Deutschland feiert den 99-Cent-Moment
Es ist tatsächlich passiert. An den ersten deutschen Tankstellen kostet der Liter Diesel weniger als einen Euro. Millionen Autofahrer fragen sich: Beginnt damit ein neues Zeitalter an der Zapfsäule?
Um 16.21 Uhr war es so weit. In der Hamburger Straße 100 in Elmshorn erlebten Autofahrer ihren 99-Cent-Moment. Wer am späten Nachmittag an die Nordoel-Tankstelle fuhr, um seinen Wagen mit Diesel zu betanken, tat das für weniger als einen Euro pro Liter.
Sechs Jahre lang gab es das an deutschen Tankstellen nicht mehr. Im Januar 2009 konnten die Deutschen ihren mobilen Stolz zum letzten Mal für weniger als einen Euro je Liter betanken. Der kollabierende Rohölpreis hat die Zeitenwende an der Zapfsäule möglich gemacht. Seit Sommer vergangenen Jahres hat sich der Energieträger um mehr als 60 Prozent verbilligt. Kostete das Fass vor sechs Monaten noch rund 117 Dollar, sind es inzwischen nur mehr 45 Dollar.
Seit Allzeithoch um ein Drittel verbilligt
Selbst der fallende Euro konnte den Preisrutsch beim Diesel unter die Ein-Euro-Marke nicht verhindern. Hätte sich die Gemeinschaftswährung nicht in den vergangenen Wochen um mehr als 15 Prozent abgeschwächt, wäre der 99-Cent-Moment bereits ein Weihnachtsgeschenk gewesen.
Ob aus dem aktuellen Tiefstpreis ein langdauernder Trend mit durchschnittlich unter einem Euro liegenden Preisen wird, ist zwar heute noch nicht absehbar. Allerdings gehen Experten davon aus, dass Dieselpreise von 1,30 Euro und darüber, wie sie noch vor kurzem an der Anzeigentafel standen, der Vergangenheit angehören.
Allein seit Oktober haben sich die Dieselpreise im Durchschnitt um zehn Prozent verbilligt. Vom Allzeithoch hat sich der Literpreis sogar um ein Drittel verbilligt. Eine Tankfüllung von 60 Liter kostet damit 30 Euro weniger als noch im Herbst 2012.
Gewinnmarge für Konzerne kann sich sehen lassen
Doch Verbraucher werden nicht rund um die Uhr in den Genuss der 99 Cent kommen. Denn die Tankstellenpreise schwanken seit einigen Monaten so stark wie seit Jahren nicht: Unterschiede von bis zu 20 Cent an ein und demselben Tag sind Normalität, morgens ist Tanken viel teurer als spätnachmittags.
Autofahrer haben diese neue Preispolitik der Ölkonzerne erkannt und richten ihren Tankstellenbesuch oftmals danach aus. "Punktuell gibt es solche Niedrigstpreise. Aber die Volatilität ist derzeit besonders groß", sagte Jürgen Albrecht, verkehrspolitischer Sprecher des ADAC.
Dabei könnten die Dieselpreise längst flächendeckend unter einem Euro liegen. Das legen zumindest die Rohstoffkosten nahe. Addiert man sämtliche Bestandteile sowie die Dieselsteuer von 47,04 Cent je Liter sowie die Mehrwertsteuer zusammen, kommt man auf einen Preis von gut 90 Cent.
Zwar muss auch noch der Tankstellenpächter bezahlt werden, der zwischen einem und drei Cent erhält. Dennoch bleibt eine auskömmliche Gewinnmarge für die Unternehmen.
Rohölpreis und Euro-Kurs sind wichtigste Faktoren
Viel weiter nach unten kann der Dieselpreis allerdings nicht in den Keller gehen. Denn bei einem Euro je Liter Diesel kassiert der Staat derzeit fast 66 Cent an Mineralölsteuer und Mehrwertsteuer. Die erste Steuer ist ein fester Betrag, die zweite Abgabe macht derzeit 19 Prozent des Verkaufspreises aus und ändert sich in der Summe je nach Tagespreis. Die restlichen knapp 34 Cent des Dieselpreises bis zur Ein-Euro-Grenze decken also sämtliche Kosten ab: für das Produkt an der Raffinerie, die Logistik, den Vertrieb bis hin zur Pächterprovision.
Die Frage, ob er jetzt so tief bleibt, können und wollen Energie-Analysten nicht beantworten. Allerdings sprechen einige Fakten dafür, dass es mit dem Ölpreis zumindest nicht noch viel weiter nach unten geht.
