MASSNAHMEN GEGEN SOZIALDUMPING
Hoch spekulativ
Die Europäische Transportarbeiter Föderation, ETF, befürchtet auf ihrer Pressekonferenz in Brüssel, dass die EU-Verkehrskommission durch ihre möglichen Vorschläge zur kommenden Straßeninitiative die Arbeitsbedingungen der Fahrer eher verschlechtert als verbessert.
Die Europäische Transportarbeiter Föderation (ETF) vertritt derzeit über 2,3 Millionen Mitglieder aus 231 nationalen Gewerkschaften in Brüssel. Im Rahmen der komplexen europäischen Gesetzgebung gehört sie zum sozialen Dialog. Ihr Anliegen wird gehört. Nicht mehr und auch nicht weniger. Streng genommen macht auch die ETF in Brüssel Lobbyarbeit und sieht sich dabei als einzige Vertretung der verbrieften Rechte unter anderem der LKW-Fahrer den Organisationen der Arbeitgeber wie etwa IRU und CLECAT gegenüber. Diese sind zahlenmäßig stärker in Brüssel vertreten und haben auch mehr Geld.
Straßeninitiative im Mai erwartet
Nun ist die ETF höchst besorgt. Am 31. Mai soll EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc nun laut ETF ihre Straßeninitiative (früher:Road Package) vorstellen. Noch ist dazu konkret nichts aus der Kommission selbst bzw. der zuständigen DG Move nach außen gedrungen.
Nur eins ist klar: Bulc steht zunehmend zwischen zwei Blöcken aus Ost- und Westeuropa. Der eine, der Osten, pocht auf die Dienstleistungsfreiheit und ihre nationalen Mindestlöhne plus Spesen, um die Fahrer europaweit billiger als der Westen einzusetzen. Der Westen sieht genau das als Grundlage für das beklagte "Sozialdumping", insbesondere wenn Fahrer aus dem Osten über Wochen oder sogar Monate im Westen unterwegs sind. Für den Osten sind Maßnahmen gegen dieses "Nomadentum" wiederum purer Protektionismus. Auf politischer Ebene ist der Konflikt wohl derzeit nicht zu lösen auch wenn Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) das immer wieder fordert und dazu eine Allianz seiner westlichen Kollegen gegründet hat.
Ringen um die Ruhezeit
Im Mittelpunkt dieses internationalen Interessenkonfliktes steht vor allem das Ringen um die Frage, ob es dem Fahrer laut der VO (EG) 561/2006 Artikel 8 (8) zukünftig verboten ist, seine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit im LKW zu verbringen. Belgien, Frankreich, die Niederlande haben dazu bereits nationale Verbote erlassen, der EuGH könnte dazu in absehbar Zeit ein Urteil fällen, dass nach einer Schrift des Generalanwalts des EuGH
diese Auslegung der Verordnung bestätigt. Hier hätte Bulc eine Sorge weniger.
Deutsches Verbot erwartet
Auch in Deutschland wird es nun wohl nach der Entscheidung im Bundesrat (31. März) ein nationales Verbot geben, dass dann möglicherweise zum Sommer in Kraft tritt. Das wiederum begrüßen die deutschen Verbände wie BGL und DSLV, aber mit Hintersinn: sie wünschen sich nämlich von der EU-Kommission, dass trotzdem die drei- bis vierwöchigen Rundläufe, die fast ausschließlich von den Flotten aus den mittel- und osteuropäischen Ländern (MOE) durchgeführt werden, erhalten bleiben. Und, bei einer deutlichen Zunahme ausländischer LKW-Fahrer auf deutschen Lastzügen, dass diese, das wäre wohl der Nebeneffekt, weiterhin für die jeweils drei bis vier Wochen langen Beschäftigungen als günstige Übernachtungsmöglichkeiten erhalten bleiben.
