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Gerhard Mayer-Vorfelder †

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    Der schwäbische Patriarch

    Gerhard Mayer-Vorfelder war eine Reizfigur. Politisch hat er provoziert, den VfB Stuttgart als Vereinsboss zuweilen wie seine Privatsache behandelt. Aber als DFB-Chef legte er den Grundstein für die heutigen Erfolge.


    Gerhard Mayer-Vorfelder (* 3. März 1933 in Mannheim als Gerhard Mayer; † 17. August 2015 in Stuttgart) (Foto: dpa)


    Er hat immer polarisiert. Gerhard Mayer-Vorfelder war eine fast barocke Figur, in seinen politischen Ämtern in der baden-württembergischen CDU ebenso wie in seiner Karriere als Fußballfunktionär. Eitel war er, und dennoch einer, dem es oft egal schien, was die Leute über ihn sagten und dachten. Gerhard Mayer-Vorfelder, der im Alter von 82 Jahren am Montag gestorben ist, war in jedem Fall eine Persönlichkeit. Keiner von den aalglatten, nassforschen Typen.

    Mit dem VfB Stuttgart bleibt er untrennbar verbunden, auch wenn er nicht in Schwaben, sondern in Mannheim geboren wurde. 25 Jahre hat er den Klub geführt, manchmal wie ein Gutsherr, immer wie ein Patriarch. Vereinstransfers behandelte er auch mal wie seine Privatsache, als er ging, war der VfB hoffnungslos verschuldet. Unvergessen sind seine Scharmützel mit dem damaligen VfB-Profi Karl Allgöwer, der in den frühen Achtzigerjahren offen mit der Friedensbewegung sympathisierte. Für den ultrakonservativen Mayer-Vorfelder ein Verhalten, das bei ihm nur komplettes Unverständnis hervorrufen konnte.

    Der Präsident schäumte, als Allgöwer in der Umkleidekabine Unterschriften für die atomare Abrüstung sammelte. Dennoch wäre es MV nie in den Sinn gekommen, den Spieler deswegen abzustrafen oder gar aus dem Team zu werfen. Er hatte Respekt vor Typen - auch wenn sie politisch oder persönlich ganz anders tickten als er.

    Filbinger wurde früh auf ihn aufmerksam

    Der Fußball und die Politik - das lief bei Mayer-Vorfelders Laufbahn immer parallel. Das eine ist ohne das andere nicht vorstellbar. Früh wurde der damalige Ministerpräsident Hans Filbinger auf das politische Talent aus Mannheim aufmerksam. Mayer-Vorfelder wurde so eine Art Ziehsohn des wegen seiner NS-Vergangenheit hoch umstrittenen Regierungschefs, in vielen gesellschaftlichen Fragen waren sie einer Meinung. Mayer-Vorfelder profilierte sich, erst als Staatssekretär, ab 1980 unter Filbingers Nachfolger Lothar Späth elf lange Jahre als Kultusminister, dann noch einmal sieben Jahre als Finanzminister des Landes.

    Eine Reizfigur war er. Wenn er zum Beispiel forderte, dass in Schulen die Nationalhymne gesungen werden sollte, und zwar alle drei Strophen. Wenn er seiner Abneigung gegen Wehrdienstverweigerer Ausdruck verlieh. Oder wenn er Schülern bei der Abiturprüfung das Tragen von Jeans und Turnschuhen verbieten wollte. Der SPIEGEL hatte ihn schon 1980 einen "konservativen Draufgänger" genannt. Ein Liberaler war er politisch beileibe nicht.

    Im Fußball war er zu dieser Zeit bereits eine Hausnummer. Mit ihm an der Spitze bekam der bis dahin leicht hausbackene VfB Stuttgart die nötige Prise Glamour verpasst. Mayer-Vorfelder war kein Asket, um es vorsichtig auszudrücken. Als "Müller-Trollinger" ist er verspottet worden, weil er einem Glas Wein selten abgeneigt war. Nur einer seiner zahlreichen Spitznamen: Als "Mayer-Vorderlader" wurde er wegen seiner Nähe zur Bundeswehr von politischen Gegnern beschimpft, "Schlitzmayer-Ohrfelder" hieß er auch mal, weil er als politisches Cleverle in eigener Sache agierte.

    Dass er politisches und sportliches Engagement vermischte, ist ihm vorgeworfen worden. In der Steueraffäre um den Vater von Tennisstar Steffi Graf ermittelte seine Finanzbehörde eher schleppend. Dass beim VfB Stuttgart in den Siebzigerjahren auch fragwürdige medizinische Experimente der Uni Freiburg durchgeführt worden waren, hat die Landesregierung mit ihrem Minister Mayer-Vorfelder nicht besonders argwöhnisch gemacht.

    Er wollte die Singpflicht bei der Hymne

    Noch als DFB-Chef setzte er sich für eine Singpflicht der Hymne für Nationalspieler ein. Der Aktion "Tatort Stadion. Rassismus und Diskriminierung im Fußball" entzog er die Unterstützung durch den DFB, weil in der Wanderausstellung auch alte Zitate von ihm auftauchten, in denen er sich abfällig über den hohen Ausländeranteil in der Bundesliga geäußert haben soll.

    Aber es gab auch den anderen Mayer-Vorfelder. Den, der in seinen fünf Jahren als DFB-Präsident ab dem Jahr 2001 mit der konsequenten Nachwuchsförderung den Grundstein für die späteren Erfolge des Nationalmannschaft gelegt hat. Der dem Bundestrainer Jürgen Klinsmann immer Rückendeckung gab, als im DFB viele gegen die Reformen des Trainers rebellierten. Der soziale Projekte des Verbandes nachhaltig unterstützte. Die Öffentlichkeit hat diese Verdienste erst im Nachhinein zu erkennen begonnen. Während seiner Amtszeit gehörte es zu einem gewissen guten Ton, über MV, sein Auftreten und seine Reden zu spotten. Der Präsident hat darauf gekränkt reagiert, fühlte sich unverstanden. Der DFB-Schatzmeister Theo Zwanziger, der ihm ab 2004 in einer Doppelspitze an die Seite gestellt wurde, galt als der Hoffnungsträger, Mayer-Vorfelder dagegen als der Mann von gestern. "Mayer-Vorgestern" - der nächste Spitzname. Den Realitäten entsprach das nicht.

    Zuletzt hatte sich MV, der bis 2007 auch jahrelang in der Fifa-Exekutive saß, aus der Öffentlichkeit weitgehend zurückgezogen; gesundheitlich angeschlagen, auch persönlich verletzt durch die Angriffe und den Hohn in der Öffentlichkeit. Mit den alerten kantenfreien Funktionären der heutigen Zeit konnte er nicht mehr viel anfangen. Gerhard Mayer-Vorfelder kam aus einer anderen Ära.

    (Quelle: Spiegel)
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