Das Fuhrgewerbe in der Region leidet unter einem dramatischen Mangel an Fahrern
Olaf Höhn sieht den kommenden Monaten mit einem lachenden und einem weinenden Auge entgegen. Der Inhaber der Berliner Eis-Manufaktur "Florida Eis" freut sich einerseits auf die Sommermonate, in denen das Eisgeschäft brummt, andererseits muss er gerade in den arbeitsintensiven Wochen mit dem Personal improvisieren. Höhn sucht dringend Fahrer, die das Eis zu den Kunden bringen. Er beschäftigt insgesamt 20 Fahrer. Allein in diesem Jahr hat er bereits acht neue eingestellt, ist aber ständig auf der Suche nach qualifiziertem Personal.
Zur Not fährt auch der Seniorchef Eis nach Bayern
Findet er es nicht, dann springt der Seniorchef selbst ein, wie zuletzt, als er eine Ladung Eis zum Schloss Neuschwanstein nach Bayern fuhr, weil ein Fahrer fehlte. "Mir graut schon vor dem Sommer", sagt Höhn. Die Personalsuche gestalte sich immer schwieriger. Zuletzt habe sich ein Kandidat gemeldet, der am Ende des Bewerbungsgesprächs fragte, ob ein Führerschein nötig sei, um als Fahrer arbeiten zu können.
Bei der Bundesagentur für Arbeit sind derzeit 1005 offene Stellen gemeldet, 362 davon in Berlin, 643 in Brandenburg. Gesucht wird alles – vom Mini-Jobber im innerstädtischen Lieferverkehr bis zur Vollzeitkraft im Güterverkehr. "Die Lage ist dramatisch", sagt der Geschäftsführer der Fuhrgewerbe-Innung, Gerd Bretschneider. Die Innung vertritt rund 2500 Fuhrgewerbeunternehmen in der Region mit rund 18.000 Berufskraftfahrern. "In jeder Woche melden sich Unternehmer, die uns fragen, ob wir eine Idee haben, wie sie Fahrer finden können", sagt Bretschneider.
Neben der harten Konkurrenz zwischen den verschiedenen Branchen machen auch andere Faktoren die Nachwuchssuche schwer. "Der Beruf ist nicht besonders attraktiv", sagt Bernhard Lemmé, Geschäftsführer der Entsorgungsfirma Nenn aus Spandau. Auch er könnte zwei bis drei Fahrzeuge mehr einsetzen als die elf, die er derzeit angeschafft hat – wenn er geeignete Fahrer finden würde. Lemmé macht auch das Imageproblem für die schwierige Personalsuche verantwortlich. "Alle wollen ein Päckchen von Amazon haben, verbinden Lastwagen aber damit, dass sie Kinder überrollen", sagt Lemmé. Ohne Lkw werde der Warenverkehr aber nicht zu bewältigen sein.
Der Wirtschaftsverkehr in der Region wächst seit Jahren, parallel zum wirtschaftlichen Aufschwung Berlins und des Umlandes. Das liegt vor allem am schnell wachsenden Onlinehandel und den vielen auszuliefernden Paketen, aber auch an verlängerten Öffnungszeiten und der zunehmenden Internationalisierung des Wirtschaftsverkehrs. Doch viele Unternehmen haben seit Jahren Schwierigkeiten, Fahrer für die Auslieferung zu finden. Alle Versuche, den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern, sind bislang gescheitert. Mehr als 70 Prozent des Wirtschaftsverkehrs wird per Lastwagen transportiert, nur 30 Prozent per Zug oder Schiff.
Als Ursache für den Fahrermangel gibt die Fuhrbranche verschiedene Gründe an. So seien die Anforderungen an Berufskraftfahrer in den vergangenen Jahren gestiegen. Wer gewerblich einen Lastwagen fahren möchte, muss seit 1999 einen eigenen Führerschein erwerben. Bis dahin war das Fahren von Lkw bis 3,5 Tonnen im normalen Autoführerschein enthalten. Zusätzlich zum entsprechenden Führerschein ist nun eine "Berufskraftfahrerqualifikation" notwendig, die bei der IHK abgelegt werden muss. Es fallen Kosten zwischen 2000 und 10.000 Euro an, um alle Qualifikationen zu erwerben.