Änderung der Reihenfolge der Ruhezeiten
Und nun befürchtet die ETF auf einer Pressekonferenz in Brüssel am 30. März, dass die EU-Kommission genau diese Absicht hat. Sie will im Vorfeld durch Gespräche im sozialen Dialog erfahren haben, dass es Pläne gibt, die bislang in Artikel 8 (6) der VO (EG) 561/2006 klar festgelegte Reihenfolge zu ändern - und es somit zu ermöglichen, dass Fahrer gleich mehrere reduziere wöchentliche Ruhezeiten im LKW einlegen dürfen. Vor den damit verbundenen Konsequenzen für die Fahrer warnt die ETF eindeutig - siehe das Positionspapiers weiter unten.
Das wäre, sollte es sich politisch auf europäischer Ebene durchsetzten lassen, ein Coup. Denn dann bliebe es zwar einhellig verboten, die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit im LKW zu verbringen, aber das interessiert dann niemanden mehr. Denn auch bei drei reduzierten Ruhezeiten hintereinander könnte der Fahrer weiterhin komplette vier Wochen im LKW bleiben.
Setzen sich die Verbände durch?
Wie das der BGL in einer Pressemitteilung als "Maßnahme gegen das Sozialdumping" beschreiben kann, wird noch zu klären sein. Die meisten Fahrer aus Osteuropa sind bereits jetzt in diesem Rhythmus unterwegs, die dann längere Zeit, die sie bei der möglichen neuen Regelung daheim ausgleichen müssten, verbringen sie schon jetzt dort. Der aktuelle Zustand des Dumpingwettbewerbs würde zementiert. Lediglich die vergleichsweise wenigen Fahrer, die über Monate unterwegs sind, wären wirklich betroffen. Dass die Lkw, wie es der BGL wünscht, auch alle vier Wochen in die Heimat fährt, lässt sich über die Fahrpersonalverordnung nicht bestimmen.
Vor allem aber: das neue nationale deutsche Verbot, dessen Bußgeld sich ergibt, wenn Fahrer erwiesenermaßen zweimal hintereinander die Ruhezeit verkürzen, wäre ausgehebelt, sollte sich die noch fiktive Variante der Kommission am Ende auch gegen europarechtliche Bedenken durchsetzten. Die Mehrheit der MOE-Länder wäre sicher dafür. In Deutschland jedenfalls wüsste der dann amtierende Verkehrsminister die Verbände für eine finale Zustimmung im Rat hinter sich.
ETF macht Druck auf die Kommission
In dem Positionspapier fürchtet die ETF nun zwei Monate vor der Verkündung, dass sich die Situation für Fahrer erheblich verschlechterten könnte. So wären es auch denkbar, dass die Lenkzeiten auch gemäß den verkürzten Ruhezeiten im Rahmen der Doppelwoche erhöhen könnte.
Doch die EU-Kommission beteiligt sich grundsätzlich nicht an Spekulationen über mögliche Gesetzesinitiativen. Auch weitere mögliche Änderungen zu Ungunsten der Fahrer befürchtet die ETF, etwa eine zeitweise Ausnahme aus der bestehenden Entsenderichtlinie. Sie würde jegliche nationalen Gesetze zum Mindestlohn ad absurdum führen, selbst wenn LKW-Fahrer im Prinzip eigentlich überhaupt nicht entsendet sind.
Entschieden ist nichts, aber die Sorge, dass sich die Interessen der Verbände aus Logistik und Transport und der verladenden Wirtschaft am Ende wieder durchsetzen, sind gestiegen. Um den Druck auf die Kommission zu erhöhen, die lange versprochenen Maßnahmen gegen das Sozialdumping nicht aus den Augen zu verlieren, kündigt die ETF nun eine Reihe von Kampagnen an. Dazu gehört eine große Demonstration am 26.4. vor dem EU-Parlament in Brüssel. Dort muss jede Gesetzesinitiative der Kommission mit entsprechender Mehrheit angenommen, geändert oder abgelehnt werden.
