Eine Lkw-Kontrolle in Belgien zeigt das ganze Ausmaß des illegalen Wettbewerbs im europäischen Straßengütertransport: Betrug, illegale Kabotage und Sozialdumping.
Der Riss geht mitten durch die Bremsscheibe. Im Kegel der Lampe, die Hauptinspektor Raymond Lausberg auf das Rad eines in Rumänien zugelassenen DAF richtet, ist er deutlich zu erkennen. Das hätte bei der letzten Hauptuntersuchung des Lkw eigentlich auffallen müssen. Ebenso wie der dramatische Unterschied der Bremsleistung, den die versierten Mitarbeiter der Goca, einer privaten technischen Überwachungsorganisation, auf dem mobilen Prüfstand feststellen.
Doch die Hauptuntersuchung in Rumänien hat es nie gegeben, wie Lausbergs Kollege von der Autobahnpolizei Battice, Guido Bodem, schnell ermittelt hat. Zu dem Zeitpunkt, als das Fahrzeug in Cluij-Napoca einen amtlichen Prüfstempel in den Fahrzeugschein bekommen haben soll, war es laut Aufzeichnung des digitalen Tachografen irgendwo zwischen Belgien und Frankreich unterwegs. Es ist mittlerweile schon der 85. Fall des offensichtlichen Betrugs mit gefälschten behördlichen Prüfdokumenten, die der belgischen Schwerlastkontrolleinheit seit einem guten Jahr aufgefallen ist. Ein ausgewachsenes Problem, über das FERNFAHRER bereits in der Reportage"Der Schein trügt" ausführlich berichtet hat.
Bei der Kontrolle am 20. Oktober stoßen die Beamten noch auf zwei weitere Betrugsfälle mit gefälschten Papieren. Trotz der hohen Trefferquote bei "nur" 20 verdächtigen Lkw und einer Bußgeldsumme von 26.000 Euro ist sich Lausberg sicher: "Das ist nur die Spitze des Eisbergs."
Ausweglose Situation für die Fahrer
Der Fahrer trägt es augenscheinlich mit Fassung. 25 Jahre ist er alt, ein studierter Techniker aus der Grenzregion zu Moldawien, der fließend Englisch spricht, aber für seine Qualifikation in der Heimat keinen angemessenen Job findet – außer für einen staatlichen Mindestlohn von rund 210 Euro. So fährt der Junggeselle seit zwei Monaten Lkw im internationalen Transport, eben mit dem kontrollierten DAF. Sein Chef hat etwa 25 Lkw. Die allerdings, sagt der Fahrer ohne Skrupel, sind ausschließlich in Belgien, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden unterwegs, meist im Auftrag von westeuropäischen Logistikern. 1.500 Euro netto bekommt der junge Mann im Monat, inklusive der Spesen, die eigentlich dazu diesen sollten, damit er sich unterwegs verpflegen kann. "Das ist sehr viel Geld in Rumänien", sagt der junge Mann, der davon träumt, ein Haus zu bauen und eine Familie zu gründen. Also bleib ihm nur ein Job im boomenden Transport – auch wenn er dabei auf einer rollenden Zeitbombe sitz. Nun ruft er seinen Chef an und teilt ihm knapp mit, dass sein Lkw vorerst stillgelegt ist und ein schneller Geldtransfer nötig ist: 1.980 Euro für das gefälschte Dokument, 660 Euro für die Probleme mit den Bremsen und 180 Euro für eine kleinere Lenkzeitüberschreitung.
Dann beschreibt ihm Guido Bodem den Weg zur nächsten DAF-Servicewerkstatt. Erst nach der erfolgten Reparatur und der anschließenden erfolgreichen Kontrolle bei der belgischen Autosécurité kann er seine Dokumente auf der Polizeistation in Battice abholen. "Es gibt Tage", sagt Lausberg, "da stehen bei uns bis zu zehn Lkw in der Zufahrt, deren Fahrer darauf warten, dass das Geld überwiesen wird."
