Ankündigung

Einklappen
Keine Ankündigung bisher.

Schimpfen wird zum Volkssport

Einklappen
X
 
  • Filter
  • Zeit
  • Anzeigen
Alles löschen
neue Beiträge

  • Schimpfen wird zum Volkssport

    Eigentlich müssten wir über Lösungen sprechen. Probleme haben wir hierzulande schließlich genug: Das Klima heizt sich auf, die Natur spielt verrückt, ein Drittel der Säugetiere ist vom Aussterben bedroht. In den Städten fehlen Wohnungen, und die verbliebenen sind zu teuer, während viele Dörfer veröden. Jeder sechste Bürger lebt in Armut, so viele wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Die Schulen bereiten Kinder nicht gut genug auf das Arbeitsleben in der digitalen Welt vor, in den Fabriken fehlen Fachkräfte und in den Altenheimen Pfleger. Behörden bis hinauf zur Bundesregierung kämpfen mit analoger Zettelwirtschaft, und immer mehr Menschen haben den Eindruck, die Entscheider verstünden die Nöte der kleinen Leute nicht mehr. Die exportabhängige Wirtschaft muss nach der Pfeife der Chinesen tanzen; wenn aus Shanghai und Shenzhen mal ein paar Tage keine Container kommen, stehen in Wolfsburg und Stuttgart die Bänder still. Und wenn es dann auch noch an irgendeinem Krisenherd auf dem Globus kracht, bleibt deutschen Außenpolitikern wenig anderes übrig, als ihre Überforderung zu beklagen.

    Probleme haben wir hierzulande genug, und in diesen wenigen Sätzen sind noch gar nicht alle aufgezählt. Woran es fehlt, sind jedoch nicht allein Lösungen. Die sind schwer genug zu finden. Es mangelt vor allem an ernsthaften Debatten über Auswege aus dem zentralen Dilemma unserer Zeit: der Komplexitätsfalle. Ob wir nun Beamte oder Angestellte, Unternehmer oder Freiberufler, Senioren oder Studenten sind: Wir alle erleben, dass die Welt immer komplizierter und unübersichtlicher wird. Alles hängt irgendwie mit allem zusammen, irgendwo ist immer Krise – und immer mehr Menschen fällt es schwer, mit dieser Komplexität umzugehen, Widersprüchlichkeiten und Konflikte auszuhalten. Seien es Corona-Regeln, Windräder oder die Kanzlerkandidaten: Man findet sie entweder richtig oder falsch, entweder alternativlos oder unzumutbar, entweder prima oder doof. Für abwägende Ansichten bleibt dazwischen kaum Platz. Viele Leute sehnen sich nach Eindeutigkeit. Sie teilen die Welt in gut oder schlecht, in schön oder hässlich, in Freund oder Feind. Ihnen fehlt das, was Sozialwissenschaftler Ambiguitätstoleranz nennen.

    Das wird zunehmend zum Problem. Eine Gesellschaft, die nicht darin geübt ist, Gegensätze und Unvereinbarkeiten auszuhalten, neigt dazu, alles bis ins kleinste Detail regeln zu wollen. So werden immer mehr Gesetze und Vorschriften erlassen – bis im bürokratischen Dschungel irgendwann niemand mehr durchblickt und jede Eigeninitiative erstirbt. Wenn die Bürger dann auch noch feststellen, dass all die Verordnungen gar nicht fruchten, dass eine Gesundheitskrise das ganze Land erschüttert, obwohl die Pandemiepläne in den Schubladen lagen, dass ein Starkregen binnen Stunden ganze Regionen zerstört, obwohl Wissenschaftler genau vor diesem Szenario gewarnt haben, dann schwindet das Vertrauen in die Problemlösungskompetenz des Staates und seiner Vertreter.

    Probleme haben wir hierzulande genug, eigentlich müssten wir öfter über Lösungen reden. Wann wäre ein geeigneterer Zeitpunkt als in einem Wahlkampf? Tiefgreifende Diskussionen über Auswege aus den Großproblemen unserer Zeit haben jedoch Seltenheitswert. Stattdessen begnügen sich viele wahlkämpfende Politiker, aber auch viele um Aufmerksamkeit kämpfende Journalisten damit, auf Floskelwellen zu surfen und dünne Bretter zu bohren. "So genau will das doch niemand wissen", heißt es dann, wenn man nach konkreten Konzepten fragt, wie Deutschland das Kunststück vollbringen will, binnen 24 Jahren komplett CO2-neutral zu werden, wie wir gleichzeitig aus der Kohle und aus der Atomkraft aussteigen wollen, ohne dabei die Basis unseres Wohlstands – der bislang auf dem Export von Autos, Maschinen und anderen Industriegütern beruht – zu gefährden.