Straßeninitiative
http://www.eurotransport.de/news/mas...v-8873705.html
Hoch spekulativ
Die Europäische Transportarbeiter Föderation, ETF, befürchtet auf ihrer Pressekonferenz in Brüssel, dass die EU-Verkehrskommission durch ihre möglichen Vorschläge zur kommenden Straßeninitiative die Arbeitsbedingungen der Fahrer eher verschlechtert als verbessert.
Die Europäische Transportarbeiter Föderation (ETF) vertritt derzeit über 2,3 Millionen Mitglieder aus 231 nationalen Gewerkschaften in Brüssel. Im Rahmen der komplexen europäischen Gesetzgebung gehört sie zum sozialen Dialog. Ihr Anliegen wird gehört. Nicht mehr und auch nicht weniger. Streng genommen macht auch die ETF in Brüssel Lobbyarbeit und sieht sich dabei als einzige Vertretung der verbrieften Rechte unter anderem der LKW-Fahrer den Organisationen der Arbeitgeber wie etwa IRU und CLECAT gegenüber. Diese sind zahlenmäßig stärker in Brüssel vertreten und haben auch mehr Geld.
Straßeninitiative im Mai erwartet
Nun ist die ETF höchst besorgt. Am 31. Mai soll EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc nun laut ETF ihre Straßeninitiative (früher:Road Package) vorstellen. Noch ist dazu konkret nichts aus der Kommission selbst bzw. der zuständigen DG Move nach außen gedrungen.
Nur eins ist klar: Bulc steht zunehmend zwischen zwei Blöcken aus Ost- und Westeuropa. Der eine, der Osten, pocht auf die Dienstleistungsfreiheit und ihre nationalen Mindestlöhne plus Spesen, um die Fahrer europaweit billiger als der Westen einzusetzen. Der Westen sieht genau das als Grundlage für das beklagte "Sozialdumping", insbesondere wenn Fahrer aus dem Osten über Wochen oder sogar Monate im Westen unterwegs sind. Für den Osten sind Maßnahmen gegen dieses "Nomadentum" wiederum purer Protektionismus. Auf politischer Ebene ist der Konflikt wohl derzeit nicht zu lösen auch wenn Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) das immer wieder fordert und dazu eine Allianz seiner westlichen Kollegen gegründet hat.
Ringen um die Ruhezeit
Im Mittelpunkt dieses internationalen Interessenkonfliktes steht vor allem das Ringen um die Frage, ob es dem Fahrer laut der VO (EG) 561/2006 Artikel 8 (8) zukünftig verboten ist, seine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit im LKW zu verbringen. Belgien, Frankreich, die Niederlande haben dazu bereits nationale Verbote erlassen, der EuGH könnte dazu in absehbar Zeit ein Urteil fällen, dass nach einer Schrift des Generalanwalts des EuGH
diese Auslegung der Verordnung bestätigt. Hier hätte Bulc eine Sorge weniger.
Deutsches Verbot erwartet
Auch in Deutschland wird es nun wohl nach der Entscheidung im Bundesrat (31. März) ein nationales Verbot geben, dass dann möglicherweise zum Sommer in Kraft tritt. Das wiederum begrüßen die deutschen Verbände wie BGL und DSLV, aber mit Hintersinn: sie wünschen sich nämlich von der EU-Kommission, dass trotzdem die drei- bis vierwöchigen Rundläufe, die fast ausschließlich von den Flotten aus den mittel- und osteuropäischen Ländern (MOE) durchgeführt werden, erhalten bleiben. Und, bei einer deutlichen Zunahme ausländischer LKW-Fahrer auf deutschen Lastzügen, dass diese, das wäre wohl der Nebeneffekt, weiterhin für die jeweils drei bis vier Wochen langen Beschäftigungen als günstige Übernachtungsmöglichkeiten erhalten bleiben.