Hohe Trefferquote bei den Kontrollen
Das Team der belgischen Spezialisten besteht aus 25 Beamten der Autobahnpolizei aus den vier Provinzen Namur, Luxemburg, Lüttich und Hennegau. Unterstützt werden sie diesmal von zwei Kollegen einer Spezialeinheit aus den Niederlanden, die eine spezielle Software mitbringen: AutoCom. "Damit können wir über das Motormanagement des Lkw schnell auslesen, ob es Unstimmigkeiten gibt", sagt Peter van de Pol. Etwa, ob sich die Räder des Lkw gedreht haben, während der Tacho auf Pause stand. Das könnte auf eine Manipulation hinweisen. So wie bei dem roten Scania aus Bulgarien. Der Fahrer muss die Zugmaschine absatteln, damit die Beamten am Getriebe nach Spuren am KITAS-Geber suchen können. Die Niederländer, die sich im Rahmen eines Erfahrungsaustauschs immer wieder an den Kontrollen der Belgier beteiligen, dürfen zwar Fahrzeuge checken, aber Delikte nicht ahnden. Die kleinen Kratzspuren rund um den KITAS-Geber sind zwar ein Indiz dafür, dass er manipuliert sein könnte, im Gegensatz zum Nachbarland dienen sie aber nicht als Beleg. Der Bulgare kann weiter fahren.
"Die Methoden der Tachomanipulation werden immer dreister und betreffen immer öfter die Elektronik selbst", so van de Pol, der bestätigt, dass etwa im Hafen von Rotterdam die gelben niederländischen Nummernschilder immer öfter von weißen Plaketten aus Osteuropa verdrängt werden. "Wir kommen kam noch mit der Kontrolle hinterher", beklagt van de Pol. Und dennoch – hier in Belgien ist die Trefferquote sehr hoch. Die Polizei an der E 40 weiß genau, wen sie rauszieht. Dennoch ist Lausberg nicht so ganz zufrieden. Denn viele Lkw sind vorher durch Deutschland gefahren, ohne dass sie beanstandet wurden.
Musterbeispiel für illegale Kabotage
So stehen an diesem trüben Nachmittag viele Sattelzüge mit einem belgischen Auflieger und einer in Osteuropa zugelassenen Zugmaschine auf dem Rastplatz bei Lüttich. Soeben ist den Beamten ein Musterbeispiel illegaler Kabotage ins Netz gegangen: der Lastzug einer sehr bekannten, alteingesessenen belgischen Spedition, dessen Scania auf der Seite Name und Adresse eines Transportunternehmens aus Bratislava in der Slowakei trägt. "Dort sitzen bereits etwa zehn belgische Speditionen", so Lausberg aus seinen bisherigen Erkenntnissen. "Das stinkt gewaltig zum Himmel." Und so untersuchen seine Leute, alles, was sie finden können, auch den Arbeitsvertrag des Fahrers, der wiederum aus Rumänien kommt. Seit drei Jahren
Weiterlesen und Quelle....
Der Riss geht mitten durch die Bremsscheibe. Im Kegel der Lampe, die Hauptinspektor Raymond Lausberg auf das Rad eines in Rumänien zugelassenen DAF richtet, ist er deutlich zu erkennen. Das hätte bei der letzten Hauptuntersuchung des Lkw eigentlich auffallen müssen. Ebenso wie der dramatische Unterschied der Bremsleistung, den die versierten Mitarbeiter der Goca, einer privaten technischen Überwachungsorganisation, auf dem mobilen Prüfstand feststellen.
Doch die Hauptuntersuchung in Rumänien hat es nie gegeben, wie Lausbergs Kollege von der Autobahnpolizei Battice, Guido Bodem, schnell ermittelt hat. Zu dem Zeitpunkt, als das Fahrzeug in Cluij-Napoca einen amtlichen Prüfstempel in den Fahrzeugschein bekommen haben soll, war es laut Aufzeichnung des digitalen Tachografen irgendwo zwischen Belgien und Frankreich unterwegs. Es ist mittlerweile schon der 85. Fall des offensichtlichen Betrugs mit gefälschten behördlichen Prüfdokumenten, die der belgischen Schwerlastkontrolleinheit seit einem guten Jahr aufgefallen ist. Ein ausgewachsenes Problem, über das FERNFAHRER bereits in der Reportage"Der Schein trügt" ausführlich berichtet hat.
Bei der Kontrolle am 20. Oktober stoßen die Beamten noch auf zwei weitere Betrugsfälle mit gefälschten Papieren. Trotz der hohen Trefferquote bei "nur" 20 verdächtigen Lkw und einer Bußgeldsumme von 26.000 Euro ist sich Lausberg sicher: "Das ist nur die Spitze des Eisbergs."
