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  • Danke für die Demütigung!

    Das Bild des bösen Chefs, der seine Mitarbeiter schikaniert, hat sich überlebt - heute erniedrigen sich viele Arbeitnehmer*1 selbst, ducken sich vor Autoritätspersonen, verkaufen sich unter Wert. Im Job, hat Elena Senft beobachtet, wird schnell eine dauerhafte Duldungsstarre daraus.

    "Wo liegen Ihre persönlichen Schwächen?" - das ist die schlimmste aus dem schlimmen Kanon der typischen Fragen eines Bewerbungsgesprächs. Kann der Einstand in ein Berufsleben erniedrigender beginnen? Der Teil der Berufsanfängerschaft, der sich für clever hält, antwortet mit Sätzen wie "Ich bin zu perfektionistisch". Die anderen murmeln etwas wie "Puh, da fällt mir gerade nichts ein, aber ich habe sicher, wie alle anderen Menschen ja auch, unheimlich viele Schwächen und Fehler". Unsouveräner geht's kaum.

    Eine korrekte Antwort auf diese Frage gibt es natürlich nicht. Zumindest nicht, wenn man am Job wirklich interessiert ist. Sie wird aber auch nicht verlangt. Denn die Frage folgt rein psychosadistischen Motiven und soll dem bangen Berufsanfänger, der sich mit nassen Händchen an seinem geleimten Lebenslauf und dem Aktenkoffer mit Praktikumsbescheinigungen festklammert, einfach nur verdeutlichen, wer hier die Hosen anhat und wer das Omega-Tier des Unternehmens bleiben wird.

    Das Prozedere könnten wir uns eigentlich sparen. Denn Chefs sind heutzutage überhaupt nicht mehr darauf angewiesen zu zeigen, dass sie der Chef sind. Alle wissen es bereits, und am wenigsten würden junge Arbeitnehmer ihnen den Posten streitig machen. Bosse haben es leicht. Sie müssen nicht mehr der Buhmann sein, wenn sie dazu keine Lust haben. Sie können ihre Angestellten pseudolocker duzen, sie können sich zur richtigen Zeit nach der abklingenden Erkältung erkundigen und verlieren trotzdem nichts.

    Danke für die Chance, ich schufte auch zum Niedriglohn

    Das Bild des bösen Chefs, der seine Mitarbeiter schikaniert, hat sich überlebt. Heute übernehmen das die jungen Mitarbeiter schon ganz von allein - sie brauchen keine fremde Hilfe, um sich devot vor Autoritätspersonen zu ducken. Sie machen sich selbst das schlechte Gewissen, zu früh gegangen oder wieder nicht als erste im Büro gewesen zu sein, auch wenn der Vorgesetzte gar nichts gesagt hat.

    Ruft der Chef morgens um sieben an, wenn man noch geschlummert hat, geht man mit belegter Stimme, der man anhört, dass sie heute erstmals verwendet wird, ans Telefon und sagt: Nein, nein, nein, natürlich habe man nicht mehr geschlafen, sondern sei bereits joggen gewesen und habe längst schon die Arbeits-E-Mails gecheckt. Man schlafe eigentlich ja sowieso niemals, sondern warte höchstens.

    Berufsanfänger haben gelernt, dass jeder so tun muss, als arbeite er aus rein altruistischen Gründen. Gehalt? Unwichtig. Arbeitszeiten? Pffff. Sie haben gelernt, dass es irgendwie okay ist, ganz ohne Vertrag zu arbeiten oder entgegen allen Schwüren doch noch ein allerallerletztes Praktikum dranzuhängen. Und anschließend freuen sie sich über einen Halbjahresvertrag mit einer Bezahlung, die für die Anmietung einer eigenen Wohnung niemals reichen würde, vor der gönnerhaft dreinblickenden Restbelegschaft in Grund und Boden über diese "Chance". Aus der Ahnung heraus, dass sonst ein anderer einschlagen und bald fröhlich winkend im geleasten BMW an einem vorbeiziehen wird, während man selber im Opel Corsa*2 die Ausfahrt nicht findet.

    Ein Fleißkärtchen nach dem anderen

    Wer kann es sich heute schon leisten, einen kleinen Schritt in der vermeintlichen Karriereleiter auszulassen? Die Folge: ewige Fleißkärtchensammler. Die immer noch so tun, als sei es erfüllend, anderen beim Arbeiten über die Schulter zu gucken. Und die doch eigentlich wissen müssten, dass Über-die-Schulter-Gucken für den Guckenden langweilig und für den Beguckten lästig ist. Die geduldig eine Fleißaufgabe nach der anderen abarbeiten, nichts ablehnen und sich wundern, warum der eigene Name immer vergessen wird. Gründlich haben sie gelernt, dass jeder klein anfangen muss. Ist dann der Moment gekommen, in dem man groß sein sollte, haben diese Leute noch kein einziges Mal Verantwortung übernommen.

    Ich habe einen Freund, der die Seiten gewechselt hat. Matthias ist jetzt selbständig. Zu seiner Verblüffung hat alles blendend funktioniert: die Uni, der Start der eigenen Firma, die strategische Planung, das Selbstbewusstsein. Und auf einmal hatte er eine GmbH in zukunftsträchtigem Gewerbe und mehrere Mitarbeiter.

