Von SPIEGEL-ONLINE-Krisenkolumnist Thomas Tuma
Eine neue Versicherung bietet umfassenden Schutz für den Fall, dass man als Führungskraft plötzlich in den Knast muss. Das lohnt sich - gerade in Zeiten, in denen man als Bankangestellter nicht nur verdeckte Provisionen, sondern auch Schuhgröße, sexuelle Obsessionen und eigenen Kontostand beichten muss.
Hamburg - Die Roland Rechtsschutz-Versicherungs-AG bietet Top-Managern seit kurzem als besonderen Service ein "U-Haft-Package". Im ersten Moment könnte man annehmen, damit sei vielleicht ein neues Weiterbildungsprogramm gemeint, vergleichbar mit Survival-Seminaren in abgeschiedenen Schwarzwaldtälern, wo die Schlachtung eines handzahmen Kaninchens früher gern als Höhepunkt des dynamischen Gruppengedankens missverstanden wurde. Schließlich verlangt die Wirtschaftskrise auch im Bereich der berufsbegleitenden Pädagogik neue Lösungen.
Nachdem selbst Klosterwochen (Fünf-Sterne-Heilfasten mit Pater Anselm in Schafscheißmühlen) an Anziehungskraft verlieren, könnte es nun heißen: "Feel the prison experience! Ein Wochenende in einer authentischen Justizvollzugsanstalt, Zellennachbar mit Migrationshintergrund inkl."
Ein derartiges "U-Haft-Package" wäre lehrreich, günstig - und als Incentive wahrscheinlich steuerlich absetzbar. Aber all das meint die Roland AG nicht.
Tatsächlich beweist die Assekuranz nur seherischen Geschäftssinn. Das Versicherungspaket wird als "wichtige Ergänzung zum Universal-Straf-Rechtsschutz" beworben. In der Reklame dazu wird völlig zurecht erklärt, wie leicht man als Führungskraft heutzutage in Untersuchungshaft geraten kann. Bereits der Verdacht der Steuerhinterziehung reiche. Einmal ein paar Jahre weggeschaut - schon ist man fällig. Einmal ein bisschen die Regierung eines afrikanischen Kleinststaats geschmiert, um in der Sahelzone ein ökologisch völlig unbedenkliches Endlager für atomare Brennstäbe errichten zu können - schon sitzt man mit höchst anpassungsfähigen Lebewesen in einer hygienisch arg bedenklichen Zelle.
U-Haft-Tagegeld gibt es zusätzlich
Das Auswärtige Amt hilft nicht immer. Auch deshalb bietet Roland neben Botschafts- und Konsulatsservice "zusätzlich ein U-Haft-Tagegeld" an. Es muss sich schon lohnen für die daheimgebliebene Gattin, die derweil in Düsseldorf-Oberkassel oder München-Bogenhausen die schadenfrohen Blicke der gehässigen Schnepfen vom Rotary Club ertragen muss.
Empfehlenswert ist das "U-Haft-Package" gerade für Beschäftigte im Finanzgewerbe, wo schon in Vor-Krisen-Zeiten das Bonmot galt: "Mit einem Bein in der Irrenanstalt, mit einem im Knast." Die Zeiten sind wohl endgültig vorbei, wo man als Nachwuchskraft am Schalter quasi Beamtenstatus genoss. Rechtsprechung und öffentliche Wahrnehmung haben einen enormen Wandel vollzogen - mit bislang unüberschaubaren Folgen. Künftig muss man als Bankangestellter auf Anfrage nicht nur verdeckte Provisionen vorab beichten, sondern auch Schuhgröße, sexuelle Obsessionen und eigenen Kontostand. Wer einem Zehnjährigen heute zum Weltspartag ein Sparschwein schenkt, kann noch in 30 Jahren mit einer Klage rechnen wegen irreführender Beratung und tut gut daran, das Treffen in Bild und Ton aufzuzeichnen.
Sollte der Bengel nach Zertifikaten oder VW-Optionen fragen, schauen Sie unauffällig nach einer versteckten Kamera oder quittieren Sie sofort den Dienst! Das U-Haft-Package empfiehlt sich aber nur fürs mittlere Management. Wer es bis in den Vorstand geschafft hat, ist im Prinzip sicher. Da erwischt es eigentlich nie einen.
28.07.2009 http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,638613,00.html
Klasse was, nun können die sich für ihre Machenschaften noch versichern... Ich brech zusammen.
Hier die Versicherung:
Falschbilanzierung, Steuervergehen oder Umweltverstöße
Oder einfach übersetzt: "Wenn sie beim betrügen auf die Schnauze fallen, macht nichts, wir helfen ihnen da raus. Die Versicherungsbeiträge sind dann natürlich Betriebsaufwendungen".
Dann versichert sich Manager xy, gegen den evtl. Betrug an seinem Unternehmen, und die entstehenden kosten darf noch der Arbeiter tragen... Und die Politik guckt dabei sicher noch in Ruhe zu.
