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    Bitte nicht ganz so ernst nehmen

    Friedrich der Große, auch bekannt als „Alter Fritz“ sagte mal vor einer Schlacht zu seinen Soldaten: „Hunde, wollt ihr ewig leben“. Dieser Spruch kam mir sofort in den Sinn, als ich mich kürzlich in das Kriegsgetümmel an die Front, auf die Bundesdeutsche Autobahn gewagt hatte. Da hatte ich einen Auflieger vor mir, auf dem stand in großen Lettern geschrieben „Wir sind die Profis“.

    Die Hauptfrontlinie zieht sich in Ost-West-Richtung über die A 2, um dann über die A 7 nach Süden abzuknicken. Dazwischen toben von Zeit zu Zeit größere und auch kleinere Schlachten sowie ein paar vereinzelte Grabenkämpfe von Partisanen. Deutschland rühmt sich, ein Land zu sein, das in Sachen Logistik weltweit Spitze ist. Ich kann das nur bestätigen, zumindest was die Aufräumarbeiten nach größeren Schlachten angeht. Es liegen keine Wracks an den Straßenrändern und auch die Kollateralschäden werden umgehend beseitigt. Nichts soll den Blick des Fahrers trüben.

    In der Art der Kriegsführung hat der Fahrer von heute eine geniale Strategie entwickelt. Er ist Kriegsherr und Ordnungsmacht zugleich. Er greift ein, wenn der Pkw-Fahrer sich an Engpässen nicht zwingend an das Reißverschlußverfahren hält oder vor Staus von Pkw überholt wird. Dann zieht er auf die linke Spur, passt sich danach der Geschwindigkeit des Lkw auf der rechten Spur neben ihm an und macht dicht. Er sagt sich: „Wenn ich stehe, stehst du auch!“
    Manchmal macht er auch die Standspur dicht. Es kann doch nicht sein, dass die Pkw vor einem Stau rechts an ihm zur nächsten Ausfahrt vorbeiziehen. Mit der Gelassenheit, die einem Hobby-Sheriff zueigen ist, ignoriert er das wilde Hupkonzert der rechtswidrig fahrenden Pkw. Er ist schließlich der Profi.

    Am heftigsten tobt die Schlacht in den Bergen. Die Topographie einiger Landstriche verlangt dem Fahrer alles ab, will er nicht als Verlierer aus diesem Kampf hervorgehen. Sein Blick wandert ständig im Wechsel vom linken Außenspiegel nach vorne. Nichts entgeht seinen Adleraugen. Und schon hat er den Feind erblickt. Es ist ein Tscheche, der da vor ihm den Berg rauf kriecht. Im Krieg werden alle Überholverbote hinfällig. Wo kämen wir denn hin, wenn man sich in einer Schlacht an die Regeln halten würde. Das ist nur etwas für Schwächlinge. Ein letzter Blick in den Spiegel und die Einschätzung, daß der Pkw mit dem Wohnwagen hinten dran ihm nicht gefährlich werden kann und schon ist er draußen. Er bemerkt beim Spurwechsel noch, wie der Wohnwagen hinter ihm leicht schlingert und ignoriert selbstverständlich das wilde Hupen. Jeder ist sich selbst der nächste. Der Überholvorgang dauert auch nicht lange. Der Tscheche wird immer langsamer. Unser Krieger wirft noch einen verächtlichen Blick auf den Tschechen, als die Fahrerhäuser auf gleicher Höhe sind. Den Tschechen stört das nicht. Er ist diese Blicke gewohnt, genauso wie die hässlichen Kommentare, die er über Funk bekommt. Er versteht sie ja doch nicht, kann sich aber denken, was sie bedeuten. Dabei kann er doch nichts dafür, dass er so ein schwaches Auto fährt. Er gehört nicht zu den Profis.

