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    Das PR-Desaster mit dem Borkumer "Vögelurlaub"

    Borkum gilt als Urlauberparadies für ältere Semester und Familien. Doch nun macht man Werbung mit einem Spruch, der eher an Ballermann erinnert. Umweltschützer fühlen sich veralbert.


    Über diese Werbekampagne streiten die Borkumer (Foto: burkana)

    Gewöhnlich bezieht Georg Lübben klar Stellung, wenn es um seine Insel geht. Poppt ein wichtiges Thema auf wie die "Syltisierung" – also den Run auf Immobilien und der damit verbundene Anstieg der Mietpreise –, nimmt der Bürgermeister von Borkum kein Blatt vor den Mund. Dann sagt er, was er denkt, spricht von "einem Riesenproblem" und fordert laut ein Gegensteuern.

    Dieser Tage verzichtet der parteilose Politiker lieber darauf, seine Meinung kundzutun. Fragt man ihn danach, was er über die neue Werbekampagne der Borkumer Marketingchefin Ina Engelleitner denkt, überlässt er die Antwort dem "Initiator der Werbemaßnahme, dem Geschäftsführer der Wirtschaftsbetriebe der Stadt Nordseeheilbad Borkum GmbH". Der wiederum delegiert die Antwort an Engelleitner. Und die verkündet – ignorierend, dass die Frage nicht an sie, sondern den Bürgermeister gerichtet war – selbstbewusst: "Da es meine Idee ist: gut, sehr gut sogar." Doch das sehen längst nicht alle so.

    Zielgruppe: junge Leute

    "Vögelurlaub macht man auf Borkum", lautet das Motto in Anzeigen, die auch in Regionalausgaben der "Bild"-Zeitung erschienen und Werbung für die 7. Zugvogeltage machen. Die Insel, umgeben vom Wattenmeer, das zum Unesco-Weltnaturerbe gehört, ist mit ihrer überaus großen Artenvielfalt populärer Treffplatz für Naturliebhaber. Nicht zuletzt deshalb gilt Borkum als Urlauberparadies für das ältere Semester und Familien mit Kindern, die es ruhig wollen und mit Ballermann-Tourismus nichts anfangen können. Woran es hapert, sind junge Leute. Und auf die zielt die neue PR-Kampagne.

    "Wir haben nicht vor, Jürgen Drews oder Willi Herren für die Zugvogeltage zu verpflichten", sagt Engelleitner an Bedenkenträger gerichtet, denen bei der Kampagne der Ballermann und nicht Tierbeobachtung in den Sinn kommt. "Wir haben sehr bewusst auf ein Wortspiel mit Augenzwinkern gesetzt, ist es doch unsere Aufgabe, das Image der Insel aufzufrischen und auch junge, neue Zielgruppen zu generieren." Auch wenn sich die Frage stellt, wer "wir" sind, wenn noch nicht einmal der Bürgermeister mitjubeln will, jedenfalls nicht öffentlich: In den sozialen Netzwerken geht die Werbung erwartungsgemäß ab.

    "Damit vögelt sich Borkum selbst"

    Doch genauso absehbar sind die Reaktionen. Ein Posting der Anzeige auf der offiziellen Facebook-Seite von Borkum ist mehr als 1000mal geteilt worden. Die Leserkommentare sind überwiegend positiv ("genialer Schachzug") – und voller Kalauer, über deren Niveau gestritten werden darf. Von "Hornythologen" und vom "richtige(n) VorSTOß" ist die Rede. Oder es heißt: "Dort, wo die hübschen Fichten nicken, fahr´n wir hin zum Vögelurlaub!" Gefragt wird: "Gibt's dann zu den Zugvögeltagen für jeden Besucher ne Viagra dazu?"

    Aber auch die Gegner des "Vögelurlaub"-Spruchs melden sich zu Wort. "Peinlich, zieht es zurück und besinnt euch auf eure Werte, kein zweites Sylt sein zu müssen", heißt es. Gewarnt wird vor "Remmidemmi-Urlaub", der "auf keinen Fall zu der bisher seriösen Insel Borkum" passe. Ein Facebook-User stellt fest: "Damit vögelt sich Borkum selbst."