Änderung der Reihenfolge der Ruhezeiten
Und nun befürchtet die ETF auf einer Pressekonferenz in Brüssel am 30. März, dass die EU-Kommission genau diese Absicht hat. Sie will im Vorfeld durch Gespräche im sozialen Dialog erfahren haben, dass es Pläne gibt, die bislang in Artikel 8 (6) der VO (EG) 561/2006 klar festgelegte Reihenfolge zu ändern - und es somit zu ermöglichen, dass Fahrer gleich mehrere reduziere wöchentliche Ruhezeiten im LKW einlegen dürfen. Vor den damit verbundenen Konsequenzen für die Fahrer warnt die ETF eindeutig - siehe das Positionspapiers weiter unten.
Das wäre, sollte es sich politisch auf europäischer Ebene durchsetzten lassen, ein Coup. Denn dann bliebe es zwar einhellig verboten, die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit im LKW zu verbringen, aber das interessiert dann niemanden mehr. Denn auch bei drei reduzierten Ruhezeiten hintereinander könnte der Fahrer weiterhin komplette vier Wochen im LKW bleiben.
Setzen sich die Verbände durch?
Wie das der BGL in einer Pressemitteilung als "Maßnahme gegen das Sozialdumping" beschreiben kann, wird noch zu klären sein. Die meisten Fahrer aus Osteuropa sind bereits jetzt in diesem Rhythmus unterwegs, die dann längere Zeit, die sie bei der möglichen neuen Regelung daheim ausgleichen müssten, verbringen sie schon jetzt dort. Der aktuelle Zustand des Dumpingwettbewerbs würde zementiert. Lediglich die vergleichsweise wenigen Fahrer, die über Monate unterwegs sind, wären wirklich betroffen. Dass die Lkw, wie es der BGL wünscht, auch alle vier Wochen in die Heimat fährt, lässt sich über die Fahrpersonalverordnung nicht bestimmen.
Vor allem aber: das neue nationale deutsche Verbot, dessen Bußgeld sich ergibt, wenn Fahrer erwiesenermaßen zweimal hintereinander die Ruhezeit verkürzen, wäre ausgehebelt, sollte sich die noch fiktive Variante der Kommission am Ende auch gegen europarechtliche Bedenken durchsetzten. Die Mehrheit der MOE-Länder wäre sicher dafür. In Deutschland jedenfalls wüsste der dann amtierende Verkehrsminister die Verbände für eine finale Zustimmung im Rat hinter sich.
ETF macht Druck auf die Kommission
In dem Positionspapier fürchtet die ETF nun zwei Monate vor der Verkündung, dass sich die Situation für Fahrer erheblich verschlechterten könnte. So wären es auch denkbar, dass die Lenkzeiten auch gemäß den verkürzten Ruhezeiten im Rahmen der Doppelwoche erhöhen könnte.
Doch die EU-Kommission beteiligt sich grundsätzlich nicht an Spekulationen über mögliche Gesetzesinitiativen. Auch weitere mögliche Änderungen zu Ungunsten der Fahrer befürchtet die ETF, etwa eine zeitweise Ausnahme aus der bestehenden Entsenderichtlinie. Sie würde jegliche nationalen Gesetze zum Mindestlohn ad absurdum führen, selbst wenn LKW-Fahrer im Prinzip eigentlich überhaupt nicht entsendet sind.
Entschieden ist nichts, aber die Sorge, dass sich die Interessen der Verbände aus Logistik und Transport und der verladenden Wirtschaft am Ende wieder durchsetzen, sind gestiegen. Um den Druck auf die Kommission zu erhöhen, die lange versprochenen Maßnahmen gegen das Sozialdumping nicht aus den Augen zu verlieren, kündigt die ETF nun eine Reihe von Kampagnen an. Dazu gehört eine große Demonstration am 26.4. vor dem EU-Parlament in Brüssel. Dort muss jede Gesetzesinitiative der Kommission mit entsprechender Mehrheit angenommen, geändert oder abgelehnt werden.
Straßeninitiative
http://www.eurotransport.de/news/mas...v-8873705.html
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