    Zu Beginn zwickte ihn Angst vor seiner neuen Rolle. Weil er es unangenehm findet, Menschen Aufgaben zu übertragen, wo er doch oft denkt, er habe für seinen eigenen Erfolg keine richtige Leistung erbracht, sondern nur irgendwie Glück gehabt. Er ist außerdem ein sehr netter Mensch, einer, der gemocht werden will. Und als Chef, dachte Matthias, würde er einfach von manchen Menschen nicht mehr gemocht werden. Seine Mitarbeiter würden mit den Augen rollen, nachdem er den Raum verlassen hatte. Vielleicht hätte er einen üblen Spitznamen, der auf seine Nase oder seine geringe Körpergröße anspielte. Sonntagabends würden sie mit Groll an ihn denken, weil er den Montag verkörpert.

    Ein Prosit der Genügsamkeit

    Als er seine fast gleichaltrigen Mitarbeiter zum ersten Mal fragte, ob sie nicht alle mal nach Feierabend ein Bier zusammen trinken wollen, sagten alle zu; abzusagen traute sich keiner. Nach dem zweiten Bier siezten ihn alle stoisch weiter und bestellten nur noch Apfelschorle, um ja nicht maßlos zu wirken. Ein böser Mensch musste er nicht werden, um als Chef zu bestehen.

    Als Matthias das erste Mal beim Vorstellungsgespräch auf der sonnigeren Seite saß, hatte er Mitleid. Selbstverständlich hatte der 29-jährige Bewerber nicht nach Erstattung der Anreisekosten zu fragen gewagt. Und dem ersten Gehaltsvorschlag stimmte er sofort zu, obwohl Matthias extra Raum nach oben gelassen hatte. Als wäre er erstaunt, überhaupt Geld für Arbeit zu bekommen! Auf die Erklärung des wirklich öden Teils der Aufgaben im Job reagierte er orgiastisch. Matthias stellte ihn ein.

    Der Bewerber verließ das Büro dankbar, ohne etwas über die Zahl seiner Urlaubstage zu wissen oder das Weihnachtsgeld. Dieser genügsame Angestellte verabschiedete sich später, vor seinem wohlverdienten Urlaub, bei Matthias mit den Worten, er könne im Urlaub seine Mails leider nur etwa alle zwei Tage checken, es gebe ja in Costa Rica nicht überall Internetcafés. Matthias hatte nicht vor, ihn im Urlaub zu behelligen, aber wenn er es schon anbietet ...

    Beim Vorstellungsgespräch hatte der Bewerber auf die Frage nach seiner größten persönlichen Schwäche "Hm, das müssen andere beurteilen, aber da gibt's sicher was" gemurmelt. Die ehrliche Antwort wäre gewesen: "Ich kann einfach nicht Nein sagen."

    09.09.2009 http://www.spiegel.de/unispiegel/job...647122,00.html


    *1 Uni-Abgänger
    *2 mit den unkaputtbaren Resten des "Abi 99"-Heckscheibenaufklebers

    Kommt euch sowas bekannt vor? Mir ja, ich kann mich von solchen Verhalten (als Arbeitnehmer" nicht ausnehmen. Erstaunlich oder? Hier geht es aber eigentlich nicht um Arbeitnehmer, sondern von Uni-Absolventen wie grade ihren ersten Job oder Praktikum annehmen. Und ehrlich gesagt ist mit ähnliches als Arbeitgeber auch passiert.
    "Niemand darf zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet werden."

    (2007/C 303/01 - Charta der Grundrechte der Europäischen Union)

    "Eine Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie durch eine Gewaltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um ... c) einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen."

    (2007/C 303/02 - Erläuterungen zur Charta der Grundrechte)

  • #2
    Mir kommt das sehr bekannt vor.
    Ich kenne die auch, die ewigen Ja-Sager, Fleißaufgaben-Macher, die "Bitte Chef, ich weiß was"-Sager, die Wackeldackel- Kollegen.

    Egal, ob sie ihr erstes Praktikum/ihren ersten Job annehmen oder schon jahrelang in der Firma angestellt sind. Die sind vom ersten Tag an so und das wird sich auch nach 20 Jahren nicht ändern.
    Gruß Edith :bye:

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    • #3
      Nicht Übel dieser Artikel!!!
      Ich finde jedoch,dass wir oder besser viele Fahrer nur Angst haben erwerbslos zuwerden. Klar jeder hat einen bestimmten Standart den er gern behalten möchte besonders dann wenn Familie im Spiel ist.

      Trotzdem sollte niemand sich unter Wert verkaufen. Schon gar nicht beim Vorstellungsgesoräch den Eindruck hinterlassen ich bin ja nur Arbeitnehmer.

      Ich jedenfalls tue dies nicht! Auch auf die Gefahr hin keinen Job zu bekommen.
      Zuletzt geändert von Querdenker; 13.09.2009, 15:11. Grund: Ich hab mal das Zitat rausgenommen, machte die Sache nur unnötig unübersichtlich

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      • #4
        Zitat von Unkas Beitrag anzeigen
        Ich jedenfalls tue dies nicht! Auch auf die Gefahr hin keinen Job zu bekommen.
        Ich habe mich unterm Wert verkauft. Trotzdem bin ich froh, einen Job zu haben. Gerade in den letzten Monaten.
        Gruß Edith :bye:

        Rettet die Erde - Sie ist der einzige Planet mit Schokolade!!!

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