"Es wird alles gestohlen"
Planenschlitzer und Frachtguträuber sind unterwegs. In NRW haben es Diebe zunehmend auf die Ladungen von Lastkraftwagen abgesehen. Doch nicht nur teure Produkte werden geklaut, sondern auch Lebensmittel. Der WDR hat mit einem Experten über dieses Problem gesprochen.
Diebe haben es auf die Wagenladungen von Lastkraftwagen abgesehen.
Foto: WDR/Sträter
Der Schaden geht in die Milliarden. Immer öfter haben es Diebe auf das Transportgut von Speditionslastwagen abgesehen. Mit Cuttermessern werden LKW-Planen auf Rastplätzen aufgeschlitzt, um dann ganze Wagenladungen zu stehlen. Diebe schleichen aber auch in Speditionsbörsen oder Lager. Nach Angaben von Tapa, einer weltweit agierenden Vereinigung für Sicherheitsvorkehrungen im Transport, sind in Deutschland im vergangenen Jahr 285 Diebstähle erfasst worden. Nordrhein-Westfalen nimmt mit alleine 82 Vorfällen dabei einen traurigen Spitzenplatz ein. Insgesamt ereigneten sich im Jahr 2014 etwa 42,5 Prozent mehr Diebstähle von LKW-Fracht als im Vorjahr. Der WDR hat mit Tapa-Vorstand Michael Wortmann über das Problem gesprochen und wie sich Spediteure gegen Diebstahl schützen können.
WDR: Herr Wortmann, Nordrhein-Westfalen belegt den Spitzenplatz beim Diebstahl von Wagenladungen. Welche Ursachen könnte das haben?
Michael Wortmann: Das hat verschiedene Gründe, die da zum Tragen kommen. Nordrhein-Westfalen ist ein Transitland, wir haben sowohl die Nord-Süd-Strecken als auch die Ost-West-Strecken. Hinzu kommt, dass NRW mit 17 Millionen Einwohnern ein Ballungsraum mit einem entsprechenden Wirtschaftspotenzial ist. Es wird alles durch NRW transportiert, was man zu Geld machen kann. Hier sind interessante Industrien angesiedelt. Hinzu kommen der Grenzverkehr in die Niederlande oder nach Belgien.
WDR: Auf welche Waren und Produkte haben es die Diebe besonders abgesehen? Dabei wird es sich wohl kaum um Gläser mit Schokoaufstrich handeln.
Wortmann: Da wird alles gestohlen, was sich zu Geld machen lässt. Die Diebstähle konzentrieren sich nicht nur auf hochwertige Waren. Auch Bekleidung, Schuhe, Lebensmittel. Das können auch Paletten mit Schokoaufstrich sein, ja. Oder auch Getränke: Im Juli 2014 ist in einem Lagerhaus in Krefeld zum Beispiel 300.000 Liter Bier geklaut worden. In Süddeutschland sind zwei Lastkraftwagen mit Schokoladenkeksen weggekommen. Zwei Lkw Schokoladenkekse, das sind 400.000 Euro Warenwert. Ein anderes Beispiel wäre ein kompletter Lkw mit Rasierklingen, da sind Millionenwerte drauf. Auf den Klingen sind keine Seriennummern und die kann jeder gebrauchen. Bei einigen Produkten geht es über die Masse, denn die Produkte lassen sich über die Schwarzmärkte einschieben. Für die organisierte Kriminalität sind alle Produkte interessant, die zu Geld zu machen sind.
WDR: Wie können Spediteure verhindern, dass die Ladungen geklaut werden? Wie
viel Aufwand ist da nötig, um die "rollenden Tresore" zu schützen?
Wortmann: Die Sicherheit beginnt bei der Auswahl der Route und des richtigen Equipments. Möglicherweise ist – je nach Frachtgut und Route – auch ein zweiter Fahrer nötig. Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten, sich zu schützen. Transportunternehmen sollten sich von Spezialisten oder Verbänden beraten lassen und auch bei den Mitarbeitern ein Bewusstsein für das Thema entwickeln. Für Unternehmen ist auch aber auch wichtig, sorgfältig bei der Mitarbeiterauswahl zu sein. Denn nicht selten sind bei Straftaten auch die eigenen Mitarbeiter involviert. Oft sind Insiderinformationen im Spiel.
WDR: In den Niederlanden werden seit dem Jahr 2007 die Autobahnraststätten mit Videoüberwachung ausgestattet, die direkt an die Sicherheitssysteme von Polizei oder Sicherheitsfirmen gekoppelt sind. Anscheinend wirkt das Programm mit dem Namen "CrimiNee". Denn Holland hat seine bisherige Spitzenposition in diesem Jahr an Deutschland übergeben. Gehört eine solche Überwachungsstrategie denn auch zu Forderungen ihres Verbandes?
Wortmann: Das niederländische Projekt zwischen Rotterdam und Venlo ist schon ein Unikat. Wir können Deutschland aber nicht mit den Niederlanden vergleichen. Ein Grundproblem ist, dass es in Deutschland einfach an Rastplätzen fehlt. Die Tapa setzt sich dafür ein, Parkplätze auszubauen und ein Bewusstsein auch für gesicherte Parkplätze zu entwickeln. Dafür muss sicherlich Geld in die Hand genommen werden. Transporte sollten vor allem sicher sein, nicht nur billig. Da ist auch die Politik gefordert.