Die Energiepreiszyklen haben sich deutlich verkürzt. Das hängt mit der neuen Fördertechnologie zusammen, dem Fracking. Es sorgt dafür, dass der Großteil des Öls bereits in den ersten Monaten gefördert werden kann. So kam es zu dem historischen Überangebot aus Amerika. Die USA fördern inzwischen mehr von dem schwarzen Gold als Saudi-Arabien, dem jahrelangen Weltmarktführer.
Doch genauso, wie das Angebot innerhalb kurzer Zeit wachsen kann, kann es auch "versiegen". In den USA schrumpfen die Lagerbestände derzeit rapide, da sich eine Förderung für viele Konzerne bei dem aktuell so niedrigen Preisniveau nicht lohnt. Die Folge dieser Ausfälle könnten sich schnell wieder erhöhende Notierungen sein – die die Spritpreise wieder nach oben katapultieren.
Beim Benzin ist die Ein-Euro-Grenze kaum zu knacken
Für die Fahrer der knapp 30 Millionen Benziner-Pkw besteht ohnehin wenig Hoffnung auf einen 99-Cent-Moment. Denn die Sorte Super E10 kostet derzeit rund 16 Cent mehr als der Dieselkraftstoff. Der Grund für den Unterschied liegt in der Mineralölsteuer. Diesel wird mit gut 47 Cent deutlich geringer belastet als Benzin. Dies geht auf eine Zeit deutscher Wirtschaftspolitik zurück, als den Speditionen und dem Gewerbe Vorteile verschafft werden sollten. Für das Benzin heißt das jedoch: Hier beträgt die Mineralölsteuer gut 65 Cent.
Ganz unmöglich ist die Ein-Euro-Grenze dennoch nicht. Theoretisch müsste der Ölpreis – bei konstantem Euro-Dollar-Kurs – dafür auf rund 25 Dollar je Barrel sinken. Das war zuletzt vor zwölf Jahren der Fall.
Wird jetzt eine neue Autolawine durch Deutschland rollen? "Ich bezweifle, dass wegen der günstigen Tankstellenpreise viel mehr gefahren wird. Wir beobachten seit Jahren eine unelastische Nachfrage", sagte ADAC-Manager Albrecht. Das heißt: Die meisten Deutschen können auf das Autofahren nicht verzichten, egal, wie teuer Benzin und Diesel sind. Den 99-Cent-Moment werden sie aber dennoch genießen.
(Quelle: Die Welt)
Es ist tatsächlich passiert. An den ersten deutschen Tankstellen kostet der Liter Diesel weniger als einen Euro. Millionen Autofahrer fragen sich: Beginnt damit ein neues Zeitalter an der Zapfsäule?
Um 16.21 Uhr war es so weit. In der Hamburger Straße 100 in Elmshorn erlebten Autofahrer ihren 99-Cent-Moment. Wer am späten Nachmittag an die Nordoel-Tankstelle fuhr, um seinen Wagen mit Diesel zu betanken, tat das für weniger als einen Euro pro Liter.
Sechs Jahre lang gab es das an deutschen Tankstellen nicht mehr. Im Januar 2009 konnten die Deutschen ihren mobilen Stolz zum letzten Mal für weniger als einen Euro je Liter betanken. Der kollabierende Rohölpreis hat die Zeitenwende an der Zapfsäule möglich gemacht. Seit Sommer vergangenen Jahres hat sich der Energieträger um mehr als 60 Prozent verbilligt. Kostete das Fass vor sechs Monaten noch rund 117 Dollar, sind es inzwischen nur mehr 45 Dollar.
Seit Allzeithoch um ein Drittel verbilligt
Selbst der fallende Euro konnte den Preisrutsch beim Diesel unter die Ein-Euro-Marke nicht verhindern. Hätte sich die Gemeinschaftswährung nicht in den vergangenen Wochen um mehr als 15 Prozent abgeschwächt, wäre der 99-Cent-Moment bereits ein Weihnachtsgeschenk gewesen.
Ob aus dem aktuellen Tiefstpreis ein langdauernder Trend mit durchschnittlich unter einem Euro liegenden Preisen wird, ist zwar heute noch nicht absehbar. Allerdings gehen Experten davon aus, dass Dieselpreise von 1,30 Euro und darüber, wie sie noch vor kurzem an der Anzeigentafel standen, der Vergangenheit angehören.
Allein seit Oktober haben sich die Dieselpreise im Durchschnitt um zehn Prozent verbilligt. Vom Allzeithoch hat sich der Literpreis sogar um ein Drittel verbilligt. Eine Tankfüllung von 60 Liter kostet damit 30 Euro weniger als noch im Herbst 2012.
