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Letzte Etappe: Linienbus

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    Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze: Die letzte Etappe im Linienbus

    Ist die deutsche Grenze dicht? Die meisten Flüchtlinge in Salzburg glauben das Gerücht. Doch wer sich traut und die richtige Buslinie findet, wird belohnt: Hunderte finden täglich den Weg über die Grenze.


    Flüchtlinge in Salzburg: "Woher wissen wir, wann wir in Deutschland sind?"

    Es ist wie der letzte große Test, die letzte Kraftprobe, bevor sie Deutschland erreichen. Die 15-jährige Rama und ihre zwölf Jahre alte Schwester Lana haben ihn bestanden. Sie haben herausgefunden, dass sie vom Salzburger Bahnhof den Bus 2 nehmen müssen, bis zur Esshaverstraße, und dann umsteigen in die Linie 24. Die wird sie bis zur Grenze bringen. Sonst fährt nichts rüber, kein Bus, kein Zug.

    Jetzt stehen die beiden syrischen Mädchen aus Aleppo mit ihren Eltern, ihrem Onkel und ihrer Großmutter im Bus 24. Er ist heiß und völlig überfüllt, Flüchtlinge mit Taschen und weinenden Kindern, dazwischen Anwohner, deutsche Reisende, die am Mittwoch noch nach München wollen oder nach Köln. Ramas Vater zeigt dem Fahrer sein Ticket. Er hält es falsch herum. "Wir wünschen eine gute Fahrt", steht auf der Rückseite. "Ja, ja, gute Fahrt", sagt der Busfahrer. "Ich muss diese Runde heute noch siebenmal machen, bis 23 Uhr", stöhnt der Busfahrer. "Woher wissen wir, wann wir in Deutschland sind?", fragt Ramas Vater freundlich. "You will see", sagt der Busfahrer. Da tauchen Polizisten vor der Frontscheibe auf und die Brücke, die über die Saalach führt. Auf der anderen Seite ist Deutschland. "Ich bin sehr müde", sagt der Vater mit den leuchtend grünen Augen.

    Das kostbarste Gut ist Information

    Seine Familie hat Glück. Seine beiden Töchter sprechen exzellentes Englisch, sie gingen in Aleppo in eine Privatschule, der Vater verdiente gut mit einem Laden für Herrenbekleidung. Sie hatten Geld, um die Flucht über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn, Österreich gemeinsam zu versuchen. Viele Familien haben das nicht, oft bleiben Vater oder Mutter oder beide zurück. Ramas Familie hatte auch Geld, damit ihr Cousin ihnen Koffer voll Kleidung nach Wien schicken konnte. Die meisten Flüchtlinge haben fast nichts, wenn sie in Salzburg ankommen.

    Doch das kostbarste Gut, das am Salzburger Hauptbahnhof nur ganz wenige besitzen, ist Information. "Die deutsche Grenze ist zu, es ist die Wahrheit", sagt eine Mitarbeiterin von Caritas, die vor dem Bahnhof an einem Stand steht und über die Lage aufklären soll. "Das haben sie im Zug und im Radio durchgesagt." Bakhtiary, 19, aus Afghanistan hat es von den österreichischen Polizisten gehört. "Sie sagen uns, die Grenze sei geschlossen." Es erklärt ihm auch niemand, wie weit die Grenze eigentlich weg ist. "Sechs Stunden zu Fuß, vielleicht?" Für eine SIM-Karte mit Internet reicht sein Geld nicht.

    Bakhtiary will lieber auf einen der Züge warten, die ihn nach Deutschland bringen sollen. "Sie sagen uns, die Züge seien umsonst, und wir sollen hierbleiben, bis sie kommen". Er wartet schon seit vorgestern drauf. So wie viele Flüchtlinge in der Tiefgarage, die unter dem Hauptbahnhof als Versorgungszentrum eingerichtet wurde. Helfer teilen Essen aus, Dutzende Flüchtlinge liegen auf dem Boden. Die Decke ist niedrig, die Stimmung beklemmend, an der hinteren Wand stehen noch ein paar Autos.

    Polizeikontrolle: "Alle ohne Pass bitte aussteigen"

    Die syrischen Mädchen Rama, Lana und ihre Familie wollten nicht in der Tiefgarage warten. Sie hatten Glück, mal wieder: Sie haben einen Mitarbeiter der Salzburger Lokalbahn angesprochen, der vor dem Bahnhof an der Bushaltestelle steht. "Ich habe ihnen die Busverbindungen genannt, die sie zur Grenze nehmen müssen", sagt der stämmige Mann mit der orangefarbenen Weste. Und an dem Gerücht, dass Busfahrer keine Flüchtlinge einsteigen lassen, sei auch nichts dran. "Die Leitstelle hat ausgegeben, dass sie mitzunehmen sind."


    Bus nach Freilassing: Linie 24 fährt über die Grenze

    Die Bundespolizisten lassen den Bus über die Grenze fahren und winken ihn dann rechts ran. "Alle ohne Pass bitte aussteigen", sagt ein Polizist auf Englisch. Niemand bewegt sich. "Syria?", fragt der Polizist. Langsam klettern rund 70 Flüchtlinge aus dem Bus, reihen sich folgsam auf, um gezählt zu werden, lassen sich über die Straße führen.

    Sie setzen sich am Flussufer ins Gras, oben auf der Brücke stehen noch mehr Flüchtlinge Schlange. Bis zum Nachmittag sind schon mehr als tausend Flüchtlinge angekommen. Gestern waren es zehnmal weniger. "Gebt's a mal die Gummibären für die Kinder!", ruft einer der bayerischen Nachbarn, die sich seit Dienstag zu einem ehrenamtlichen Helfertrupp organisiert haben und kistenweise Bananen, Äpfel, Brötchen und Wasser herankarren. Ramas Großmutter bittet um stilles Wasser, der Sprudel ist ihr nicht geheuer, und beißt dann in eine Banane. "Ich bin erleichtert, aber ich mache mir auch Sorgen", sagt Rama. Der Schweiß glänzt ihr auf der Stirn unter dem weißen Kopftuch. "Wo werden sie uns hinbringen?"

    Die Flüchtlinge kommen in eine verlassene Möbelhalle zur Registrierung. Aber sie müssen noch warten, bis sie in einen der Sonderlinienbusse steigen können, die die Flüchtlinge abholen. Rama lächelt. Sie hat die letzten drei Jahre in Aleppo ständig um ihr Leben gefürchtet. Sie hat das Boot auf dem Mittelmeer überlebt. Sie ist stundenlang durch Serbien marschiert. Sie hat aus dem desinformierten Gewusel des Salzburger Bahnhofs herausgefunden. "Ach, warten, das ist doch kein Problem."

    (Quelle: Spiegel)
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