    Im Flachland gestalten sich die Schlachten etwas aufwändiger. Der Bodengewinn geht hier nur zentimeterweise vonstatten, weil die Bedingungen in etwa bei allen gleich sind. Auch hier sind die richtigen Profis wieder die Gewinner. Ihre Strategie ist zwar mit einem gewissen Risiko verbunden, aber dafür sehr effektiv. Zunächst schleicht sich der Fahrer von hinten bis auf wenige Zentimeter an den Auflieger des Vordermannes an. Es ist die richtige Kampfentfernung für einen Überraschungsangriff. Natürlich bemerkt der Krieger nicht, dass vor ihm auf der Standspur ein Pannen-Lkw steht. Während er sich dem Auflieger vor ihm nähert wie weiland Siegfried dem Drachen, macht der Fahrer des Pannenfahrzeuges auf der Standspur gerade einen Hechtsprung über die Leitplanken in den Straßengraben. Lkw-Fahrer sind eben fit und durchtrainiert. Wer das nicht ist, hat auf der Autobahn nichts zu suchen. Unser Krieger registriert den Hechtsprung mit stoischer Ruhe und auch die Millimeterdifferenz zwischen seinem rechten Spiegel und dem linken Spiegel des Pannenfahrzeuges bringt ihn nicht aus der Fassung. Wie eine Schlange sich auf ihr Opfer konzentriert, verliert er sein Ziel nicht aus den Augen. Er ist schließlich der Profi.

    Und dann kommt endlich der heißersehnte Augenblick! Mit den Schlachtrufen „Attacke“ und „Tschakka, Tschakka“ zieht er links raus. Der Fuß liegt wie Blei auf dem Gaspedal. An den Beinen treten die Adern durch die Anstrengung hervor und lassen sie wie eine Landkarte aussehen. Unser Krieger hält durch. Das Gaspedal gibt nicht einen Millimeter nach. Der Überraschungsangriff war ein voller Erfolg. Zentimeter für Zentimeter holt der Krieger auf. Beide Kontrahenten schenken sich nichts und holen das letzte aus ihren Maschinen heraus. In Höhe des Fahrerhauses zeigen sich erste Schweißperlen auf der Stirn des Angreifers und die ersten Ermüdungserscheinungen wollen sich in seinem rechten Fuß einstellen. Seine Finger umklammern das Lenkrad mit einer Kraft, die das Weiße der Knöchel hervortreten lassen. Um der Ermüdung seines Fußes entgegen zu wirken, benutzt er das Lenkrad als Hebel und stemmt sich mit aller Kraft gegen das Gaspedal. Nur nicht nachlassen, denkt er, sonst ist die Schlacht verloren. Er ist schließlich ein Profi.

    Was nützt der beste Krieg und die heißeste Schlacht, wenn es keiner sieht. Beifall ist das Brot des Künstlers und das gibt es für den Angreifer reichlich. Hinter ihm hat sich eine kilometerlange Schlange seiner Fans gebildet. Man kann die Schlacht- und Anfeuerungsrufe der Fans dahinter zwar nicht verstehen, aber man sieht deutlich, wie einige mit hochrotem Kopf und erhobenem sowie wild gestikulierendem rechtem Arm irgendwelche Schlachtgesänge anstimmen. Diese sind begleitet von Hupkonzerten in allen Tonlagen.
    Man sagt, wenn es am schönsten ist, soll man aufhören. Das muss sich auch der Angreifer gesagt haben. Inmitten des tosenden Beifalls, auf dem Höhepunkt seiner Schlacht, befindet sich das Ende seines Aufliegers auf einer Linie mit der Front des Fahrerhauses seines Gegners. Angesichts des sicheren Sieges, den er vor Augen hat, gibt sich unser Krieger kollegial. Er vergrößert den Abstand zu seinem Kontrahenten um ganze 10 Zentimeter, um dann wieder auf die rechte Spur zu wechseln. Die wild aufflackernde Lichthupe seines Gegners deutet der Angreifer als Anerkennung für seine Leistung. Auf der linken Spur ziehen die Fans in ihren Pkw an ihm vorbei und bedanken sich für den Auftritt mit einer Ehrenbezeugung, indem sie mit dem Zeigefinger heftig an ihre Stirn tippen. Sie erkennen neidlos an, daß hier ein Profi am Werk war.

    Das war mein Bericht von der Front. Natürlich bleibe ich am Ball und werde die Lage weiter beobachten.

  • #2
    Genial

    Ähnlichkeiten mit lebenden "Truckern" sind nicht gewollt, sondern unvermeidlich.:rofl2[1]:

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    • #3
      Genau so sieht es aus...auch wenn man darüber schmunzeln muß...

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