Dänisches Programm für Dschihadisten
http://www.tagesschau.de/ausland/dsc...emark-101.html
Nach den Anschlägen von Paris wird nun in vielen Ländern diskutiert, wie man sich besser vor Terrorismus schützen kann. Während vielerorts der Ruf nach schärferen Gesetzen laut wird, schlägt man im dänischen Århus einen anderen Weg ein: Nicht mit Härte, sondern mit einem Wiedereingliederungsprogramm will man dort den ehemaligen "Gotteskämpfern" begegnen. Zurück in die Gesellschaft – und, so hofft man, weg vom Extremismus.
Von Randi Häussler, zzt. ARD-Hörfunkstudio Stockholm
In einem Propaganda-Video des "Islamischen Staates" schießen dänische IS-Kämpfer auf Bilder von dänischen Politikern. Es sind solche Bilder, die in Dänemark Sorge bereiten. Der dänische Geheimdienst geht davon aus, dass aus dem Königreich im Norden inzwischen 110 mutmaßliche Dschihadisten nach Syrien oder in den Irak gereist sind. Etwa ein Drittel dieser Männer stammt aus Dänemarks zweitgrößter Stadt Aarhus.
Dem setzt die Stadt seit gut einem Jahr etwas entgegen: Sie will Rückkehrer aus Kampfgebieten wieder in die Gesellschaft eingliedern - und somit vermeiden, dass sie Terror in Dänemark planen oder erneut nach Syrien reisen. Den jungen Männern wird bei der Job- und Wohnungssuche geholfen, sie bekommen medizinische und psychologische Betreuung. "Ich will den Männern helfen, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Sie sollen sich orientieren können und innerhalb unseres gesellschaftlichen Rahmens ankommen“, sagt Preben Berthelsen von der Universität Aarhus. Er kümmert sich um den psychologischen Teil des Wiedereinstiegprogramms.
Anteilnahme statt Abstand
Empathie, soziale Anteilnahme und Anpassung an soziale Regeln - das seien Dinge, die für viele Rückkehrer nicht mehr selbstverständlich sind. Die Männer hätten möglicherweise Schlimmes gesehen oder getan und dadurch ihre moralische Bremse verloren. Außerdem würden sie von der dänischen Gesellschaft nach ihrer Rückkehr angstvoll auf Abstand gehalten - Umstände, die Extremismus fördern können, meint Bertelsen.
Zehn von den bislang 16 Rückkehrern haben diese Hilfe bereits in Anspruch genommen. Viele der mutmaßlichen IS-Freiwilligen hatten laut Polizei vor ihrer Abreise Verbindungen zur Grimhøjvej-Moschee in Aarhus. Dort sind auch Hassprediger aufgetreten.
Gemeindevorsteher vermittelt
Dass so viele aus seiner Moschee sich auf die Reise gemacht hätten, will Gemeindevorsteher Oussama El Saadi nur aus den Medien gehört haben. Er würde jedoch auch niemanden davon abhalten, an Kämpfen in Syrien oder im Irak teilzunehmen: "Wenn junge dänische Muslime sich dazu entschließen, ist es ihre Angelegenheit. Wir leben in einem freien Land. Da kann man machen, was man will.“
Auf der anderen Seite arbeitet El Saadi mit dem Projekt zur Wiedereingliederung zusammen und vermittelt zwischen den Rückkehrern und den Behörden. Viele werfen ihm vor, er täte das nur, um die Männer vor polizeilicher Verfolgung zu schützen.
"Man muss sich schon die Hände schmutzig machen"
Dann wäre das Projekt also möglicherweise vergebliche Liebesmüh? Aarhus‘ sozialdemokratischer Bürgermeister Jacob Bundsgaard hat jedenfalls viel Kritik für das Programm einstecken müssen. Wer als mutmaßlicher IS-Kämpfer zurückkehrt, sei ein mögliches Sicherheitsrisiko, und da würden nur härtere Gesetze helfen, sagen viele dänische Politiker.
Doch Bundsgaard ist überzeugt: "Gesetze ändern keine Haltungen und keine Motive - dieser Gedanke ist naiv. Man muss sich schon die Hände schmutzig machen, muss sie in den Boden des Extremismus hineinstecken und diese Menschen konfrontieren, auch mit harter Kritik. Wir sind naiv, wenn wir nichts tun oder allein auf die Gesetze vertrauen."
Prominente Unterstützung und ein kleiner Erfolg
Und das Aarhuser Projekt zur Wiedereingliederung bekommt auch Rückendeckung von einem, der islamistischen Terror am eigenen Leibe erfahren hat: Kurt Westergaard hatte vor zehn Jahren den Propheten Mohammed mit einer Bombe im Turban gezeichnet. Daraufhin gab es gewaltsame Proteste in Teilen der islamischen Welt. Westergaard bekam Polizeischutz und wäre dennoch 2010 um ein Haar von einem Attentäter umgebracht worden.
"Es gibt dieses wahre, aber ziemliche obszöne Sprichwort: Die Demokratie geht auch mit ihren Feinden ins Bett, nicht aus Lust, sondern aus Prinzip", sagt Westergaard. "Insofern unterstütze ich Aktionen wie dieses Programm, weil es diese Themen ans Licht bringt."
