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Niedriglohn oder Lohnwucher? Teil 1

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  • Niedriglohn oder Lohnwucher? Teil 1

    Die Abwärtsspirale des allgemeinen Lohnniveaus ist in den letzten Jahren nahezu zum Selbstläufer geworden. Bei manchem mag deshalb der Eindruck entstehen, dass das Gesetz keinen Schutz gegen Billigstlöhne bietet. Doch das ist nicht der Fall. Bezahlt ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer einen Wucherlohn, kann dies für ihn nicht nur arbeitsrechtliche sondern auch strafrechtliche Konsequenzen haben. Die Redaktion von anwalt.de schildert zu diesem Thema einige wichtige Gerichtsfälle.

    Lohnwucher, Niedriglohn
    Lichtblick: Seit dem 19.03.2010 gilt für das Dachdeckerhandwerk ein neuer bundesweiter, branchenspezifischer Mindestlohn in Höhe von 10,60 Euro, der sich zum 01.01.2011 auf 10,80 Euro erhöht.Marktwert der Arbeit gemäß Tariflohn

    In Deutschland gibt es keinen gesetzlichen Mindestlohn wie in den meisten EU-Mitgliedstaaten. Es ist also grundsätzlich Sache von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, das Gehalt im Arbeitsvertrag individuell zu vereinbaren. Allerdings existieren für einige Wirtschaftszweige branchenspezifische Mindestlöhne, beispielsweise in der Baubranche und im Handwerk für Dachdecker, Maler und Lackierer. Soweit kein branchenspezifischer Mindestlohn vorliegt, können Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften eine Lohnvereinbarung in einem Tarifvertrag vereinbaren, der für Unternehmen verpflichtend ist, wenn sie tarifgebunden sind.

    Doch auch wenn keine Tarifbindung für den Betrieb besteht, sollte sich ein Arbeitgeber bei der Gehaltskalkulation an den für seine Branche geltenden Tarifverträgen orientieren. Wenn keine einschlägigen Tarifverträge existieren, können verwandte Tarifverträge zur Bestimmung einer angemessenen Lohnhöhe herangezogen werden. Die Orientierung ist wichtig, damit man als Arbeitgeber nicht Gefahr läuft, eventuelle Ausgleichszahlungen zu leisten.

    Gesetzliche Grundlagen

    Zwar ist das Gehalt weitläufig Verhandlungssache zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder Gewerkschaften. Allerdings setzt das deutsche Rechtssystem dem Lohn nach unten Grenzen. Für die arbeitsrechtliche Seite ist § 138 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) einschlägig, der zwischen der Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts einerseits (Absatz 1) und Lohnwucher bzw. Wucher andererseits (Absatz 2) unterscheidet. Liegt einer der Tatbestände vor, ist die entsprechende Lohnvereinbarung nichtig. Der Arbeitnehmer kann in diesem Fall rückwirkend gemäß § 612 Abs. 2 BGB den Differenzbetrag bis zur Höhe des angemessenen Lohns vom Arbeitgeber fordern.

    Unabhängig davon kann sich ein Arbeitgeber auch wegen Wucher gemäß § 291 Abs. 1 Nr. 3 im Strafgesetzbuch (StGB) strafbar machen, wenn er die angemessene Lohngrenze objektiv unterschreitet und sich der Ausbeutung schuldig macht und sich Vermögensvorteile verschafft oder versprechen lässt. Das Gesetz sieht für Wucher eine Geldstrafe und sogar eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vor. In besonders schweren Fällen, etwa bei gewerbsmäßigem Wucher, ist eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs bis zu zehn Jahren vorgesehen.

    Sittenwidriges Rechtsgeschäft, § 138 Abs. 1 BGB

    Eine sittenwidrige Lohnvereinbarung gemäß § 138 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn bei ihr ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht. Zu berücksichtigen ist hier nicht nur die Höhe des Gehalts. Aus den gesamten Umständen, also aus Inhalt, Beweggrund und Zweck der Lohnvereinbarung, muss sich die Sittenwidrigkeit ergeben. Es spielt dabei auch keine Rolle, ob der Arbeitgeber sich der Sittenwidrigkeit der Gehaltsregel bewusst war oder ob er mit Schädigungsabsicht gehandelt hat, Kenntnis vom Missverhältnis zwischen beiden Leistungen genügt.

    Allerdings müssen neben dem auffälligen Missverhältnis weitere sittenwidrige Umstände vorliegen, etwa eine verwerfliche Gesinnung des durch die Vereinbarung Begünstigten. Eine verwerfliche Gesinnung liegt nicht nur vor, wenn der Wucherer die schwächere Lage des anderen bewusst zu seinem Vorteil ausnutzt, sondern bereits, wenn er sich der Einsicht leichtfertig verschließt, dass sich der andere nur wegen seiner schwachen Ausgangslage oder gezwungenermaßen wegen der Verhältnisse auf den ungünstigen Vertrag einlässt. Von einer verwerflichen Gesinnung ist auszugehen, wenn das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besonders auffällig ist.

    Lohnwucher, § 138 Abs. 2 BGB

    Der in § 138 Abs. 2 BGB normierte Lohnwucher knüpft an die Ausbeutung an: Ein Rechtsgeschäft ist nichtig, durch das sich jemand unter Ausbeutung einer Zwangslage, der Unerfahrenheit oder eines mangelnden Urteilsvermögens eines anderen für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen. Im Arbeitsrecht erfasst § 138 Abs. 2 BGB Arbeitsverhältnisse, in denen zwischen dem Wert der Arbeitsleistung und der Höhe des Lohns ein auffälliges Missverhältnis besteht. Subjektiv muss hier der Arbeitgeber die Situation des Arbeitnehmers bewusst ausbeuten und sich diese zunutze machen.

    Zeitraum der Gehaltszahlung maßgeblich

    Für Lohnvereinbarungen gelten besondere Regeln in Hinblick auf den für § 138 BGB relevanten Zeitpunkt. Normalerweise kommt es immer auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. Beim Arbeitsverhältnis ist jedoch der gesamte Zeitraum entscheidend, über den eine sittenwidrige Lohnvereinbarung in Betracht kommt.

    Es ist also durchaus möglich, dass eine zunächst gesetzesgemäße Gehaltsvereinbarung nachträglich sittenwidrig werden kann, wenn das Gehalt nicht an eine faktische Kaufkraftsenkung durch Inflation oder gestiegene Lebenshaltungskosten angepasst wird.

    Teil 2 folgt
    Liebe Grüße
    Harry


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