwendigen Sanierungen und den Ausbau der Infrastruktur voranzutreiben, stelle derzeit alle vor große Herausforderungen, heißt es in dem Schreiben. „Mit Verspätungen und Zugausfällen ist zu rechnen.“
Die Probleme, die die DB Cargo schildere, seien „nur die Spitze des Eisbergs“, sagt Habema-Geschäftsführer Hansen. Schließlich stehe DB Cargo nur für einen Marktanteil von rund 50 Prozent, der Rest entfalle auf Wettbewerber, die ebenso leiden. Nicht der Zugang der Wettbewerber zur Schiene sei das Problem, es seien die Ineffizienzen im Netz, sagt Peter Westenberger, Geschäftsführer des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen
Umleitungen über mehrere Hundert Kilometer
Züge aus Dresden nach Hamburg würden über Magdeburg und Braunschweig oder über Hildesheim, Nienburg und Rothenburg nach Hamburg umgeleitet, schildert Hansen die Situation. Statt 500 würden die Züge bis zu 750 Kilometer fahren und damit entsprechend mehr Kohlendioxid emittieren. „Das, was wir jetzt erleben, hat nichts mit Energie- oder Verkehrswende zu tun“, sagt er. Vor allem an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze staue sich der Güterverkehr – 32 Jahre nach dem Fall der Mauer.
Bei der Deutschen Bahn versucht man, die Wogen zu glätten. „Wir müssen bauen, daran führt kein Weg vorbei“, erklärt ein Sprecher auf Nachfrage. Der Bund stellt dem Bahn-Konzern für die Infrastruktur jedes Jahr Milliarden zur Verfügung, die die Tochter DB Netz verbaut. In diesem Jahr ist es die Rekordsumme von 12,7 Milliarden Euro, 2020 waren es gut zwölf Milliarden Euro.
Im vergangenen Jahr fiel der Bauboom an den Gleisen allerdings nicht so sehr auf. Wegen der Pandemie fuhren weit weniger Personenzüge als sonst. Es gab also viel Platz für die Güterzüge auf den Umleitungen. Doch in diesem Jahr wird im Personenverkehr schon wieder annähernd die normale Kapazität gefahren. Und der hat Vorfahrt.
Da Personen- und Güterzüge dasselbe Netz nutzen, kann es sehr schnell eng werden. Erst recht, wenn die dicht getaktete und ohnehin komplizierte Baustellenplanung zusätzlich durch Störungen an Signalen, Weichen oder durch Polizeieinsätze belastet wird. Dann kommt auch die Künstliche Intelligenz an ihre Grenzen, mit der DB Netz bei der Streckenplanung arbeitet.
Veraltete Infrastruktur bremst Expansionspläne
Hinzu kommt: Auch die Dateninformationen der DB Netz seien nur spärlich, beklagt Hansen. Er habe die eigenen Züge inzwischen mit GPS ausgestattet: „So wissen wir wenigstens, wo unsere Züge gerade feststecken, und können unsere Mitarbeiter informieren. Ein Schichtplan ist derzeit völlig sinnlos.“
Züge kämen nicht mehr um sechs Uhr an, sondern oft erst um 16 Uhr. Nur aufgrund der hohen Flexibilität der Mitarbeiter sei der Betrieb überhaupt noch aufrechtzuerhalten. Von Dresden nach Krefeld würde ein Zug derzeit 22 Stunden benötigen – und damit drei anstatt eines Lokführers und mehrere Loks. „Es ist nur noch Krampf“, schimpft Hansen.
EGOO-Geschäftsführer Stavermann rechnet vor, dass sein Unternehmen alleine im Oktober Umsatz in Höhe von knapp 100.000 Euro verloren hat. Ein Zug von Rotterdam nach Wien habe in der vergangenen Woche über 48 Stunden in Lohr am Main gestanden, weil der Lokführer wegen einer Baustelle Feierabend machen musste und sich einfach kein Ersatz fand. „Dadurch verdoppelte sich die Fahrzeit - und die Ladeeinheiten kamen entsprechend zwei Tage zu spät in Österreich an“, berichtet Stavermann.
„Alle wollen auf die Schiene, aber es klappt nicht“, kritisiert er. Er frage sich, wie die Politik ihr Ziel erreichen wolle, den Anteil der Schiene am Güterverkehr auf 25 Prozent zu erhöhen, wenn jetzt schon das Netz kollabiere. Wenn dann noch Personenzüge im Halbstundentakt fahren sollen, wie es im Deutschlandtakt geplant sei, werde es noch enger für die Gütertransporte. „Wie soll das alles gehen?“
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