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  • Mein Arbeitskollege spricht Klartext, auch ohne ein Buch zu schreiben.

    Ein Trucker spricht Klartext

    Lkw-Fahrer sind ständig unter Druck: Franz Altenhövel erzählt, wie es in der Branche zugeht.
    Eine Häufung von Lkw-Unfällen und eine Lawine festgestellter Verstöße bei Großkontrollen - Lkw-Fahrer stehen in der Kritik. Jetzt spricht einer von ihnen.

    Eines liegt auf der Hand, da widerspricht auch Franz Altenhövel als Betroffener nicht: "Der Fahrer ist immer der erste, der angemeckert wird." Schließlich steckt derjenige, der auf dem Lkw-Bock sitzt, zwischen allen Fronten. Zwischen Kunden und Spediteuren, zwischen anderen Verkehrsteilnehmern und der Polizei. "Aber", das möchte der 60-Jährige mit Wohnsitz auf Sylt rüberbringen: Für das, was schief läuft, "ist der Fahrer nicht allein verantwortlich."

    "Vergessen Sie die Disponenten nicht", beginnt er seinen Blick hinter die Kulissen. Das sind diejenigen, die in der Speditions-Zentrale sitzen und den Fahrern die Aufträge erteilen. "In vielen Betrieben sind die Disponenten am Umsatz beteiligt", weiß Altenhövel und meint: "Da fängt das Dilemma an." Wer also einen Trucker in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Auf- und Abladestellen abklappern lasse, profitiere davon im eigenen Portemonnaie. Altenhövel: "Wie der Fahrer das schafft, ist denen teilweise egal. Das sind dann die Situationen, in denen man auch mit nur zwei Stundenkilometern mehr auf dem Tacho anfängt, einen anderen Lkw zu überholen."

    Bei Wiederstand "nicht mehr für den Betrieb geeignet"

    Bei Widerspruch, erzählt Altenhövel, "gerät der Fahrer in eine Rechtfertigungssituation". Ob ein Stau oder eine Vollsperrung einen ehrgeizigen Zeitplan zunichte mache, "interessiert dann im Zweifelsfall keinen." Bei Widerstand gegen einen Appell zum Weiterfahren ohne Rücksicht auf vorgeschriebene Zeiten sei es in der Branche keine Seltenheit, dass es dann heiße: "Und Tschüß - für den Betrieb nicht mehr geeignet. Oder kritische Fahrer werden für besonders blöde Fern-Touren von drei oder vier Wochen Dauer eingeteilt".

    Dass zwar auf die Lenk- und Ruhezeiten seit Einführung des digitalen Fahrtenschreibers 2006 stärker geachtet wird als früher, konzidiert Altenhövel. Aber, abgesehen davon, dass eine Großkontrolle der Polizei Schleswig-Holstein gerade bei 22,8 Prozent der überprüften Lkw doch Verstöße dagegen festgestellt hat - es gebe auch noch die Schichtzeit, je nach speziellen Umständen 13 oder 15 Stunden. "Und dass auf die nicht geachtet wird, ist weit verbreitet."

    "Heute ist das Lager auf der Straße"

    Aber Altenhövels Blick reicht weiter als bis zu den Disponenten. "Letzten Endes sitzen die auch zwischen den Stühlen", weiß der Insulaner. "Die stehen wieder gegenüber den Auftraggebern unter Druck." Und der wird seiner Beobachtung nach durch einen Systemwechsel immer größer: Früher fungierten Zwischenlager als Dreh- und Angelpunkte der meisten Transporte. Das bedeutete oft einen zeitlichen Puffer zwischen Anliefern und Abholen. "Heute aber ist das Lager auf der Straße." So entfallen Kosten für Lagerhaltung. Der Preis: Alles will "just in time" angeliefert sein - "und deshalb spielt ein Zahnrad in das andere", sagt Altenhövel.

    Oder eben auch nicht, wenn es zu Verzögerungen kommt: "Wenn ein Fahrer mit Zulieferteilen 30 Minuten später zu VW kommt, können die so lange die Bänder anhalten." Oder: "Bleibt ein Fleisch laster eine Stunde im Stau stecken, stehen die Mitarbeiter im Zerlegebetrieb genau so lange rum."

    Herzinfarkt am Steuer keine Seltenheit

    Auch Fahrer ihrerseits sehen sich immer wieder mit Wartezeiten konfrontiert, wenn es an einer Stelle hakt. Wenn sie irgendwo Ware übernehmen sollen, die aber dort zu spät eintrifft - "dann muss ich in Hektik beladen und bin schon voll im Stress drin, bevor meine Fahrt überhaupt begonnen hat." Über zu hohen Blutdruck und Magengeschwüre bei vielen Kollegen wundert sich der Sylter nicht. "Wie viele haben nicht schon einen Herzinfarkt am Steuer bekommen oder wurden erst nach zwei oder drei Tagen tot aufgefunden, wenn sie auf einem Parkplatz abgenippelt sind? Das taucht ja in keiner Statistik auf."

    Angesichts einer drohenden Überalterung der Trucker im Zuge der demografischen Entwicklung sieht er diese Gefahr noch wachsen: "Natürlich ist man dann nicht mehr so reaktionsschnell - und dann passiert leichter was."

    "Viereinhalb Stunden hinter einer Wand"

    Ob älter oder jünger: "Vom tückischen Sekundenschlaf kann sich keiner hundertprozentig freisprechen", meint der offenherzige Branchen-Kenner. "Die Monotonie am Steuer" sieht er als Tücke. Oft komme das Rollen der Lastwagen dicht an dicht auf der rechten Spur einem Zug in einer Kolonne gleich. "Da fahre ich dann de facto viereinhalb Stunden einer Wand hinterher, bis die nächste Pause kommt", zieht Altenhövel einen drastischen Vergleich. Hinzu kommen Automatik-Schaltung, Tempomat, Abstandswarner, Navigationsgerät - mit der Folge, dass "man auf der Strecke fast nichts mehr zu tun hat. So viel Technik kann auch zum Nachteil werden."

    Dazu noch gesunkene Löhne durch osteuropäische Fahrer-Konkurrenz und die allabendliche Suchaktion nach einem Parkplatz - das trage bei vielen Kollegen auch zur Unzufriedenheit bei. "In Deutschland muss man eigentlich um 16 Uhr auf dem Platz stehen, wenn man noch regulär unterkommen will." Vier, fünf verschiedene Adressen müsse man manchmal anfahren, um ein Lkw-Gespann parken zu können. "Früher gab es an den Raststätten Fernfahrer-Stamm tische", erinnert sich Altenhövel an bessere Zeiten - "heute sitzt abends jeder allein".
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  • #2
    Sehr guter Bericht! Da hat der Franz nicht nur aus dem Nähkästchen geplaudert, sondern ohne Anklage die Realität geschildert.
    Zitat von Robert Lyndt:
    "Es ist leichter eine Lüge zu glauben, die man schon hundert mal gehört hat, als die Wahrheit, die man noch nie gehört hat."

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    • #3
      Finde ich auch-gut geschrieben oder erzählt,ohne reißerische Übertreibungen.
      Gruß Holger :D:D

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      • #4
        Frage ihn mal ob wir das auf der Startseite bringen dürfen
        Liebe Grüße
        Harry


        Sei wie eine Briefmarke, klebe solange an deinem Vorhaben bist du dein Ziel erreicht hast.

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