Ausweglose Situation für die Fahrer
Der Fahrer trägt es augenscheinlich mit Fassung. 25 Jahre ist er alt, ein studierter Techniker aus der Grenzregion zu Moldawien, der fließend Englisch spricht, aber für seine Qualifikation in der Heimat keinen angemessenen Job findet – außer für einen staatlichen Mindestlohn von rund 210 Euro. So fährt der Junggeselle seit zwei Monaten Lkw im internationalen Transport, eben mit dem kontrollierten DAF. Sein Chef hat etwa 25 Lkw. Die allerdings, sagt der Fahrer ohne Skrupel, sind ausschließlich in Belgien, Frankreich, Deutschland und den Niederlanden unterwegs, meist im Auftrag von westeuropäischen Logistikern. 1.500 Euro netto bekommt der junge Mann im Monat, inklusive der Spesen, die eigentlich dazu diesen sollten, damit er sich unterwegs verpflegen kann. "Das ist sehr viel Geld in Rumänien", sagt der junge Mann, der davon träumt, ein Haus zu bauen und eine Familie zu gründen. Also bleib ihm nur ein Job im boomenden Transport – auch wenn er dabei auf einer rollenden Zeitbombe sitz. Nun ruft er seinen Chef an und teilt ihm knapp mit, dass sein Lkw vorerst stillgelegt ist und ein schneller Geldtransfer nötig ist: 1.980 Euro für das gefälschte Dokument, 660 Euro für die Probleme mit den Bremsen und 180 Euro für eine kleinere Lenkzeitüberschreitung.
Dann beschreibt ihm Guido Bodem den Weg zur nächsten DAF-Servicewerkstatt. Erst nach der erfolgten Reparatur und der anschließenden erfolgreichen Kontrolle bei der belgischen Autosécurité kann er seine Dokumente auf der Polizeistation in Battice abholen. "Es gibt Tage", sagt Lausberg, "da stehen bei uns bis zu zehn Lkw in der Zufahrt, deren Fahrer darauf warten, dass das Geld überwiesen wird."
Hohe Trefferquote bei den Kontrollen
Das Team der belgischen Spezialisten besteht aus 25 Beamten der Autobahnpolizei aus den vier Provinzen Namur, Luxemburg, Lüttich und Hennegau. Unterstützt werden sie diesmal von zwei Kollegen einer Spezialeinheit aus den Niederlanden, die eine spezielle Software mitbringen: AutoCom. "Damit können wir über das Motormanagement des Lkw schnell auslesen, ob es Unstimmigkeiten gibt", sagt Peter van de Pol. Etwa, ob sich die Räder des Lkw gedreht haben, während der Tacho auf Pause stand. Das könnte auf eine Manipulation hinweisen. So wie bei dem roten Scania aus Bulgarien. Der Fahrer muss die Zugmaschine absatteln, damit die Beamten am Getriebe nach Spuren am KITAS-Geber suchen können. Die Niederländer, die sich im Rahmen eines Erfahrungsaustauschs immer wieder an den Kontrollen der Belgier beteiligen, dürfen zwar Fahrzeuge checken, aber Delikte nicht ahnden. Die kleinen Kratzspuren rund um den KITAS-Geber sind zwar ein Indiz dafür, dass er manipuliert sein könnte, im Gegensatz zum Nachbarland dienen sie aber nicht als Beleg. Der Bulgare kann weiter fahren.
"Die Methoden der Tachomanipulation werden immer dreister und betreffen immer öfter die Elektronik selbst", so van de Pol, der bestätigt, dass etwa im Hafen von Rotterdam die gelben niederländischen Nummernschilder immer öfter von weißen Plaketten aus Osteuropa verdrängt werden. "Wir kommen kam noch mit der Kontrolle hinterher", beklagt van de Pol. Und dennoch – hier in Belgien ist die Trefferquote sehr hoch. Die Polizei an der E 40 weiß genau, wen sie rauszieht. Dennoch ist Lausberg nicht so ganz zufrieden. Denn viele Lkw sind vorher durch Deutschland gefahren, ohne dass sie beanstandet wurden.
Musterbeispiel für illegale Kabotage
So stehen an diesem trüben Nachmittag viele Sattelzüge mit einem belgischen Auflieger und einer in Osteuropa zugelassenen Zugmaschine auf dem Rastplatz bei Lüttich. Soeben ist den Beamten ein Musterbeispiel illegaler Kabotage ins Netz gegangen: der Lastzug einer sehr bekannten, alteingesessenen belgischen Spedition, dessen Scania auf der Seite Name und Adresse eines Transportunternehmens aus Bratislava in der Slowakei trägt. "Dort sitzen bereits etwa zehn belgische Speditionen", so Lausberg aus seinen bisherigen Erkenntnissen. "Das stinkt gewaltig zum Himmel." Und so untersuchen seine Leute, alles, was sie finden können, auch den Arbeitsvertrag des Fahrers, der wiederum aus Rumänien kommt. Seit drei Jahren
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