Einen Erfolg feiert das Aarhuser Programm bereits: Seitdem das Projekt begonnen hat, ist nur eine einzige Person von Aarhus aus wieder Richtung Syrien aufgebrochen.
http://www.tagesschau.de/ausland/dsc...emark-101.html
Nach den Anschlägen von Paris wird nun in vielen Ländern diskutiert, wie man sich besser vor Terrorismus schützen kann. Während vielerorts der Ruf nach schärferen Gesetzen laut wird, schlägt man im dänischen Århus einen anderen Weg ein: Nicht mit Härte, sondern mit einem Wiedereingliederungsprogramm will man dort den ehemaligen "Gotteskämpfern" begegnen. Zurück in die Gesellschaft – und, so hofft man, weg vom Extremismus.
Von Randi Häussler, zzt. ARD-Hörfunkstudio Stockholm
In einem Propaganda-Video des "Islamischen Staates" schießen dänische IS-Kämpfer auf Bilder von dänischen Politikern. Es sind solche Bilder, die in Dänemark Sorge bereiten. Der dänische Geheimdienst geht davon aus, dass aus dem Königreich im Norden inzwischen 110 mutmaßliche Dschihadisten nach Syrien oder in den Irak gereist sind. Etwa ein Drittel dieser Männer stammt aus Dänemarks zweitgrößter Stadt Aarhus.
Dem setzt die Stadt seit gut einem Jahr etwas entgegen: Sie will Rückkehrer aus Kampfgebieten wieder in die Gesellschaft eingliedern - und somit vermeiden, dass sie Terror in Dänemark planen oder erneut nach Syrien reisen. Den jungen Männern wird bei der Job- und Wohnungssuche geholfen, sie bekommen medizinische und psychologische Betreuung. "Ich will den Männern helfen, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Sie sollen sich orientieren können und innerhalb unseres gesellschaftlichen Rahmens ankommen“, sagt Preben Berthelsen von der Universität Aarhus. Er kümmert sich um den psychologischen Teil des Wiedereinstiegprogramms.
Anteilnahme statt Abstand
Empathie, soziale Anteilnahme und Anpassung an soziale Regeln - das seien Dinge, die für viele Rückkehrer nicht mehr selbstverständlich sind. Die Männer hätten möglicherweise Schlimmes gesehen oder getan und dadurch ihre moralische Bremse verloren. Außerdem würden sie von der dänischen Gesellschaft nach ihrer Rückkehr angstvoll auf Abstand gehalten - Umstände, die Extremismus fördern können, meint Bertelsen.
Zehn von den bislang 16 Rückkehrern haben diese Hilfe bereits in Anspruch genommen. Viele der mutmaßlichen IS-Freiwilligen hatten laut Polizei vor ihrer Abreise Verbindungen zur Grimhøjvej-Moschee in Aarhus. Dort sind auch Hassprediger aufgetreten.
Gemeindevorsteher vermittelt
Dass so viele aus seiner Moschee sich auf die Reise gemacht hätten, will Gemeindevorsteher Oussama El Saadi nur aus den Medien gehört haben. Er würde jedoch auch niemanden davon abhalten, an Kämpfen in Syrien oder im Irak teilzunehmen: "Wenn junge dänische Muslime sich dazu entschließen, ist es ihre Angelegenheit. Wir leben in einem freien Land. Da kann man machen, was man will.“
Auf der anderen Seite arbeitet El Saadi mit dem Projekt zur Wiedereingliederung zusammen und vermittelt zwischen den Rückkehrern und den Behörden. Viele werfen ihm vor, er täte das nur, um die Männer vor polizeilicher Verfolgung zu schützen.
"Man muss sich schon die Hände schmutzig machen"
Dann wäre das Projekt also möglicherweise vergebliche Liebesmüh? Aarhus‘ sozialdemokratischer Bürgermeister Jacob Bundsgaard hat jedenfalls viel Kritik für das Programm einstecken müssen. Wer als mutmaßlicher IS-Kämpfer zurückkehrt, sei ein mögliches Sicherheitsrisiko, und da würden nur härtere Gesetze helfen, sagen viele dänische Politiker.
Doch Bundsgaard ist überzeugt: "Gesetze ändern keine Haltungen und keine Motive - dieser Gedanke ist naiv. Man muss sich schon die Hände schmutzig machen, muss sie in den Boden des Extremismus hineinstecken und diese Menschen konfrontieren, auch mit harter Kritik. Wir sind naiv, wenn wir nichts tun oder allein auf die Gesetze vertrauen."
Prominente Unterstützung und ein kleiner Erfolg
Und das Aarhuser Projekt zur Wiedereingliederung bekommt auch Rückendeckung von einem, der islamistischen Terror am eigenen Leibe erfahren hat: Kurt Westergaard hatte vor zehn Jahren den Propheten Mohammed mit einer Bombe im Turban gezeichnet. Daraufhin gab es gewaltsame Proteste in Teilen der islamischen Welt. Westergaard bekam Polizeischutz und wäre dennoch 2010 um ein Haar von einem Attentäter umgebracht worden.
"Es gibt dieses wahre, aber ziemliche obszöne Sprichwort: Die Demokratie geht auch mit ihren Feinden ins Bett, nicht aus Lust, sondern aus Prinzip", sagt Westergaard. "Insofern unterstütze ich Aktionen wie dieses Programm, weil es diese Themen ans Licht bringt."
Einen Erfolg feiert das Aarhuser Programm bereits: Seitdem das Projekt begonnen hat, ist nur eine einzige Person von Aarhus aus wieder Richtung Syrien aufgebrochen.
Kommentar