    Irgendwie soll nun ganz schnell alles grün und elektrisch und nachhaltig werden. Das klingt toll – doch die wenigsten Leute machen sich die Mühe, sich genau anzuschauen, welche gewaltigen Anstrengungen und Umbauten in unserem Land dafür nötig sind (siehe zum Beispiel hier). Lieber beschimpft man den politischen Gegner wahlweise als Luschi oder linkslastig, lieber echauffiert man sich über irgendwann steigende Benzinpreise und applaudiert den Schlaumeiern, die sie zu deckeln versprechen, weil das im Wahlkampf für fette Schlagzeilen sorgt. Die wiederum empfindet dann auch irgendjemand als Zumutung und schwingt in den "sozialen Medien" den verbalen Knüppel.

    So ist das Schimpfen zum Volkssport geworden. Doof ist immer der, der eine andere Meinung, einen anderen Lebensstil oder mehr Privilegien hat. Und am doofsten sind "die da oben". Diskutieren wird durch Kläffen ersetzt. "Was Annalena Baerbock oder auch Armin Laschet gerade erlebt, erscheint mir grotesk. Egal, was sie machen, der Shitstorm in den sozialen Medien ist ihnen gewiss", sagt die Historikerin Hedwig Richter, die seit Jahren demokratische Prozesse erforscht und meinem Kollegen Marc von Lüpke und mir Rede und Antwort gestanden hat. "Es tötet die demokratische Diskussion ab, wenn man der Gegenseite immer gleich die böseste Absicht unterstellt. Demokratie ist keine Veranstaltung zur Volksbespaßung, sondern bedeutet harte Arbeit."

    Harte Arbeit heißt: argumentieren, moderieren, Kompromisse suchen. Wer dagegen nur Probleme beschwört und Schuldige anprangert, dreht sich irgendwann nur noch um sich selbst – und wird im globalen Ringen um Einfluss und Wohlstand abgehängt. Begibt sich die deutsche Gesellschaft dauerhaft auf diesen Weg, könnte es tatsächlich sein, dass unser schönes Land keine rosige Zukunft hat. Lassen wir es nicht so weit kommen.
    Der Artikel bringt es auf den Punkt!


    Die DDR ging unter, weil das Volk aufstand. Die BRD geht unter, weil das Volk schläft.

    Wer Olivgrün wählt, wählt Verarmung, Masseneinwanderung und Krieg!

    In der internationalen Politik geht es
    nie um Demokratie oder Menschenrechte.
    Es geht um die Interessen von Staaten.
    Merken sie sich das, egal was man Ihnen im
    Geschichtsunterricht erzählt.
    Egon Bahr

  • #2
    sieht man hier im forum. meinung ist wichtiger als tatsachen.
    Die Titanic wurde von Profis gebaut........die Arche von einem Amateur.

    Wahrheiten die niemanden verärgern sind nur halbe.

    "Wir suchen die Wahrheit, finden wollen wir sie aber nur dort, wo es uns beliebt."

    Kommentar


    • #3
      Schimpfen ist gesund für den Körper, und das Wohlbefinden des Menschen ...

      mindestens genauso wichtig wie Furzen ( Luft ablassen ) oder ??

      Kommentar


      • #4
        Herb, da muß ich dir mal recht geben....wenn ich mich mal richtig warm gewütet habe, geht es mir meist deutlich besser als vorher.....dem gegenüber allerdings meist deutlich schlechter......that's Karma.......
        Gruß Kai
        Werder Bremen-Lebenslang grün-weiß

        Lieber stehend sterben als knieend Leben (Böhse Onkelz)

        Kommentar

        Werde jetzt Mitglied in der BO Community

        Einklappen

        Online-Benutzer

        Einklappen

        232366 Benutzer sind jetzt online. Registrierte Benutzer: 19, Gäste: 232347.

        Mit 232.375 Benutzern waren am 26.04.2024 um 09:31 die meisten Benutzer gleichzeitig online.

        Ads Widget

        Einklappen
        Lädt...
        X