(Quelle: WDR)
Sendetermin: 4.5.2015, 21:00 Uhr, WDR-Fernsehen
Planenschlitzer und Frachtguträuber sind unterwegs. In NRW haben es Diebe zunehmend auf die Ladungen von Lastkraftwagen abgesehen. Doch nicht nur teure Produkte werden geklaut, sondern auch Lebensmittel. Der WDR hat mit einem Experten über dieses Problem gesprochen.
Diebe haben es auf die Wagenladungen von Lastkraftwagen abgesehen.
Foto: WDR/Sträter
Der Schaden geht in die Milliarden. Immer öfter haben es Diebe auf das Transportgut von Speditionslastwagen abgesehen. Mit Cuttermessern werden LKW-Planen auf Rastplätzen aufgeschlitzt, um dann ganze Wagenladungen zu stehlen. Diebe schleichen aber auch in Speditionsbörsen oder Lager. Nach Angaben von Tapa, einer weltweit agierenden Vereinigung für Sicherheitsvorkehrungen im Transport, sind in Deutschland im vergangenen Jahr 285 Diebstähle erfasst worden. Nordrhein-Westfalen nimmt mit alleine 82 Vorfällen dabei einen traurigen Spitzenplatz ein. Insgesamt ereigneten sich im Jahr 2014 etwa 42,5 Prozent mehr Diebstähle von LKW-Fracht als im Vorjahr. Der WDR hat mit Tapa-Vorstand Michael Wortmann über das Problem gesprochen und wie sich Spediteure gegen Diebstahl schützen können.
WDR: Herr Wortmann, Nordrhein-Westfalen belegt den Spitzenplatz beim Diebstahl von Wagenladungen. Welche Ursachen könnte das haben?
Michael Wortmann: Das hat verschiedene Gründe, die da zum Tragen kommen. Nordrhein-Westfalen ist ein Transitland, wir haben sowohl die Nord-Süd-Strecken als auch die Ost-West-Strecken. Hinzu kommt, dass NRW mit 17 Millionen Einwohnern ein Ballungsraum mit einem entsprechenden Wirtschaftspotenzial ist. Es wird alles durch NRW transportiert, was man zu Geld machen kann. Hier sind interessante Industrien angesiedelt. Hinzu kommen der Grenzverkehr in die Niederlande oder nach Belgien.
WDR: Auf welche Waren und Produkte haben es die Diebe besonders abgesehen? Dabei wird es sich wohl kaum um Gläser mit Schokoaufstrich handeln.
Wortmann: Da wird alles gestohlen, was sich zu Geld machen lässt. Die Diebstähle konzentrieren sich nicht nur auf hochwertige Waren. Auch Bekleidung, Schuhe, Lebensmittel. Das können auch Paletten mit Schokoaufstrich sein, ja. Oder auch Getränke: Im Juli 2014 ist in einem Lagerhaus in Krefeld zum Beispiel 300.000 Liter Bier geklaut worden. In Süddeutschland sind zwei Lastkraftwagen mit Schokoladenkeksen weggekommen. Zwei Lkw Schokoladenkekse, das sind 400.000 Euro Warenwert. Ein anderes Beispiel wäre ein kompletter Lkw mit Rasierklingen, da sind Millionenwerte drauf. Auf den Klingen sind keine Seriennummern und die kann jeder gebrauchen. Bei einigen Produkten geht es über die Masse, denn die Produkte lassen sich über die Schwarzmärkte einschieben. Für die organisierte Kriminalität sind alle Produkte interessant, die zu Geld zu machen sind.
WDR: Wie können Spediteure verhindern, dass die Ladungen geklaut werden? Wie
viel Aufwand ist da nötig, um die "rollenden Tresore" zu schützen?
Wortmann: Die Sicherheit beginnt bei der Auswahl der Route und des richtigen Equipments. Möglicherweise ist – je nach Frachtgut und Route – auch ein zweiter Fahrer nötig. Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten, sich zu schützen. Transportunternehmen sollten sich von Spezialisten oder Verbänden beraten lassen und auch bei den Mitarbeitern ein Bewusstsein für das Thema entwickeln. Für Unternehmen ist auch aber auch wichtig, sorgfältig bei der Mitarbeiterauswahl zu sein. Denn nicht selten sind bei Straftaten auch die eigenen Mitarbeiter involviert. Oft sind Insiderinformationen im Spiel.
WDR: In den Niederlanden werden seit dem Jahr 2007 die Autobahnraststätten mit Videoüberwachung ausgestattet, die direkt an die Sicherheitssysteme von Polizei oder Sicherheitsfirmen gekoppelt sind. Anscheinend wirkt das Programm mit dem Namen "CrimiNee". Denn Holland hat seine bisherige Spitzenposition in diesem Jahr an Deutschland übergeben. Gehört eine solche Überwachungsstrategie denn auch zu Forderungen ihres Verbandes?
Wortmann: Das niederländische Projekt zwischen Rotterdam und Venlo ist schon ein Unikat. Wir können Deutschland aber nicht mit den Niederlanden vergleichen. Ein Grundproblem ist, dass es in Deutschland einfach an Rastplätzen fehlt. Die Tapa setzt sich dafür ein, Parkplätze auszubauen und ein Bewusstsein auch für gesicherte Parkplätze zu entwickeln. Dafür muss sicherlich Geld in die Hand genommen werden. Transporte sollten vor allem sicher sein, nicht nur billig. Da ist auch die Politik gefordert.
(Quelle: WDR)
Sendetermin: 4.5.2015, 21:00 Uhr, WDR-Fernsehen
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