Das Dorf Distomo wartet auf Entschädigung, seit 70 Jahren schon. 1944 fand dort eine SS-"Vergeltungsaktion" statt. 280 Dorfbewohner klagten bereits gegen Deutschland. Ein Gericht gab ihnen recht.
Loukas Sechremelis erinnert sich: "Ein großer deutscher Soldat ist durch das Fenster ins Haus gestürzt. Er hat in die Luft gefeuert und dann das Magazin seiner Maschinenpistole leergeschossen. Mein kleiner Bruder und zwei Frauen waren tot."
Es war das Massaker im zentralgriechischen Bergdorf Distomo bei Delphi am 10. Juni 1944. Eine SS-Einheit tötete dort 218 Menschen – unter ihnen Dutzende Kinder, die jünger waren als 14 Jahre.
Sechremelis war damals zwölf Jahre alt. Jetzt sitzt er im winzigen Wohnzimmer des Hauses, das damals zum Schauplatz der SS-"Vergeltungsaktion" wurde. Seine Stimme klingt ruhig, aber bitter: "Meine Mutter wurde verwundet, ihre Eltern und ihr junger Bruder wurden ebenfalls erschossen."
Distomos 54-jähriger Vize-Bürgermeister Loukas Zissis erzählt, wie den Opfern die Bäuche aufgeschlitzt, wie sie zerstückelt wurden. Unter den Toten waren sein Großvater und sein Onkel.
Deutsche müssen erfahren, "was ihre Großväter angerichtet haben"
Der damals noch keine vier Jahre alte Argyris Sfountouris überlebte das Massaker. Er verlor seine Eltern und 30 weitere Familienangehörige. Bekannt wurde er durch den Film "Ein Lied für Argyris" des Schweizer Dokumentarfilmers Stefan Haupt und zuletzt durch seinen Auftritt in der ZDF-Sendung "Die Anstalt".
Zissis spricht von einem "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" – begangen von einem Regiment der 4. SS-Polizei-Panzergrenadierdivision an der Dorfbevölkerung, die an Partisanenaktionen nicht beteiligt war. "Wer ein Verbrechen verübt hat, muss dafür bezahlen", sagt er. Der 80-jährige Angelos Kastritis, der Großeltern und Mutter bei dem Massaker verlor, spricht von einer "moralischen Verpflichtung". Die derzeitige Generation in Deutschland müsse erfahren, "was ihre Großväter angerichtet haben".
Der zur Zeit des Massakers kommandierende SS-Hauptsturmführer Fritz Lautenbach wurde nie zur Rechenschaft gezogen. Die deutsche Justiz verurteilte keinen der Mörder. Ein beim Landgericht München anhängiges Verfahren wurde 1972 wegen Verjährung der Tat eingestellt.
280 Dorfbewohner klagten gegen Deutschland
Nicht nur die strafrechtliche Ahndung des grausamen Verbrechens blieb aus, den Opfern und ihren Nachfahren wurde bis heute auch die Entschädigung für ihr Leid und die materiellen Schäden verweigert.
"Das wurde alles schon tausend Mal erzählt und geschrieben", sagt Sechremelis und klingt resigniert. Er gehört wie Sfountouris zu den 280 Dorfbewohnern, deren Klage auf Entschädigung das Landgericht der griechischen Stadt Livadia 1997 Recht gab, als es Deutschland zur Zahlung von 28,6 Millionen Euro Schmerzensgeld verurteilte. Der Areopag, das höchste griechische Gericht, wies im Jahr 2000 einen Revisionsantrag der Bundesrepublik zurück.
Da die Bundesregierung entsprechende Zahlungen ablehnte, sollte die Entschädigungssumme durch die Zwangspfändung deutscher Kultureinrichtungen, etwa des Goethe-Instituts in Athen, zusammengebracht werden. Doch der damalige griechische Justizminister weigerte sich, seine nach griechischem Recht erforderliche Einwilligung in die Zwangsvollstreckung zu erteilen.
Der derzeitige Justizminister Nikos Paraskevopoulos schließt dagegen nicht aus, dass er seine schriftliche Zustimmung geben könne. Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras erinnerte vor dem Parlament an die ungezählten anderen "Märtyrerdörfer" aus der Zeit unter der deutschen Besatzung: Kalavryta, Kandanos, Kommeno, Lyngiades, und Viannos.