    Engelleitner verweist darauf, dass mit der Anzeige bereits "mehr als zwei Millionen Menschen" erreicht worden seien. Eine solche Aufmerksamkeit sei den Zugvogeltagen noch nie zuteil geworden, sagt sie. Allerdings war das auch nicht besonders schwer. Auf Nachfrage gibt die PR-Chefin zu, dass die Zugvogeltage bisher lediglich in der "Borkumer Zeitung" (Auflage: 1900 Exemplare) beworben worden seien. "Ich bin auch sicher, dass Naturschützer und Vogelkundler Humor haben."

    Die Ornithologen sind einiges gewohnt

    Die niedersächsische Niederlassung des Naturschutzbundes Deutschland ist gar nicht amüsiert. "Wir fühlen uns veralbert. Die Anzeige hat nichts mit den eigentlichen Zugvogeltagen zu tun", sagt Sprecher Ulrich Thüre und verweist darauf, dass das Treffen der Ornithologen nur spärlich auf der offiziellen Website borkum.de angekündigt werde. Der Veranstalter des Natur-Events, der Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, spricht über die Kampagne, als ginge es um eine hochdiplomatische Angelegenheit. Sprecherin Imke Zwoch: "Viele Gemeinden nutzen von uns produzierte Anzeigenvorlagen für die jährlich stattfindenden Zugvogeltage. In diesem Fall wurde von Borkum eine eigene Anzeige erstellt."

    Vogelkundler sind derlei "Vögel(n)"-Sprüche gewohnt, werden sie doch seit Jahrzehnten damit aufgezogen. "Mit solchen Wortspielchen müssen wir deutschsprachigen Ornithologen leben. Ich rege mich darüber weder auf, noch fühle ich die Vogelkunde veralbert", meint zum Beispiel Professor Franz Bairlein, Direktor des Instituts für Vogelforschung in Wilhelmshaven. Die Deutsche Ornithologen-Gesellschaft ignoriert gleich generell Anfragen zu dem Thema.

    Mehr Touristen durch mehr Aufmerksamkeit

    Definitiv umstritten ist die Kampagne unter den Hoteliers auf Borkum. "Hören Sie mir damit auf, dazu sage ich nichts", erklärt eine Hotelbetreiberin, die weder ihren noch den Namen ihrer Herberge genannt haben will. Anders René Füllner, Direktor zweier Hotels namens "Vier Jahreszeiten". Er bestätigt: "Die einen finden es lustig, die anderen können überhaupt nicht darüber lachen." Der Ex-Berliner, der seit 16 Jahren auf Borkum lebt, "kann damit leben", da es inzwischen üblich sei, auch einmal "mit Negativwerbung zu provozieren. Ob dadurch mehr Leute kommen, ist fraglich. Aber ich glaube auch nicht, dass wir ein Ballermann-Image dadurch kriegen."

    Laut offizieller Statistik zählte Borkum 2014 knapp 2,4 Millionen Übernachtungen. Rund 280.000 Touristen blieben mindestens eine Nacht. Hinzu kamen an die 64.000 kurbeitragspflichtige Tagesgäste. Erklärtes Ziel der Insel ist, "mehr junge Leute anzusprechen, ohne jedoch unsere Stammgäste zu verärgern". So hat es Bürgermeister Lübben früher einmal formuliert. Engelleitner glaubt, wegen der starken Aufmerksamkeit im Netz hier ein Stück weiter gekommen zu sein.

    Ein Hingucker-Slogan und viele Klicks im Netz sagten nichts über tatsächliche Buchungen, erklärt Doréen Pick, Professorin für Marketing an der Freien Universität Berlin. "Insofern bleibt noch offen, ob die Kampagne ihr Ziel tatsächlich erreicht, Urlauber auf die Insel zu holen." Altbackene Wortspiele kämen ohnehin eher bei älteren Verbrauchern an. Allerdings werde "die Anzeige aber die Menschen auch nicht abstoßen, auf Borkum Urlaub zu machen".

    Außerdem habe Engelleitner erreicht, dass der Inselname vernommen werde. Wenn die Erinnerung an die Anzeige verblasse und nur der Begriff "Borkum" zurückbleibe, könnte es mittelfristig einen Touristenzuwachs bringen. Kann sein, muss aber nicht. Wie schreibt doch ein Leser auf der Facebook-Seite von Borkum: "Vögelurlaub kann man doch überall machen."

    (Quelle: Welt)
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