Eine neue Versicherung bietet umfassenden Schutz für den Fall, dass man als Führungskraft plötzlich in den Knast muss. Das lohnt sich - gerade in Zeiten, in denen man als Bankangestellter nicht nur verdeckte Provisionen, sondern auch Schuhgröße, sexuelle Obsessionen und eigenen Kontostand beichten muss.
Hamburg - Die Roland Rechtsschutz-Versicherungs-AG bietet Top-Managern seit kurzem als besonderen Service ein "U-Haft-Package". Im ersten Moment könnte man annehmen, damit sei vielleicht ein neues Weiterbildungsprogramm gemeint, vergleichbar mit Survival-Seminaren in abgeschiedenen Schwarzwaldtälern, wo die Schlachtung eines handzahmen Kaninchens früher gern als Höhepunkt des dynamischen Gruppengedankens missverstanden wurde. Schließlich verlangt die Wirtschaftskrise auch im Bereich der berufsbegleitenden Pädagogik neue Lösungen.
Nachdem selbst Klosterwochen (Fünf-Sterne-Heilfasten mit Pater Anselm in Schafscheißmühlen) an Anziehungskraft verlieren, könnte es nun heißen: "Feel the prison experience! Ein Wochenende in einer authentischen Justizvollzugsanstalt, Zellennachbar mit Migrationshintergrund inkl."
Ein derartiges "U-Haft-Package" wäre lehrreich, günstig - und als Incentive wahrscheinlich steuerlich absetzbar. Aber all das meint die Roland AG nicht.
Tatsächlich beweist die Assekuranz nur seherischen Geschäftssinn. Das Versicherungspaket wird als "wichtige Ergänzung zum Universal-Straf-Rechtsschutz" beworben. In der Reklame dazu wird völlig zurecht erklärt, wie leicht man als Führungskraft heutzutage in Untersuchungshaft geraten kann. Bereits der Verdacht der Steuerhinterziehung reiche. Einmal ein paar Jahre weggeschaut - schon ist man fällig. Einmal ein bisschen die Regierung eines afrikanischen Kleinststaats geschmiert, um in der Sahelzone ein ökologisch völlig unbedenkliches Endlager für atomare Brennstäbe errichten zu können - schon sitzt man mit höchst anpassungsfähigen Lebewesen in einer hygienisch arg bedenklichen Zelle.
U-Haft-Tagegeld gibt es zusätzlich
Das Auswärtige Amt hilft nicht immer. Auch deshalb bietet Roland neben Botschafts- und Konsulatsservice "zusätzlich ein U-Haft-Tagegeld" an. Es muss sich schon lohnen für die daheimgebliebene Gattin, die derweil in Düsseldorf-Oberkassel oder München-Bogenhausen die schadenfrohen Blicke der gehässigen Schnepfen vom Rotary Club ertragen muss.
Empfehlenswert ist das "U-Haft-Package" gerade für Beschäftigte im Finanzgewerbe, wo schon in Vor-Krisen-Zeiten das Bonmot galt: "Mit einem Bein in der Irrenanstalt, mit einem im Knast." Die Zeiten sind wohl endgültig vorbei, wo man als Nachwuchskraft am Schalter quasi Beamtenstatus genoss. Rechtsprechung und öffentliche Wahrnehmung haben einen enormen Wandel vollzogen - mit bislang unüberschaubaren Folgen. Künftig muss man als Bankangestellter auf Anfrage nicht nur verdeckte Provisionen vorab beichten, sondern auch Schuhgröße, sexuelle Obsessionen und eigenen Kontostand. Wer einem Zehnjährigen heute zum Weltspartag ein Sparschwein schenkt, kann noch in 30 Jahren mit einer Klage rechnen wegen irreführender Beratung und tut gut daran, das Treffen in Bild und Ton aufzuzeichnen.
Sollte der Bengel nach Zertifikaten oder VW-Optionen fragen, schauen Sie unauffällig nach einer versteckten Kamera oder quittieren Sie sofort den Dienst! Das U-Haft-Package empfiehlt sich aber nur fürs mittlere Management. Wer es bis in den Vorstand geschafft hat, ist im Prinzip sicher. Da erwischt es eigentlich nie einen.
28.07.2009 http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,638613,00.html
Klasse was, nun können die sich für ihre Machenschaften noch versichern... Ich brech zusammen.
Hier die Versicherung:
Falschbilanzierung, Steuervergehen oder Umweltverstöße
Oder einfach übersetzt: "Wenn sie beim betrügen auf die Schnauze fallen, macht nichts, wir helfen ihnen da raus. Die Versicherungsbeiträge sind dann natürlich Betriebsaufwendungen".
Dann versichert sich Manager xy, gegen den evtl. Betrug an seinem Unternehmen, und die entstehenden kosten darf noch der Arbeiter tragen... Und die Politik guckt dabei sicher noch in Ruhe zu.