Loukas Sechremelis erinnert sich: "Ein großer deutscher Soldat ist durch das Fenster ins Haus gestürzt. Er hat in die Luft gefeuert und dann das Magazin seiner Maschinenpistole leergeschossen. Mein kleiner Bruder und zwei Frauen waren tot."
Es war das Massaker im zentralgriechischen Bergdorf Distomo bei Delphi am 10. Juni 1944. Eine SS-Einheit tötete dort 218 Menschen – unter ihnen Dutzende Kinder, die jünger waren als 14 Jahre.
Sechremelis war damals zwölf Jahre alt. Jetzt sitzt er im winzigen Wohnzimmer des Hauses, das damals zum Schauplatz der SS-"Vergeltungsaktion" wurde. Seine Stimme klingt ruhig, aber bitter: "Meine Mutter wurde verwundet, ihre Eltern und ihr junger Bruder wurden ebenfalls erschossen."
Distomos 54-jähriger Vize-Bürgermeister Loukas Zissis erzählt, wie den Opfern die Bäuche aufgeschlitzt, wie sie zerstückelt wurden. Unter den Toten waren sein Großvater und sein Onkel.
Deutsche müssen erfahren, "was ihre Großväter angerichtet haben"
Der damals noch keine vier Jahre alte Argyris Sfountouris überlebte das Massaker. Er verlor seine Eltern und 30 weitere Familienangehörige. Bekannt wurde er durch den Film "Ein Lied für Argyris" des Schweizer Dokumentarfilmers Stefan Haupt und zuletzt durch seinen Auftritt in der ZDF-Sendung "Die Anstalt".
Zissis spricht von einem "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" – begangen von einem Regiment der 4. SS-Polizei-Panzergrenadierdivision an der Dorfbevölkerung, die an Partisanenaktionen nicht beteiligt war. "Wer ein Verbrechen verübt hat, muss dafür bezahlen", sagt er. Der 80-jährige Angelos Kastritis, der Großeltern und Mutter bei dem Massaker verlor, spricht von einer "moralischen Verpflichtung". Die derzeitige Generation in Deutschland müsse erfahren, "was ihre Großväter angerichtet haben".
Der zur Zeit des Massakers kommandierende SS-Hauptsturmführer Fritz Lautenbach wurde nie zur Rechenschaft gezogen. Die deutsche Justiz verurteilte keinen der Mörder. Ein beim Landgericht München anhängiges Verfahren wurde 1972 wegen Verjährung der Tat eingestellt.
280 Dorfbewohner klagten gegen Deutschland
Nicht nur die strafrechtliche Ahndung des grausamen Verbrechens blieb aus, den Opfern und ihren Nachfahren wurde bis heute auch die Entschädigung für ihr Leid und die materiellen Schäden verweigert.
"Das wurde alles schon tausend Mal erzählt und geschrieben", sagt Sechremelis und klingt resigniert. Er gehört wie Sfountouris zu den 280 Dorfbewohnern, deren Klage auf Entschädigung das Landgericht der griechischen Stadt Livadia 1997 Recht gab, als es Deutschland zur Zahlung von 28,6 Millionen Euro Schmerzensgeld verurteilte. Der Areopag, das höchste griechische Gericht, wies im Jahr 2000 einen Revisionsantrag der Bundesrepublik zurück.
Da die Bundesregierung entsprechende Zahlungen ablehnte, sollte die Entschädigungssumme durch die Zwangspfändung deutscher Kultureinrichtungen, etwa des Goethe-Instituts in Athen, zusammengebracht werden. Doch der damalige griechische Justizminister weigerte sich, seine nach griechischem Recht erforderliche Einwilligung in die Zwangsvollstreckung zu erteilen.
Der derzeitige Justizminister Nikos Paraskevopoulos schließt dagegen nicht aus, dass er seine schriftliche Zustimmung geben könne. Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras erinnerte vor dem Parlament an die ungezählten anderen "Märtyrerdörfer" aus der Zeit unter der deutschen Besatzung: Kalavryta, Kandanos, Kommeno, Lyngiades, und Viannos.
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