Wegfall der Wehrpflicht trägt auch zum Fahrermangel bei
Für die Erlaubnis, einen Lastwagen gewerblich fahren zu wollen, sind eine Reihe von Voraussetzungen – nach Angaben des TÜV Rheinland zunächst einmal der Erwerb des Kfz-Führerscheins (Klasse B). Der Führerschein Klasse C1 erlaubt den Güterverkehr bis zu 7,5 Tonnen. Soll mit einem Anhänger gefahren werden, ist der Führerschein Klasse C1E notwendig. Lastwagen über 7,5 Tonnen dürfen nur mit dem Führerschein der Klasse C gelenkt werden.
Als eine weitere Ursache für den Fahrermangel geben die Unternehmen den Wegfall der Wehrpflicht an. Viele Wehrpflichtige haben in ihrer Zeit bei der Bundeswehr den Lkw-Führerschein gemacht und danach wenigstens zeitweise als Kraftfahrer in einem Unternehmen gearbeitet. Seit der Abschaffung der Wehrpflicht ist das nicht mehr der Fall, und immer weniger junge Menschen erwerben einen entsprechenden Führerschein.
Wegen der guten Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt unterstützt die Bundesagentur für Arbeit inzwischen die Aus- oder Umschulung zum Berufskraftfahrer unter bestimmten Voraussetzungen. Dabei werden die Kosten teilweise oder sogar vollständig übernommen. Zu den Voraussetzungen gehören, dass die Vermittlung in den erlernten Beruf unwahrscheinlich ist oder keine Ausbildung vorliegt. Die Arbeitsagentur entscheidet über eine Förderung jeweils im Einzelfall.
Nach der Einschätzung von Verkehrsexperten wird der Wirtschaftsverkehr in den kommenden Jahren weiter zunehmen, die Bundesregierung rechnet mit einem Wachstum von 38 Prozent in 20 Jahren. Bis die Fahrzeuge fahrerlos durch das Land fahren, werden aber noch Jahre vergehen. Der Fahrermangel wird sich also zunächst einmal in den nächsten Jahren noch vergrößern.
Quelle dieses Artikels klick hier : Morgenpost
Olaf Höhn sieht den kommenden Monaten mit einem lachenden und einem weinenden Auge entgegen. Der Inhaber der Berliner Eis-Manufaktur "Florida Eis" freut sich einerseits auf die Sommermonate, in denen das Eisgeschäft brummt, andererseits muss er gerade in den arbeitsintensiven Wochen mit dem Personal improvisieren. Höhn sucht dringend Fahrer, die das Eis zu den Kunden bringen. Er beschäftigt insgesamt 20 Fahrer. Allein in diesem Jahr hat er bereits acht neue eingestellt, ist aber ständig auf der Suche nach qualifiziertem Personal.
Zur Not fährt auch der Seniorchef Eis nach Bayern
Findet er es nicht, dann springt der Seniorchef selbst ein, wie zuletzt, als er eine Ladung Eis zum Schloss Neuschwanstein nach Bayern fuhr, weil ein Fahrer fehlte. "Mir graut schon vor dem Sommer", sagt Höhn. Die Personalsuche gestalte sich immer schwieriger. Zuletzt habe sich ein Kandidat gemeldet, der am Ende des Bewerbungsgesprächs fragte, ob ein Führerschein nötig sei, um als Fahrer arbeiten zu können.
Bei der Bundesagentur für Arbeit sind derzeit 1005 offene Stellen gemeldet, 362 davon in Berlin, 643 in Brandenburg. Gesucht wird alles – vom Mini-Jobber im innerstädtischen Lieferverkehr bis zur Vollzeitkraft im Güterverkehr. "Die Lage ist dramatisch", sagt der Geschäftsführer der Fuhrgewerbe-Innung, Gerd Bretschneider. Die Innung vertritt rund 2500 Fuhrgewerbeunternehmen in der Region mit rund 18.000 Berufskraftfahrern. "In jeder Woche melden sich Unternehmer, die uns fragen, ob wir eine Idee haben, wie sie Fahrer finden können", sagt Bretschneider.
