Gestern Abend wurde Geschichte geschrieben. Der Ölpreis – dessen Höhenflüge einst 165 Dollar pro Fass erreichten – fiel auf 0. Ja, null. Und dann unter null. Zwischenzeitlich wurden minus 37 Dollar pro Barrel erreicht. Ein Verkäufer, der sein Rohöl loswerden will, musste dafür also auch noch bezahlen. Geht nicht? Geht doch, denn was wir da sehen, ist der Beginn der Krise in der Krise.
Die gute Nachricht zuerst: Das Chaos hat Grenzen. Nicht alle Preise für Rohöl haben die Achterbahnfahrt mitgemacht, sondern nur der, mit dem vor allem eine amerikanische Sorte gehandelt wird. West Texas Intermediate heißt die schwarze Brühe, kurz WTI, und das wollte gestern nun wirklich niemand mehr haben. Denn WTI wird nicht angeliefert und bei Übergabe bezahlt, gehandelt wird stattdessen eine Art Wertpapier, ein Anrecht auf künftige Lieferungen. Damit wird gezockt wie mit spekulativen Aktien: kaufen, auf steigenden Wert hoffen, verscherbeln und Kasse machen – oder eben, wenn es schiefgeht, einen Verlust. Die Kurse dieser "Futures" sind gestern in die Tiefe gerauscht. Ölhändler hatten sich verspekuliert. Und wer sich verzockt, der muss bluten. So einfach ist das im Kapitalismus.
Nun die schlechte Nachricht: Auf dem Markt für WTI geht es drunter und drüber, weil in den USA die Öltanks bis zum Anschlag voll sind. Spätestens Mitte Mai dürfte ihre Kapazität erschöpft sein. Na gut, denken Sie, da könnte man doch einfach weniger Öl fördern? Könnte man, ja – wenn der Ölmarkt nicht von einem Klub großer Lieferanten bestimmt würde: der OPEC, den Russen und noch ein paar anderen, den USA natürlich als größtem Produzenten weltweit. Man gluckt zusammen, verhandelt über Quoten, setzt Fördermengen fest und spielt ein bisschen Planwirtschaft. Gerade erst hat der größte Dealmaker aller Zeiten (ja, der Donald) einen supertollen Superkompromiss eingefädelt, bei dem die Russen und die Saudis die Ölpumpe langsamer laufen lassen. Gestern ist klar geworden, wie sehr sich die Herrschaften am Verhandlungstisch verheddert haben: Immer noch rauscht viel zu viel schwarzes Gold, Pardon: schwarzer Ramsch, in die Raffinerien.
So laufen trotz gedrosselter Produktion die Lager voll, weil in Krisenzeiten niemand noch mehr Öl braucht. Die Räder stehen still, die Fabrikschlote rauchen nicht mehr. Nun mag man einen kurzen Gedanken an die positiven Effekte für die Umwelt hegen, aber der verkehrt sich schnell ins Gegenteil: Die Turbulenzen auf dem Ölmarkt sind die Vorboten eines Sturms, der bald durch die Weltwirtschaft fegen wird. Ziehen wir uns warm an.
t-online
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