Gewinnmarge für Konzerne kann sich sehen lassen
Doch Verbraucher werden nicht rund um die Uhr in den Genuss der 99 Cent kommen. Denn die Tankstellenpreise schwanken seit einigen Monaten so stark wie seit Jahren nicht: Unterschiede von bis zu 20 Cent an ein und demselben Tag sind Normalität, morgens ist Tanken viel teurer als spätnachmittags.
Autofahrer haben diese neue Preispolitik der Ölkonzerne erkannt und richten ihren Tankstellenbesuch oftmals danach aus. "Punktuell gibt es solche Niedrigstpreise. Aber die Volatilität ist derzeit besonders groß", sagte Jürgen Albrecht, verkehrspolitischer Sprecher des ADAC.
Dabei könnten die Dieselpreise längst flächendeckend unter einem Euro liegen. Das legen zumindest die Rohstoffkosten nahe. Addiert man sämtliche Bestandteile sowie die Dieselsteuer von 47,04 Cent je Liter sowie die Mehrwertsteuer zusammen, kommt man auf einen Preis von gut 90 Cent.
Zwar muss auch noch der Tankstellenpächter bezahlt werden, der zwischen einem und drei Cent erhält. Dennoch bleibt eine auskömmliche Gewinnmarge für die Unternehmen.
Rohölpreis und Euro-Kurs sind wichtigste Faktoren
Viel weiter nach unten kann der Dieselpreis allerdings nicht in den Keller gehen. Denn bei einem Euro je Liter Diesel kassiert der Staat derzeit fast 66 Cent an Mineralölsteuer und Mehrwertsteuer. Die erste Steuer ist ein fester Betrag, die zweite Abgabe macht derzeit 19 Prozent des Verkaufspreises aus und ändert sich in der Summe je nach Tagespreis. Die restlichen knapp 34 Cent des Dieselpreises bis zur Ein-Euro-Grenze decken also sämtliche Kosten ab: für das Produkt an der Raffinerie, die Logistik, den Vertrieb bis hin zur Pächterprovision.
Die Frage, ob er jetzt so tief bleibt, können und wollen Energie-Analysten nicht beantworten. Allerdings sprechen einige Fakten dafür, dass es mit dem Ölpreis zumindest nicht noch viel weiter nach unten geht.
Die Energiepreiszyklen haben sich deutlich verkürzt. Das hängt mit der neuen Fördertechnologie zusammen, dem Fracking. Es sorgt dafür, dass der Großteil des Öls bereits in den ersten Monaten gefördert werden kann. So kam es zu dem historischen Überangebot aus Amerika. Die USA fördern inzwischen mehr von dem schwarzen Gold als Saudi-Arabien, dem jahrelangen Weltmarktführer.
Doch genauso, wie das Angebot innerhalb kurzer Zeit wachsen kann, kann es auch "versiegen". In den USA schrumpfen die Lagerbestände derzeit rapide, da sich eine Förderung für viele Konzerne bei dem aktuell so niedrigen Preisniveau nicht lohnt. Die Folge dieser Ausfälle könnten sich schnell wieder erhöhende Notierungen sein – die die Spritpreise wieder nach oben katapultieren.
Beim Benzin ist die Ein-Euro-Grenze kaum zu knacken
Für die Fahrer der knapp 30 Millionen Benziner-Pkw besteht ohnehin wenig Hoffnung auf einen 99-Cent-Moment. Denn die Sorte Super E10 kostet derzeit rund 16 Cent mehr als der Dieselkraftstoff. Der Grund für den Unterschied liegt in der Mineralölsteuer. Diesel wird mit gut 47 Cent deutlich geringer belastet als Benzin. Dies geht auf eine Zeit deutscher Wirtschaftspolitik zurück, als den Speditionen und dem Gewerbe Vorteile verschafft werden sollten. Für das Benzin heißt das jedoch: Hier beträgt die Mineralölsteuer gut 65 Cent.
Ganz unmöglich ist die Ein-Euro-Grenze dennoch nicht. Theoretisch müsste der Ölpreis – bei konstantem Euro-Dollar-Kurs – dafür auf rund 25 Dollar je Barrel sinken. Das war zuletzt vor zwölf Jahren der Fall.
Wird jetzt eine neue Autolawine durch Deutschland rollen? "Ich bezweifle, dass wegen der günstigen Tankstellenpreise viel mehr gefahren wird. Wir beobachten seit Jahren eine unelastische Nachfrage", sagte ADAC-Manager Albrecht. Das heißt: Die meisten Deutschen können auf das Autofahren nicht verzichten, egal, wie teuer Benzin und Diesel sind. Den 99-Cent-Moment werden sie aber dennoch genießen.
(Quelle: Die Welt)
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