Neben der harten Konkurrenz zwischen den verschiedenen Branchen machen auch andere Faktoren die Nachwuchssuche schwer. "Der Beruf ist nicht besonders attraktiv", sagt Bernhard Lemmé, Geschäftsführer der Entsorgungsfirma Nenn aus Spandau. Auch er könnte zwei bis drei Fahrzeuge mehr einsetzen als die elf, die er derzeit angeschafft hat – wenn er geeignete Fahrer finden würde. Lemmé macht auch das Imageproblem für die schwierige Personalsuche verantwortlich. "Alle wollen ein Päckchen von Amazon haben, verbinden Lastwagen aber damit, dass sie Kinder überrollen", sagt Lemmé. Ohne Lkw werde der Warenverkehr aber nicht zu bewältigen sein.
Der Wirtschaftsverkehr in der Region wächst seit Jahren, parallel zum wirtschaftlichen Aufschwung Berlins und des Umlandes. Das liegt vor allem am schnell wachsenden Onlinehandel und den vielen auszuliefernden Paketen, aber auch an verlängerten Öffnungszeiten und der zunehmenden Internationalisierung des Wirtschaftsverkehrs. Doch viele Unternehmen haben seit Jahren Schwierigkeiten, Fahrer für die Auslieferung zu finden. Alle Versuche, den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern, sind bislang gescheitert. Mehr als 70 Prozent des Wirtschaftsverkehrs wird per Lastwagen transportiert, nur 30 Prozent per Zug oder Schiff.
Als Ursache für den Fahrermangel gibt die Fuhrbranche verschiedene Gründe an. So seien die Anforderungen an Berufskraftfahrer in den vergangenen Jahren gestiegen. Wer gewerblich einen Lastwagen fahren möchte, muss seit 1999 einen eigenen Führerschein erwerben. Bis dahin war das Fahren von Lkw bis 3,5 Tonnen im normalen Autoführerschein enthalten. Zusätzlich zum entsprechenden Führerschein ist nun eine "Berufskraftfahrerqualifikation" notwendig, die bei der IHK abgelegt werden muss. Es fallen Kosten zwischen 2000 und 10.000 Euro an, um alle Qualifikationen zu erwerben.
Wegfall der Wehrpflicht trägt auch zum Fahrermangel bei
Für die Erlaubnis, einen Lastwagen gewerblich fahren zu wollen, sind eine Reihe von Voraussetzungen – nach Angaben des TÜV Rheinland zunächst einmal der Erwerb des Kfz-Führerscheins (Klasse B). Der Führerschein Klasse C1 erlaubt den Güterverkehr bis zu 7,5 Tonnen. Soll mit einem Anhänger gefahren werden, ist der Führerschein Klasse C1E notwendig. Lastwagen über 7,5 Tonnen dürfen nur mit dem Führerschein der Klasse C gelenkt werden.
Als eine weitere Ursache für den Fahrermangel geben die Unternehmen den Wegfall der Wehrpflicht an. Viele Wehrpflichtige haben in ihrer Zeit bei der Bundeswehr den Lkw-Führerschein gemacht und danach wenigstens zeitweise als Kraftfahrer in einem Unternehmen gearbeitet. Seit der Abschaffung der Wehrpflicht ist das nicht mehr der Fall, und immer weniger junge Menschen erwerben einen entsprechenden Führerschein.
Wegen der guten Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt unterstützt die Bundesagentur für Arbeit inzwischen die Aus- oder Umschulung zum Berufskraftfahrer unter bestimmten Voraussetzungen. Dabei werden die Kosten teilweise oder sogar vollständig übernommen. Zu den Voraussetzungen gehören, dass die Vermittlung in den erlernten Beruf unwahrscheinlich ist oder keine Ausbildung vorliegt. Die Arbeitsagentur entscheidet über eine Förderung jeweils im Einzelfall.
Nach der Einschätzung von Verkehrsexperten wird der Wirtschaftsverkehr in den kommenden Jahren weiter zunehmen, die Bundesregierung rechnet mit einem Wachstum von 38 Prozent in 20 Jahren. Bis die Fahrzeuge fahrerlos durch das Land fahren, werden aber noch Jahre vergehen. Der Fahrermangel wird sich also zunächst einmal in den nächsten Jahren noch vergrößern.
Quelle dieses Artikels klick hier : Morgenpost
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